Die Jahreszahlen der Deutschen Post können sich sehen lassen: Unterm Strich konnte das Bonner Unternehmen mehr verdienen als eigentlich geplant. Das Konzernergebnis stieg im abgelaufenen Geschäftsjahr um gut 26 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro, wie der Logistikkonzern am Dienstag mitteilte.

Den Umsatz steigerte der gelbe Riese - wie bereits vorab gemeldet - um knapp drei Prozent auf 63,3 Milliarden Euro. Der operative Gewinn (Ebit) kletterte nach einem Einbruch im Vorjahr um fast 31 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro nach oben.

Die guten Zahlen dürften nicht zuletzt die Aktionäre freuen. Denn: Der Dax-Konzern zahlt für 2019 eine Dividende von 1,25 Euro je Aktie - das sind 10 Cent mehr als im Jahr zuvor. Damit fällt die Dividende höher aus als von Experten erwartet.

Aus für den Streetscooter


Doch nicht alles läuft rund bei der Deutschen Post. So wurde Ende Februar bekannt, dass die Produktion des Elektro-Lieferwagens bald eingestellt werden wird - noch in diesem Jahr rollt der letzte Streetscooter vom Band. Schon länger war klar, dass eine Lösung für die verlustbringende Tochter gesucht wird. Damals rechnete Post-Chef Frank Appel allerdings noch mit einem Verkauf an einen Investor.

Das scheint ohne Erfolg verlaufen zu sein. Appel hatte zwar immer betont, dass die Post langfristig kein Autobauer sein will, dennoch kam das Aus recht plötzlich. Denn obwohl der Streetscooter nie aus den roten Zahlen herauskam, schien das Management dies lange gelassen zu sehen. Von Konzernseite hieß es immer, man habe keinen Zeitdruck zu verkaufen. Es gehe um überschaubare Beträge für einen großen Konzern wie die Post. Im abgelaufenen Jahr lag der Verlust der Tochtergesellschaft bei 100 Millionen Euro.

Mit dem Stopp des Streetscooter-Baus habe man eine konsequente Entscheidung getroffen, schreibt Analyst Andy Chu von der Deutschen Bank. Einige dürften wohl enttäuscht sein, dass die Post das Geschäft nicht verkaufen konnte, aber zumindest hätten die Verluste ein Ende. Der Ausstieg komme unerwartet, erklärt Christian Cohrs von Warburg, kommerziell sei der Schritt jedoch kaum relevant: "Wir rechnen mit einer Belastung von 0,30 Euro pro Aktie".

Gewinnziel für 2020 gerät ins Wackeln


Doch das lässt den Blick in die Zukunft weniger rosig aussehen: Die Einstellung des Streetscooters wird die Deutsche Post 2020 voraussichtlich 300 bis 400 Millionen Euro kosten. Hinter die Prognose eines Ebits von mindestens fünf Milliarden Euro setzte Appel deshalb ein dickes Fragezeichen.

Und das ist nicht der einzige negative Effekt in diesem Geschäftsjahr: Das Coronavirus wirkt sich bereits jetzt auf das Ergebnis der Fracht- und Expresssparte aus. Das führte allein im Februar zu einem Abschlag von 60 bis 70 Millionen Euro beim Ebit. Denn der Dax-Konzern lieferte keine Pakete mehr nach China, Hongkong und Macao. Auch der Abhol-, Zustell- und Lagerverwaltungsbetrieb der DHL in der chinesischen Provinz Hubei war ausgesetzt. Anfang März wurde das Geschäft wieder aufgenommen, wie Finanzchefin Melanie Kreis am Dienstag mitteilte.

"Auch unser Unternehmen kann sich nicht von der weltwirtschaftlichen Situation entkoppeln", bekräftige Appel nun: "Noch ist es aber zu früh, die konkreten finanziellen Auswirkungen abschätzen zu können." China ist mit Blick auf den Umsatz der viertgrößte Markt weltweit für die Deutsche Post. In Europa spüre man bislang noch keine Abkühlung, so Appel.

Zudem musste auch bei den höheren Paketpreisen die Bremse eingelegt werden. Nach der Preiserhöhung hatte die Bundesnetzagentur ein Verfahren eröffnet, da sie die neuen Porti für zu hoch hielt. Die Bonner machten kurzen Prozess und wollen die Preise freiwillig wieder zum 1. Mai senken. Ob so das gesetzte 5-Milliarden-Ebit-Ziel für 2020 erreicht werden kann, ist fraglich.

Amazon setzt Paket-Boom Grenzen

Die Deutsche Post bekommt in ihrem Paketgeschäft die zunehmenden Eigen-Zustellungen des Online-Riesen Amazon zu spüren. Amazon verlagere immer mehr Paketsendungen in die eigenen Netze, so Kreis. Dies habe sich bereits im Weihnachtsgeschäft gezeigt, hier verlangsamte sich das über Jahre rasante Wachstum des Paketgeschäfts der Post in Deutschland.

Im laufenden Jahr werde sich dieser Trend fortsetzen. Das Wachstum für die Post im deutschen Paketmarkt werde dann bei maximal fünf Prozent liegen - oder im schlechtesten Fall sogar stagnieren. Die Bonner wollen nun aber den Umsatz mit anderen Online-Händlern steigern. "Insgesamt wird der E-Commerce weiter wachsen - und wir auch", versicherte Konzernchef Frank Appel.

Die Post hatte im vergangenen Jahr insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro ihres Gesamtumsatzes mit Amazon erzielt, den Löwenanteil davon in Deutschland. Amazon baut jedoch in zahlreichen Regionen der Welt die eigenen Zustell-Netze aus und könnte so in Zukunft vom großen Kunden zum Konkurrenten werden.

Im vergangenen Jahr steuerte die Post beim Paket-Geschäft in Deutschland noch auf Rekordkurs. In der Bundesrepublik transportierte der Konzern rund 1,6 Milliarden Pakete - knapp sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Die Brief- und Paketsparte fuhr knapp 25 Prozent des Gesamtumsatzes ein.

Einschätzung der Redaktion


Die höhere Dividende und die positiven Geschäftszahlen lassen die Deutsche Post-Aktionäre aufatmen. Am Vormittag schoss die Aktie in einem freundlicheren Marktumfeld um zeitweise bis zu sieben Prozent nach oben und notiert bei rund 24 Euro. Das Papier war damit Gewinner im deutschen Leitindex Dax, der um rund 2,5 Prozent zulegte.

Noch am Vortag sah das Chartbild anders aus: Aufgrund des Crashs an der Börse war die Aktie um neun Prozent eingebrochen. Mit der Zuspitzung der Coronavirus-Lage in Italien vor zwei Wochen war der Wert um fast 30 Prozent eingebrochen.

Charttechnisch sieht es also nicht ganz so rosig aus für die Deutsche Post-Aktie. Nach einem kräftigen Kursanstieg Ende 2019 ist der Kurs wieder deutlich zurückgekommen. Das Papier notiert gut 26 Prozent unter der 200-Tagelinie bei 30,70 Euro. Den bisherigen Höchstwert hatte die Aktie Ende 2017 bei 41,36 Euro.

Nach dem Corona-Crash notierte die Aktie nicht weit entfernt von unserem Stoppkurs bei 20,00 Euro. Am Dienstag bescherten die Jahreszahlen dem Kurs allerdings neuen Auftrieb. Wir belassen die Aktie weiterhin bei Kaufen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 30,00 Euro
Stoppkurs: 20,00 Euro
Mit Material von dpa-AFX/rtr