Der DAX hat sich zwar deutlich gelöst von den Jahrestiefs, bis jetzt hat es aber noch nicht ganz geklappt mit eindeutigen charttechnischen Kaufsignalen. Diese würden dann generiert, wenn es gelingen sollte, den seit April 2015 ausgebildeten Abwärtstrend nachhaltig zu überwinden.

Ob daraus kurz- bis mittelfristig etwas wird, kann nur die Zukunft zeigen. Die Analysten vom Bankhaus Lampe geben sich in einer Studie zu den Aussichten für das zweite Börsenhalbjahr 2016 aber zurückhaltend. Anlagestratege Ralf Zimmermann erinnert darin zunächst an seine zentrale These im Jahresausblick für 2016. Diese besagt, dass sich deutsche Aktien in einer reifen Phase des Zyklus befinden und dieser sei typischerweise durch niedrige Langfristrenditen und hohe Volatilität gekennzeichnet. Das erste Halbjahr dürfte diese These angesichts höherer Kursschwankungen bestätigt haben.

Die Frage mit Blick auf die zweiten sechs Monate laute nun, ob dieses Bild grundsätzlich noch intakt sei oder es nicht doch zu einem nachhaltigen und volatilitätsarmen Ausbruch nach oben kommen könnte. Weil Zimmermann von einem Fortbestand der im ersten Halbjahr treibenden Kurskräfte ausgeht, glaubt der Lampe-Aktienstratege derzeit aber nicht an das letztgenannte Szenario.

Zur Begründung dafür verweist er auf folgende Bremsfaktoren: Die globale Konjunktur zeige keine Beschleunigung und es gebe steigende Gewinnrisiken. Die Notenbanken seien zuletzt entzaubert worden und nachhaltigere Unterstützung dürfte es nur bei einer massiven Eskalation der Geldpolitik geben. Kritisch zu sehen seien außerdem auch (geo-)politische Risiken.

Für den DAX sei vor diesem Hintergrund mit einer Seitwärtsbewegung unter erhöhten Schwankungen zu rechnen. Den deutschen Leitindex sieht er in den nächsten Quartalen zwischen 8.200 und 11.200 Punkten und das Jahresendziel hat er auf 10.600 Punkte veranschlagt. Zimmermann rät bei einer moderaten Aktienquote zu einer defensiven Positionierung und zu einer Konzentration auf stabile Geschäftsmodelle.

Unter den von Lampe abgedeckten deutschen Einzelaktien gibt es aber trotz der allgemein vorsichtig formulieren Prognose einige Titel, denen deutliches Kurspotenzial zugebilligt wird. Unter den Top-Picks befinden sich dabei gleich fünf DAX-Vertreter. Börse Online stellt die favorisierten Werte auf den nächsten Seiten vor.



Bankhaus Lampe DAX-Top-Picks, Nummer eins: Deutsche Börse AG (WKN: 581005, 78,36 Euro, alle Angaben beziehen sich auf den Stand vom 06. Juni 2016)



Für etliche Schlagzeilen hat zuletzt mit der Deutschen Börse der erste DAX-Favorit gesorgt. Gemeint ist damit primär der geplante Zusammenschluss mit der London Stock Exchange. Angedacht ist dabei ein Sitz in London sowie die Schaffung einer Aktiengesellschaft nach britischem Recht. Im gemeinsamen Verbund sehen sich die Verantwortlichen in der Lage, um künftig auf Augenhöhe mit den Marktführern CME in Chicago und der ICE in Atlanta zu agieren. Außerdem wurden den Anlegern jüngst ab dem fünften Jahr Umsatzsynergien von mindestens 250 Millionen Euro im Jahr versprochen.

Der zuständige Lampe-Analyst Neil Smith steht dem Vorhaben positiv gegenüber. Sollte die Verschmelzung mit der London Stock Exchange bis zu der im Juli auslaufenden Annahmefrist eine Zustimmung erhalten, könnte dies beachtliche Kosten- und Ertragssynergien mit sich bringen. Smith sieht in dem Plan somit einen potenziellen Kurskatalysator.

Zu den Stärken des Unternehmens zählt Lampe bereit jetzt die Größe. Gemessen an der Marktkapitalisierung rangiere die Deutsche Börse unter den fünf größten Anbietern von Kapitalmarkt-Infrastruktur weltweit. Zudem dürfte sich die Gesellschaft mittelfristig als Profiteur der europäischen Initiativen zur Kapitalmarktunion erweisen. Auf kurze Sicht würden die Frankfurter auch von einer möglicherweise erhöhten Marktvolatilität begünstigt werden, auch weil dann verstärkt Derivate gehandelt werden dürften.

