DAS IST LOS BEI DER TELEKOM:
Nachdem T-Mobile US (T-Mobile (ex T-Mobile US)) Anfang April die Übernahme des kleineren US-Konkurrenten Sprint (Sprint Nextel) zum Abschluss bringen konnte, durfte sich die Telekom-Tochter im zweiten Quartal zuletzt über einen Umsatzsprung freuen. Der Nettogewinn brach jedoch aufgrund der Fusion und Belastungen durch die Corona-Krise um 88 Prozent ein. An der Börse kamen die Quartalszahlen dennoch gut an, schließlich ist T-Mobile nun nach Kundenvolumen der zweitgrößte US-Mobilfunker, hinter Verizon und vor AT&T.
Vor allem wurden die Erwartungen beim operativen Ergebnis deutlich übertroffen. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen kletterte mit sieben Milliarden Dollar auf gut das Doppelte. Von der Telekom befragte Analysten hatten im Schnitt nur mit 6,3 Milliarden Dollar operativem Gewinn gerechnet. T-Mobile selbst hatte ebenfalls nur bis zu 6,5 Milliarden in Aussicht gestellt.
Glaubt man den vom Unternehmen gesammelten Analysten-Schätzungen, steht auch der Mutterkonzern trotz Corona-Krise insgesamt vor einem guten Abschluss des zweiten Quartals. So soll der Umsatz laut Schätzungen dank der Übernahme um rund 30 Prozent und der operative Gewinn - gemessen am um Sondereffekte und die Folgen der geänderten Leasingbilanzierung bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda AL) - soll sogar um 39 Prozent wachsen.
Allerdings sind die Zahlen von T-Mobile US in den Schätzungen zum größten Teil noch nicht enthalten, weshalb es beim operativen Ergebnis noch spürbar mehr werden könnte. Zudem hat die Telekom den Ausblick noch nicht an die neue Konzernstruktur angepasst.
Nach einem Deal mit dem japanischen Investor Softbank Ende Juni hält die Telekom inzwischen Kaufoptionen für weitere 101 Millionen Aktien der US-Tochter. Bei vollständiger Ausübung würde der Mutterkonzern wieder über 50 Prozent der Anteile an T-Mobile halten. Die Kontrolle über T-Mobile US haben die Bonner dank einer Stimmrechtsvereinbarung mit den Japanern sowieso schon.
Softbank hatte als Sprint-Mehrheitseigner im Zuge des Zusammenschlusses einen Anteil von 24 Prozent am verschmolzenen Unternehmen erhalten. Nach dem nun geplanten Aktienverkauf soll dieser auf rund acht Prozent sinken. Softbank will im großen Stil die Schulden senken und Aktien zurückkaufen und braucht dafür Geld.
Eine eher für das Image abträgliche Episode konnte die Deutsche Telekom Ende Juli ad acta legen. Nach Fehlern bei der gemeinsam mit SAP (SAP SE) entwickelten Corona-Warn-App für das iPhone hatte es Kritik gehagelt. Grund für den Aufruhr: Die Kernfunktion der App, die Warnungen vor gefährlichen Begegnungen, wurden nur angezeigt, wenn die App geöffnet war und nicht im Rahmen von Push-Benachrichtigungen.
Der Energiesparmodus hatte wohl bei einigen Geräten die Aktualisierung eingeschränkt oder sogar deaktiviert. Das Entwicklerteam habe für die Probleme nun eine Lösung gefunden, hieß es von der Bundesregierung. Dies gelte sowohl für das iPhone als auch für Android-Geräte.
Neue Probleme könnten hingegen beim 5G-Ausbau auf die Telekom zukommen. Die Verabschiedung des neuen IT-Sicherheitsgesetzes 2.0, das Regeln für den Aufbau des 5G-Netzes enthält, wurde zuletzt auf die Zeit nach der Sommerpause des Bundestages verschoben. Grund dafür waren neben den Verzögerungen durch die Corona-Krise auch Bedenken wegen des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei.
Dieser wurde bereits in den USA und Großbritannien vom Ausbau ausgeschlossen und gilt auch in der EU als sogenannter Hochrisikoanbieter. Einen diesbezüglichen EU-Bericht kommentierte Innenminister Horst Seehofer (CSU) zuletzt nur allgemein: "Alle Risiken - sowohl technische als auch nichttechnische - müssen so weit wie möglich minimiert werden."
