Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Bundesnetzagentur im vergangenen Jahrzehnt der Deutschen Post zu hohe Entgelte für das Briefporto genehmigt hat, belastete die Stimmung. "Allerdings fällt die Prognosesenkung deutlich stärker ins Gewicht", sagte ein Börsianer.
Allein der Tarifkonflikt riss ein Loch von rund 100 Millionen Euro in die Bilanz des Bonner Konzerns. Aber auch den seit knapp zwei Jahren andauernden Gewinnrückgang im Frachtgeschäft konnte Konzernchef Frank Appel nicht stoppen.
Das operative Ergebnis (Ebit) des Konzerns fiel um 18,1 Prozent auf 537 Millionen Euro, wie die Post am Donnerstag mitteilte. Analysten hatten im Schnitt 631 Millionen Euro erwartet. Der Konzerngewinn brach auf 326 (Vorjahr: 461) Millionen ein. Den Umsatz konnte die Post hingegen um 7,3 Prozent auf 14,7 Milliarden Euro steigern - unter anderem verzeichnete das florierende Express-Geschäft deutliche Zuwächse.
Die Post strich ihre Gewinnprognose für 2015 zusammen - "aufgrund der Belastungen durch die Streik-Aktionen", sagte Finanzchef Larry Rosen. Der Konzern erwartet einen operativen Gewinn (Ebit) zwischen 2,95 und 3,1 Milliarden Euro. Zuvor war er von 3,05 bis 3,2 Milliarden Euro ausgegangen. 2016 soll der operative Gewinn dann auf 3,4 bis 3,7 Milliarden Euro steigen.
Im deutschen Heimatmarkt hatte Appel einen erbitterten Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft ausgefochten. Erstmals seit ihrem Börsengang vor 15 Jahren sah sich die Post mit einem unbefristeten Streik konfrontiert. Warnstreiks und unbefristeter Ausstand dauerten rund 50 Tage an, erst Anfang Juli wurde der Streit beigelegt. Millionen von Päckchen und Briefen blieben liegen.
Im Frachtgeschäft hat die Post weiter Probleme. Konzernchef Appel hatte Ende April persönlich die Verantwortung für die Sparte übernommen, um das weltweite Frachtgeschäft auf Kurs zu bringen, das rund ein Viertel zum Konzernumsatz beiträgt. Die Sparte kämpft bereits seit Oktober 2013 mit Gewinnrückgängen, sie ächzt unter hohem Wettbewerbsdruck und den Folgen interner Umbauten. Denn der Konzern steckt Geld in die Datenverarbeitung der Frachtsparte, die vor allem noch mit Dokumenten auf Papier arbeitete. Doch dies läuft nicht reibungslos, die Post überprüft derzeit das Umbauprogramm.
Auf Seite 2: Unsere Einschätzung zur Aktie
Unsere Einschätzung zur Aktie
Dass die Deutsche Post in ihrem zweiten Quartal 2015 schlechtere Ergebnisse erzielen würde als im Vorjahr war aufgrund des langen Poststreiks sowie weiterer Sondereffekte erwartet worden. Mit einem Minus von 18,1 Prozent auf 537 Millionen Euro fiel das Ebit jedoch trotzt gesenkter Erwartungen deutlich stärker, als von den meisten der Analysten erwartet. Entsprechend stark fällt die Reaktion in den ersten Handelsstunden an der Börse aus. Die Aktie verlor im Vergleich zum Schlusskurs des Vortags bereits knapp 4,4 Prozent.
Dabei stimmt die Prognose des Dax-Konzerns weiterhin. Diese wurde zwar von 3,05 bis 3,2 Milliarden Euro Ebit auf 2,95 bis 3,1 Milliarden Ebit gesenkt, dass spiegelt jedoch lediglich die einmaligen Sonderbelastungen aus dem Poststreik in Höhe von 100 Millionen Euro wieder. Ohne Arbeitsausstand wäre eine Anpassung der Jahresziele ausgeblieben.
Und trotzt gesenkter Ziele für das aktuelle Jahr, glaubt die Deutsche Post genug zu verdienen, um die Dividende mindestens stabil halten zu können. Für das Geschäftsjahr 2014 wurden 85 Cent je Aktie an die Aktionäre ausgeschüttet. Beim aktuellen Kurs ergibt das weiterhin eine Dividendenrendite von über drei Prozent.
Die Enttäuschung der Börsianer stammt stattdessen aus einer anderen Quelle. Dem geringen Umsatzwachstum sowie der insgesamt gesunkenen Marge. Denn selbst ohne die Millionenkosten des Streiks liegt das operative Ergebnis unter dem Vorjahr. Am Versand von Briefen und Paketen wurde damit weniger verdient. Gleichzeitig geht der Umsatzzuwachs von 7,3 Prozent auf 14,7 Milliarden Euro maßgeblich auf Währungseffekte zurück. Wäre der Euro im Vergleich zu anderen Währungen nicht so schwach, läge das Ertragsplus gerade einmal bei 0,6 Prozent.
Die Zahlen zeigen, die Deutsche Post hatte in den Vergangenen drei Monaten mit mehr zu Kämpfen, als der streikenden Belegschaft. So steckt das Frachtgeschäft weiter im Turnaround während die Sparte mit Logistikdienstleistungen die Steigerung des Ebit maßgeblich einem Einmalgewinnen aus Immobiliengeschäften verdankt.
Kein Wunder also, dass Konzernchef Frank Appel mit Blick auf 2015 von einem "Jahr des Übergangs" spricht, muss er doch zwei Bereiche wieder in die Spur bringen und gleichzeitig die immer weiter sinkenden Umsätze im Briefversand ausgleichen. Doch Appel ist optimistisch, dass es ab dem kommenden Jahr wieder besser läuft und bekräftige mit den Zahlen nochmals die Ziele des Konzerns. Demnach soll das Ebit bis 2020 im Schnitt acht Prozent pro Jahr steigen und 2016 weiterhin die angestrebten 3,4 bis 3,7 Milliarden Euro erreichen.
Appels Zuversicht diese Ziele weiter zu erreichen speist sich vor allem aus drei Dingen. Zum einen steigt die Menge versendeter Pakete dank florierendem eCommerce unverändert an. Weil die Post an der Zustellung von Paketen und Päckchen mehr verdient als an der Briefzustellung, kompensiert das nicht nur den Rückgang bei Briefzustellungen, die Verschiebung im Umsatzmix steigert so sukzessive auch das operative Ergebnis. Die erzielte Tarifeinigung des Poststreiks senkt zudem die Personalkosten deutlich, was die Marge ab sofort weiter verbessert. Und Appel hat nicht nur Baustellen in seinem Konzern. Die Express-Sparte verdient mit dem weltweiten Versand von Lieferungen die pünktlich ankommen weiterhin prächtig. Hier stieg die operative Marge auf den Rekordwert von 10,9 Prozent. Obwohl der Bereich weniger Umsatz erzielt als der inländische Postversand, verdienen die internationalen Zusteller mit mit 376 Millionen Euro Ebit mehr als doppelt so wie die hiesigen Briefträger.
Trotz der Ergebnisse des zweiten Quartals belibt der Konzern damit weiter bestens aufgestellt, um von dem weitweiten Trend zu mehr Online-Handel zu profitieren. Börse Online bleibt daher weiter bei seiner Kaufempfehlung und sieht in dem Kursrücksetzer eine günstige Einstiegsgelegenheit. Peer Leugermann