An Schwächen hat Smith dagegen Unsicherheiten über die zu erwartenden Anforderungen unter den neuen Kapitalvorschriften ausgemacht. Auch gebe es Margendruck durch neue Regulierungsvorschriften. Zu den Risiken zählten außerdem neue Marktteilnehmer, wie etwa Fintech-Unternehmen oder neue Technologien wie etwa Blockchain.

Was die Bewertung angeht, ergibt sich bei einem geschätzten Gewinn je Aktie von 5,03 Euro für 2017 ein KGV von 15,6. Im Sektor-Vergleich stelle das einen Bewertungsabschlag von rund 25 Prozent dar. Selbst bei einem Erreichen des Kurszieles würde sich der Abschlag noch immer auf rund 15 Prozent belaufen und das KGV würde sich dann bei 17 bewegen. Angesichts der mittelfristigen Wachstumsaussichten des Unternehmens, die sich auch aus der geplanten Kapitalmarktunion ableiten, sei das angemessen. Konkret beträgt das Kursziel 86 Euro, woraus sich ein Aufwärtspotenzial von 9,7 Prozent ergibt.



Bankhaus Lampe DAX-Top-Picks, Nummer zwei: Deutsche Post AG (WKN: 555200, 26,09 Euro)



Beim zweiten Favoriten, der Deutschen Post, hat Lampe das Kursziel auf 30,00 Euro taxiert. Bei einem für 2017 prognostizierten Gewinn je Aktie von 2,26 Euro läuft das auf ein geschätztes KGV von 13,3 hinaus. Eine Bewertung, die sich laut dem zuständigen Analysten Stephan Bauer im Rahmen des historischen Durchschnitts bewegen würde.

Derzeit bewege sich das KGV für 2017 bei rund 11,5. Angesichts des soliden freien Cash Flows, einer attraktiven Dividendenrendite gepaart mit Aktienrückkäufen und der langfristigen Wachstumsperspektiven sei das unangemessen. Um das vorgegebene Kursziel zu erreichen, müsste die Notiz um 15,0 Prozent zulegen.

Das Kaufurteil für diesen Titel wird wie folgt begründet: Die Geschäftsbereiche seien alle sehr gut positioniert. So sei man im deutschen Brief-/Paketgeschäft die Nummer eins, im internationalen Expressversand die Nummer zwei und in der Luft/Seefracht die Nummer eins bzw. zwei. Trotz der zuletzt für das vierte Quartal 2015 und das erste Quartal 2016 vorgelegten soliden Ergebnisse seien die Konsens-Gewinnschätzungen nach wie vor konservativ. Die hauseigene Schätzung für den Gewinn vor Steuern und Zinsen bewege sich mit 3,633 Milliarden Euro um vier Prozent über dem Konsens, aber im Rahmen der vom Unternehmen abgegebenen Prognose von 3,4 bis 3,7 Milliarden Euro.

Die am Markt vorherrschende Sorge vor Konkurrenz durch Amazon hält Bauer für überzogen. Denn zum einen dürfte der Aufbau eines unternehmenseigenen Zustellnetzes zeitaufwändig sein und mehr als drei Jahre beanspruchen. Zum anderen dürfte sich der Amazon-Zustelldienst auf größere Städte beschränken. Hinzu komme, dass die finanziellen Auswirkungen für DP HPL bei einem erwarteten niedrigen einstelligen Rückgang beim Konzern-EBIT nur marginal ausfallen und wenn überhaupt, dann erst 2019 sichtbar werden dürften.

Als potenzielle Kurkatalysatoren hat Bauer deutliche Ertragssteigerungen in 2016 dank des Wegfalls hoher Einmaleffekte und operativer Verbesserungen in allen Geschäftsbereichen ausgemacht. Außerdem rechnet er mit einer Anhebung der Konsens-Gewinnschätzungen sowie mit guten Ergebnissen im zweiten Quartal.

Insgesamt wird die Aktie der Deutschen Post als ein semi-defensiver Titel eingestuft. Ein beachtlicher Teil des Geschäfts profitiere von relativ stabilen Cash Flows. Auf das zyklische Geschäft entfalle ein EBIT-Anteil von etwa 50 Prozent, aber auch in einem schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld schlage sich dieser Bereich immer noch recht ordentlich, urteilt Bauer. Erwähnenswert ist ansonsten noch die Gewinnprognose für 2018, die sich bei 3,72 Euro bewegt. Auf dieser Basis würde sich ein ausgesprochen niedriges KGV von rund sieben ergeben.