Die mangelnde Rechtssicherheit könnte den Ausbau verzögern. Ende Juli vermeldeten die Bonner, bereits rund 30 000 Antennen für den neuen Mobilfunkstandard ans Netz gebracht zu haben. Bis Ende des Jahres peilt der Konzern 40 000 aktive 5G-Masten an.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Goldman-Sachs-Experte Andrew Lee zufolge profitiert die Deutsche Telekom von den Synergien die mit der schneller als erwarteten Integration von Sprint in die US-Tochter T-Mobile zusammenhängen. Hierdurch werde ihr in der Branche führender Barmittelzufluss gestärkt und der Ertrag steige.
Auch die US-Tochter wird von Goldman mit Lob bedacht: Operativer Gewinn, Abonnentenzahlen, durchschnittlicher Umsatz pro Nutzer - mit allen wichtigen Kennziffern habe T-Mobile US seine Erwartungen geschlagen, lobte Analyst Brett Feldman. Er hob einen zweiten positiven Aspekt hervor: T-Mobile US habe sich zuversichtlich gezeigt, aus dem Zusammengehen mit Sprint mehr Synergien herauszuholen und zügiger als bislang avisiert. "Wir betrachten T-Mobile US unverändert als das attraktivste Schwergewicht in der Telekom- und Kabelbranche."
Analyst Philip Cusick von der US-Bank JPMorgan prognostizierte: "Die Kombination aus Sprint und T-Mobile US dürfte für beide Unternehmen von Vorteil sein." T-Mobile US habe bei Sprint keine größeren Abschreibungen vorgenommen. Die Aussagen von T-Mobile US zu den durchschnittlichen Umsätzen pro Nutzer im zweiten Halbjahr legten zudem die Vermutung nahe, dass die Preise in der Branche stabil seien. Cusick nannte die Aktien von T-Mobile US eine "Top Anlage-Idee".
Von den im dpa-AFX Analyser gelisteten Experten empfiehlt die haushohe Mehrheit von 13 einen Kauf der Telekom-Papiere. Nur zwei sprechen sich für ein Halten der Papiere, keiner für einen Verkauf aus. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 18,11 Euro mehr als drei Euro über dem aktuellen Kurs.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die Aktien der Deutschen Telekom gewannen nach den T-Mobile-US-Zahlen deutlich hinzu und kosteten zuletzt wieder fast 15 Euro. Im Corona-Crash war das Papier bis auf 10,406 Euro Mitte März abgestürzt. Trotz des tiefen Falls lag die Aktie immer noch mehr als zweieinhalb Euro über ihrem Rekordtief aus dem Jahr 2012. Nach der raschen Erholung liegt das aktuelle Kursniveau zirka zwei Prozent über dem von Ende 2019, während der Dax in dem Zeitraum rund vier Prozent nachgab.
Mittel- und langfristig ist die Aktie eine Enttäuschung für die Anleger. So belaufen sich die Verluste in den vergangenen fünf Jahren auf fast 12 Prozent, während der deutsche Leitindex mehr als zehn Prozent zulegte. Die langfristig orientierten Anleger haben noch immer unter den katastrophalen Zeit zu Beginn des neuen Jahrtausends zu leiden.
Nach dem spektakulären Börsengang im Jahr 1996 und zwei weiteren Platzierungen in den Jahren danach, was dem Konzern insgesamt rund 21 Milliarden Euro in die Kasse spülte und dem Staat 13 Milliarden Euro einbrachte, ging es zwar kurz über die Marke von 100 Euro - dann aber mit dem Platzen der Dotcom-Blase schnell unter die Marke von 10 Euro.
Das Papier wurde damit zum Symbol für die schwach ausgeprägte Aktienkultur hierzulande. Von diesem Schock konnte sich die Aktie über Jahre nicht erholen - im Gegenteil: Mitte 2012 hatten die Telekom-Anteile mit Kursen unter acht Euro ihren Tiefpunkt erreicht. Deutschland hält immer noch knapp 32 Prozent des ehemaligen Monopolisten und Staatskonzerns. Das Paket ist gemessen am aktuellen Börsenwert der Telekom knapp 23 Milliarden Euro wert.
Mit einer Marktkapitalisierung von 71 Milliarden Euro ist der Mutterkonzern an der Börse deutlich weniger wert als die Tochter T-Mobile US. Diese kommt nach der Sprint-Übernahme dank des erwarteten Wachstumspotenzials auf dem US-Markt auf umgerechnet rund 123 Milliarden Euro. Das 43-prozentige Paket der Telekom kommt damit auf einen Börsenwert von knapp 53 Milliarden Euro.
dpa-AFX