Am heutigen Mittwoch beginnt in Bonn ein Prozess gegen zwei britische Aktienhändler. Ihnen wird vorgeworfen, den deutschen Fiskus mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften um hohe Summen geprellt zu haben. Sie waren in Aktiendeals verstrickt, an denen auch die Deutsche Börse als zentraler Handelsplatz in Deutschland beteiligt gewesen sein könnte.
Nur eine Woche vor Beginn des Verfahrens hat die Staatsanwaltschaft Köln die Räume der Deutsche-Börse-Tochter Clearstream - bei der Wertpapiere verwahrt und außerbörsliche Wertpapiergeschäfte abgewickelt werden - in Eschborn bei Frankfurt a. M. und in Luxemburg durchsucht. Die Razzia stand in Zusammenhang mit seit 2017 laufenden Ermittlungen gegen Kunden und Mitarbeiter, so ein Unternehmenssprecher.
Dabei geht es aber wohl nicht nur um die Deals, die über die Handelssysteme von Clearstream und der Terminbörse Eurex gelaufen sind. Laut eines Berichts des "Handelsblatts" soll die Deutsche Börse die britische Bank Barclays 2007 aktiv beraten haben, wie sie mithilfe von Aktienkäufen und -verkäufen vor und nach dem Dividendenstichtag die Kapitalertragsteuer mehrfach zurückerstattet bekommt. So sollen die Deutsche-Börse-Mitarbeiter etwa wegen einer neuen Steuergesetzgebung geraten haben, die Aktienverschiebungen nicht mehr über deutsche Clearstream-Konten, sondern über solche in Luxemburg zu tätigen.
Die Deutsche Börse könnte also erneut im Schlamassel stecken - knapp zwei Jahre, nachdem sie aufgrund mutmaßlichen Insiderhandels wegen eines Aktienpakets des damaligen Vorstandschefs Carsten Kengeter und der geplatzten Fusion mit der britischen Börse London Stock Exchange (LSE) in die Schlagzeilen geraten war. Rückstellungen für eventuelle Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten wegen Cum-Ex-Geschäften hat das Unternehmen bislang nicht ausgewiesen. Aktuell ist Clearstream das zweitstärkste Segment der Deutschen Börse nach der Eurex, über die Futures und Optionen gehandelt werden.
Vor der Nase weggeschnappt
Operativ läuft es für Chef Theodor Weimer; die Deutsche Börse liegt bei den Zahlen im Plan. Nach dem ersten Halbjahr ist für 2019 ein Erlösplus von fünf Prozent und ein Gewinnplus von zehn Prozent in Sichtweite. So weit geht seine Strategie "Roadmap 2020" auf.
Doch es gibt einen weiteren Stolperstein. Mit dem früheren Fusionspartner LSE steht die Deutsche Börse in hartem Wettbewerb um Übernahmeziele. Die LSE geht dabei aggressiv vor: Im April hatte die Deutsche Börse Gespräche mit dem Finanzdatendienstleister Refinitiv über dessen Devisenhandelsplattform FXall verkündet. Einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag hätten die Deutschen gern investiert, um das Segment zu stärken.
Im Juli schnappte Rivale LSE zu: Die Briten erklärten, Refinitiv als Ganzes für 27 Milliarden Euro kaufen und auch die Schulden des Unternehmens übernehmen zu wollen. Tags drauf beendete die Deutsche Börse ihre Verhandlungen.
Investor-Info
Deutsche Börse
Zahlen im Plan
Nach dem Scheitern der großen Fusion mit der LSE setzt Börsenchef Weimer auf kleinere Zukäufe. Diese sowie anhaltende Restrukturierungsmaßnahmen haben dafür gesorgt, dass das Unternehmen die Erwartungen im ersten Halbjahr trotz Konjunkturschwäche erfüllen konnte. Der Umsatz wuchs um fünf Prozent auf 1,4 Milliarden Euro, der Überschuss stieg überproportional um neun Prozent auf 580 Millionen Euro. Die aktuellen Ermittlungen bergen Risiken. Anleger warten ab.
Empfehlung: Beobachten.
Kursziel: 140,00 Euro
Stoppkurs: 109,00 Euro