Bankhaus Lampe DAX-Top-Picks, Nummer drei: Henkel AG & Co. KGaA Vorzugsaktien (WKN: 604843, 103,50 Euro)



Mit Blick auf den nächsten DAX-Kauf-Tipp Henkel heißt es zum Geschäftsmodell, dieses sei relativ defensiv. Auch in unruhigen Zeiten lasse sich damit eine stabile Entwicklung beim Gewinn und beim Cash Flow erreichen. Die Aktie weise zudem ein niedriges Beta von 0,8 auf. Das heißt, die Kursausschläge fallen typischerweise etwas niedriger als beim DAX aus. Ein Verhalten, das in einem schwankungsintensiven Umfeld vorteilhaft sein dürfte.

Der Aktienkurs hat seit 2009 deutlich zugelegt und laut dem zuständigen Analysten Peter Steiner hat Henkel in den Vorjahren neben einer stabilen Umsatzentwicklung vor allem mit einer kontinuierlichen Steigerung der Profitabilität überzeugt. Alleine in den vergangenen fünf Jahren sei die bereinigte EBIT-Marge um 360 Basispunkte auf 15,9 Prozent im Jahr 2015 gesteigert worden. Steiner wittert sogar noch weiteres Potenzial durch Projekte wie die Einführung einer globalen Beschaffungsplattform. Der zuletzt gestiegene Ölpreis dürfte sich dagegen erst mit einer Verzögerung von zwei Quartalen bemerkbar machen.

Potenziellen Margendruck dürfte die Gesellschaft mit Preiserhöhungen und kompensierenden Kosteneinsparungen begegnen. Lampe rechnet für die Jahre 2015 bis 2018 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate beim Gewinn je Aktie von 7,7 Prozent. Rund 50 Prozent der Umsätze und Gewinne stammten aus den defensiven Konsumgütersegmenten Laundry & Home Care (vor allem Persil) und Beauty Care (vor allem Schwarzkopf).

Auch Akquisitionen seien ein Bestandteil der Strategie. Nach bereits getätigten Käufen im Volumen von zwei Milliarden Euro in den vergangenen Jahren könnten künftig weitere fünf Milliarden Euro für Akquisitionen eingesetzt werden. Zuläufe sieht Steiner als mögliche positive Kurskatalysatoren. Auf einem Analystentag am 06. Juni hatte der neue Vorstandschef Hans van Bylen die Gelegenheit, Werbung für sich und sein Unternehmen zu machen.

Die Kaufempfehlung ist mit einem auf einer diskontierten Cash Flow-Berechnungsmethode ermittelten Kursziel von 120,00 Euro versehen. Das lässt dem Titel theoretisch ein Aufwärtspotenzial von fast 16 Prozent. Bei einem für 2016 erwarteten Gewinn je Aktie von 5,03 Euro ergebe sich ein KGV von 20,6. Dieses stelle im Vergleich mit dem Home & Personal-Care-Sektor einen Bewertungsabschlag von 14 Prozent dar. Vor dem Hintergrund überdurchschnittlicher Gewinnaussichten sei der Wert damit im relativen Vergleich günstig bewertet.



Bankhaus Lampe DAX-Top-Picks, Nummer vier: Vonovia SE (WKN: A1ML7J, 31,33 Euro)



Ähnlich wie Henkel hat sich auch Vonovia in dieser Woche den Anlegern gestellt. Für den 06. und 07. Juni stand bzw. steht in Essen ein Investorentag auf dem Programm, bei dem der Fokus vor allem auf Modernisierung/Umbau und Ertragspotenzial lag. Der zuständige Lampe-Analyst Georg Kanders verspricht sich davon positive Kursimpulse. Das gilt auch für die noch ausstehende Refinanzierung der GAGFAH CMBS. Kommt es dazu, könnte dies ab dem zweiten Halbjahr zu einer Senkung der Zinskosten beitragen.

Auf die aus seiner Sicht gut und auch besser als erwartet ausgefallenen Erstquartalszahlen von Vonovia hat Kanders jüngst mit einer Anhebung der Schätzungen reagiert. Begünstigt worden sei der Ergebnisausweis durch den Erwerb von 2.400 Wohneinheiten von Grainger. Zudem habe man weniger für Zinszahlungen aufwenden müssen als erwartet. Der Verkauf von 13.570 Wohneinheiten an LEG Immobilien gegen Ende des ersten Quartals habe für deutlich gestiegene Mieteinnahmen je Quadratmeter gesorgt. Auf Sicht dürfte das zu einer verbesserten operativen Effizienz führen.

Das Kursziel wurde gleichzeitig im Zuge einer bekräftigten Kaufempfehlung leicht um einen Euro auf 36,00 Euro angehoben. Dem Aktienkurs lässt das bei einer Zielerreichung rund 15 Prozent Luft nach oben. Der Titel werde auf Basis der Lampe-Schätzungen mit einem Abschlag auf den Wohnungssektor gehandelt. Beim Nettoinventarwert sei außerdem zu berücksichtigen, dass auch die unternehmenseigene Handwerkerorganisation einen gewissen Wert besitze.

