Der DAX schreibt Geschichte und übertrifft erstmals die Marke von 20.000 Punkten. Sieben deutsche Aktien sorgen für Furore und schlagen die weltbekannten Tech-Giganten aus den USA. Welche Werte dazugehören und wie Anleger profitieren können, erfahren Sie hier.
Etwas mehr als ein Jahr ist es her: Siemens Energy hatte das Geschäftsjahr tief in den roten Zahlen beendet. Fast 4,6 Milliarden Euro Nettoverlust, verursacht durch die Windkraftsparte Gamesa. Die Aktie der Münchner verlor zwischenzeitlich 80 Prozent an Wert.
Ein Jahr nach der großen Krise ist Siemens Energy zum Börsenstar geworden. Allein seit Jahresbeginn hat sich der Kurs mehr als vervierfacht. Die Aktie ist damit der klare Spitzengewinner im DAX und Kurstreiber für den Gesamtindex. In der vergangenen Woche durchbrach der deutsche Aktienleitindex erstmals die Marke von 20 000 Punkten. Eindrucksvoller ist eine andere Zahl: In diesem Jahr ist der DAX um mehr als 20 Prozent gestiegen, mehr als doppelt so stark wie im langfristigen Schnitt. Und das obwohl Europa, der wichtigste Absatzmarkt der deutschen Topkonzerne, in einer hartnäckigen Wachstumskrise steckt.
Ein genauer Blick in den Index zeigt: Die wirtschaftlichen Probleme werden keineswegs ignoriert. Viele der klassischen Industriewerte, vor allem aus dem Automobilsektor, haben in diesem Jahr deutlich an Wert verloren. Mit fallenden Kursen ist zugleich der Einfluss der einstigen Riesen auf den Index geschrumpft. Es gibt aber auch viele deutsche Unternehmen, die sich mit einer eigenen Story vom Negativtrend der heimischen Wirtschaft absetzen können.
Bemerkenswert: Die sieben Top-Performer des DAX (siehe Grafik rechts) haben in diesem Jahr im Schnitt 108 Prozent zugelegt. Selbst wenn man Siemens Energy herausrechnet, bleibt ein Plus von 70 Prozent. Damit haben die deutschen Börsenstars sogar die Techriesen aus den USA abgehängt. Die als „Glorreiche 7“ gefeierten Aktien von Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla schafften in diesem Jahr als ein gleichgewichtetet Depot auf Dollar-Basis ein Plus von 65 Prozent. Selbst Nvidia, der große Gewinner der KI-Booms, kann mit einem Plus von rund 190 Prozent in diesem Jahr nicht mit Siemens Energy mithalten.
Massive Kursgewinne werfen stets die Frage auf, wie weit es noch nach oben kann gehen? Das durchschnittliche Analystenziel für Siemens Energy liegt laut Bloomberg bei 49 Euro und damit unter dem aktuellen Niveau der Aktie. Eine Einschätzung aber sticht heraus: Berenberg ruft als Kursziel 70 Euro auf. Das entspricht einem Potenzial von noch mal rund 35 Prozent. Die Analysten sehen zunächst eine psychologische Barriere: die massiven Kursgewinne seit der Gamesa-Krise. Das aber sei der falsche Bezugspunkt, argumentiert Berenberg. Der damalige Kurseinbruch sei eine Überreaktion gewesen.
Zwei andere Aspekte dürften wichtiger sein: zum einen das Potenzial der Windsparte. Gamesa werde noch immer als Ballast gepreist, könnte aber bei erfolgreichem Turnaround bis zu sechs Milliarden Euro wert sein. Hinzu kommt die Dynamik im Kerngeschäft: Die Münchner bauen große Gasturbinen oder auch Stromnetze. Damit ist die ehemalige Siemens-Sparte wichtig für Ausbau und Modernisierung der Infrastruktur. Siemens Energy rüstet auch Datencenter aus und ist damit indirekt Profiteur der KI-Welle.
Deutsche Tech-Star-Aktien – das treibt die Kurse
Einzigartig im DAX ist die Situation von Rheinmetall. Das größte Risiko für das Geschäft des Rüstungskonzerns dürfte ein Waffenstillstand in der Ukraine sein. Die fundamentale Situation würde sich in diesem Szenario aber nur begrenzt ändern. Die meisten NATO-Staaten haben so große Lücken in ihren Beständen, dass sie unabhängig von der Lage in der Ukraine in ihre Armeen investieren müssen. Kursrückschläge wären damit eher Kaufgelegenheiten bei einem trotz Kursverdopplung in diesem Jahr noch immer nicht extremen Bewertungsniveau.
SAP profitiert als größter europäischer Softwarekonzern vom großen Trend der Digitalisierung. Der Triebwerkshersteller MTU Aero Engines erlebt eine kuriose Sonderkonjunktur: Weil die Flugzeughersteller Airbus und Boeing Lieferprobleme haben, müssen Airlines ihre alten Maschinen länger nutzen und häufiger in die Wartung schicken. Dieser Geschäftsbereich ist für MTU profitabler als der Verkauf von Komponenten für Triebwerke.
Der Modehändler Zalando ist nach zuvor starken Verlusten derzeit vor allem eine Comebackstory, dürfte auf lange Sicht aber Gewinner des wachsenden Onlinehandels sein. Heidelberg Materials profitiert von staatlichen Investitionen in die Infrastruktur, die Aktie der Deutschen Telekom vom Erfolg der amerikanischen Tochter T-Mobile US.
Wie geht es jetzt weiter für die Glorreichen 7 aus Deutschland? Alle gehören in die Kategorie der Momentumwerte. Das Potenzial solcher Top-Performer wird oft unterschätzt. Viel hängt von der allgemeinen Stimmung ab. Insbesondere bei Siemens Energy ist das Rückschlagrisiko im Falle einer größeren Marktschwäche deutlich. Nimmt man das laut Bloomberg optimistischste Analystenziel, würden die sieben Topwerte auf Sicht der kommenden zwölf Monate im Schnitt weitere 30 Prozent zulegen.
Startschuss 2025
Beim Vergleich der deutschen Börsenstars mit den amerikanischen Techriesen prallen zwei Börsenwelten aufeinander: Big Tech dominiert in den lukrativsten Wachstumsmärkten. Nvidia, Microsoft oder auch Apple sind aber längst keine Geheimtipps mehr. Sie müssen hohe Erwartungen erfüllen. Wer wie Apple im vergangenen Geschäftsjahr 94 Milliarden Dollar netto verdient, hat es schwer, hohe Wachstumsraten zu liefern.
Schon früh im neuen Jahr werden wichtige Weichen gestellt: Im Januar übernimmt Donald Trump die Macht in den USA. Dann wird sich zeigen, wie ernst seine ausgesprochenen Drohungen mit Schutzzöllen wirklich sind. Im Februar folgt die Bundestagswahl in Deutschland. Eine stabile Mehrheit für eine neue Regierung und die Aussicht auf Konjunkturprogramme würden den gesamten DAX antreiben. 20 000 Punkte wären dann nur Zwischenstation.
Übrigens: Dieser Artikel erschien zuerst in der neuen Print-Ausgabe von BÖRSE ONLINE. Die finden Sie hier
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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Deutsche Telekom.