Grundsätzlich wird mit auch künftig sehr niedrigen Zinsen in Deutschland gerechnet. Fundamental gesehen gehörten Immobilienwerte zu den größten Gewinnern, denn Immobilien-Nachfrage und Immobilien-Preise dürften weiter steigen. Vonovia sei deshalb ein Top-Pick im beobachteten Research-Universum.

Als größte deutsche Wohnungsgesellschaft mit mehr als 340.000 Einheiten im Bestand profitiere die Gesellschaft auch weiterhin von Synergien aus der Verschmelzung von GAGFAH mit SÜDEWO. Zudem sei Vonovia dank der eigenen Handwerkerorganisation und des industriellen Ansatzes effizienter geworden. Insbesondere gelte das in Bezug auf Modernisierung und Expansion (430-500 Millionen Euro im Jahr 2016) und Gebäudeverwaltung.

Im Gegensatz zu den großen Wettbewerbern könnte das Unternehmen weitere beachtliche Einsparungen auf der Kostenseite realisieren. Das sei insbesondere der bereits erwähnten Refinanzierung des GAGFAH-Portfolios zu verdanken. Aufgrund von Synergien und Einsparungen bei den Zinskosten rechnet Kanders für 2016 und 2017 mit zweistelligen Zuwächsen von 21 Prozent und 13 Prozent bei den in der Immobilienbranche wichtigen Funds from Operations. Zudem dürften sich das Verhältnis von Kreditbezug zum Beleihungswert und das Refinanzierungsprofil deutlich verbessern.



Bankhaus Lampe DAX-Top-Picks, Nummer fünf: Continental AG (WKN: 543900, 187,85 Euro)



Das größte Kurspotenzial unter den fünf DAX-Top-Picks von Lampe für das zweite Halbjahr weist mit Continental der letzte vorgestellte Titel auf. Die Kaufempfehlung für diesen Wert ist mit einem Kursziel von 250,00 Euro verbunden. Geht die Rechnung auf, müsste der Titel um rund 33 Prozent zulegen. Lampe bezeichnet die Aktie als einen Qualitätswert und als einen Digitalisierungsgewinner.

Ganz allgemein heißt es, Investoren auf der Suche nach einem Engagement im zyklischen Sektor sollten dies taktisch über Autoaktien realisieren und dabei auf Qualitätswerte wie Continental setzen. Der Sektor sei im historischen Vergleich günstig bewertet und die jüngsten Ifo-Daten signalisierten eine Stabilisierung des fundamentalen Umfelds.

Bei Continantal habe ein schwächerer Start in das Jahr 2016 zwar manche Anleger enttäuscht. Der verantwortliche Analyst Christian Ludwig erachtet aber die den Ergebnisausweis begleitenden Aussagen für wichtiger. Demnach lag der Auftragseingang im Automotive-Geschäft 50 Prozent über dem Umsatz und 30 Prozent über dem Vorjahreswert. Die Erwartungen für den bereinigten Gewinn vor Steuern und Zinsen seien erhöht und bereits für das zweite Quartal sei eine deutliche Steigerung des Automotive-Ergebnisses avisiert worden.

Mit der im Vorjahr erfolgten Akquisition von Elektrobit habe sich das Unternehmen um weitere 1.800 Softwareingenieure verstärkt, um für die Digitalisierung des Autos in den nächsten Jahren gerüstet zu sein. Das Reifengeschäft profitiere weteirhin von niedrigen Rohstoffkosten, so dass laut Ludwig EBIT-argen von um die 20 Prozent realistisch erscheinen.

Der stetige Ausbau der Kapzitäten in den Schwellenländern sichere das Volumenwachstum und der Trend hin zu mehr SUVs verbessere kontinuierlich den Absatzmix. Die Integration von Veyance im vergangenen Jahr habe zu mehr Kosten geführt als erwarte. Doch dafür könne Contitech nun durch die schrittweise Verbesserung eine deutlich positivere Gewinndynamik vorweisen.

Ludwig hofft auf ein starkes zweites Quartal, welche die im ersten Quartal entstandenen Frgezeichen vergessen machen. Als potenzieller Kurskatalysator tauge zudem ein im dritten Quartal in Regensburg stattfindender Kapitalmarkttag. Für 2017 wird mit einem Gewinn je Aktie von 15,97 Euro gerechnet. Das wäre gleichbedeutend mit einem KGV von 11,8. Mit Blick auf die Wachstumsaussichten stuft Lampe das als eine zu günstige Bewertung ein.