Bis sich Jürgen Fitschen in den Ruhestand verabschiedet, muss ein Nachfolger gefunden sein. Derzeit rüttelt niemand an der Doppelspitze, nicht einmal Jain selbst, denn die Aufgabenteilung hat sich bewährt. Den Startschuss für das Rennen um den nächsten Tandempartner für den gebürtigen Inder hat Aufsichtsratschef Paul Achleitner gegeben: mit einem großen Vorstandsumbau. Mindestens vier Kronprinzen können sich Hoffnungen auf den Chefposten machen, wenn in den nächsten Jahren keiner patzt.
Der bisherige Finanzchef Stefan Krause, der das neu geschaffene Strategie-Ressort übernimmt, zählt nach Einschätzung von Branchenkennern dazu. Auch der von Goldman Sachs abgeworbene künftige Finanzvorstand Marcus Schenck dürfte bei einer schnellen Einarbeitung ein Kandidat sein. Europa-Chef und Regulierungsexperte Stephan Leithner werden ebenfalls Chancen eingeräumt - obwohl er das wichtige Themengebiet Recht an einen Senkrechtstarter abgibt, der sämtliche Nachwuchstalente in der zweiten Reihe rechts überholt hat: Christian Sewing.
Aufsichtsratschef Achleitner hat die Fäden im Hintergrund gezogen, wie ein Insider berichtet. Von ihm sei klar die Devise ausgerufen worden: "Konkurrenz belebt das Geschäft." Zusammen mit Jain und Fitschen habe er monatelang getüftelt, wie sich die Arbeit im obersten Führungsgremium besser verteilen und die Mannschaft auffrischen lasse. Denn es gibt sehr viel zu tun. Deutschlands größtes Geldhaus ächzt nicht nur unter unzähligen Skandalen und milliardenschweren Rückstellungen für potenzielle Strafen. Auch die strengere Regulierung verschlingt viel Geld - neben dem langwierigen Konzernumbau.
Nicht mehr als Kronprinz gehandelt wird inzwischen Privatkundenvorstand Rainer Neske, wie ein anderer Insider berichtet, der mit den Überlegungen des Aufsichtsrats vertraut ist. In Vorstandssitzungen trete Neske immer häufiger eher als Blockierer auf und habe es trotz seiner Erfolge bei der Integration der Postbank versäumt, eine echte Vision für seinen Bereich zu präsentieren.
Einer kann sich das Rennen der Kandidaten in den nächsten Jahren gelassen anschauen: Jain. Der langjährige Investmentbanker, der zu Beginn noch von vielen kritisch beäugt worden war, sei in der Bank hoch angesehen und leite die Geschäfte schon jetzt als "primus inter pares", berichtet ein Vertrauter. Doch auch Jain, der noch immer ein Geheimnis um seine Deutsch-Kenntnisse macht, weiß, dass er einen Muttersprachler an seiner Seite braucht. Das Verhältnis der Deutschen Bank zur deutschen Politik ist kein einfaches. Dass nun ausgerechnet ein ehemaliger Investmentbanker das von Affären im Kapitalmarktgeschäft gebeutelte Haus führt, macht es nicht leichter. Jain hat das schmunzelnd in kleiner Runde einmal sehr diplomatisch beschrieben: "Es ist eine unglaublich spannende Reise - für mich und für Deutschland."
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Wer also hätte das Zeug, an seine Seite und in Fitschens Fußstapfen zu treten? Krause halten Beobachter zwar zugute, dass er die Deutsche Bank ohne größere Probleme durch den Stresstest der Europäischen Zentralbank geführt hat. "Offensichtlich hat er die Bilanz im Griff", sagt ein Vertrauter. Seit seinem Amtsantritt Ende 2008 hat Krause zudem für die Bank auf dem Kapitalmarkt rund 25 Milliarden Euro eingesammelt. Aber in seine Zeit fielen auch kritisierte Schlampigkeiten in der Bilanzierung der US-Tochter, wie einige große Investoren in der Vergangenheit bemängelt haben. Die Interpretationen zahlreicher Beobachter darüber, ob sein Wechsel ins Strategie-Ressort nun ein Auf- oder eher ein Abstieg ist, halten sich in etwa die Waage. Übereinstimmend wird er als "extrem prozessstark" beschrieben - und soll diese Stärke nun in neuer Funktion nutzen.
In die Quere kommen könnte ihm ausgerechnet sein Nachfolger Schenck. Wie Krause, der früher bei BMW war, kann er auf eine Karriere in der Realwirtschaft zurückblicken: Von 2006 bis 2013 war Schenck Finanzchef beim größten deutschen Energiekonzern E.ON. Dann ging er zu Goldman zurück. Bei E.ON ließ man ihn ungern ziehen. "Er ist ein brillanter Analytiker und Schnelldenker", sagt ein Weggefährte. Schenck spreche geradeaus und sei nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Als Zahlenmeister der Deutschen Bank werde er diese Tugend gut gebrauchen können. Er übernimmt das Ressort allerdings erst mit der nächsten Hauptversammlung im Frühjahr und legt seine erste Jahresbilanz 2016 vor. Möglicherweise ist das Rennen dann schon entschieden.
Leithner kann sich bis dahin wieder stärker in das operative Geschäft einbringen, denn gerade in Europa will die Deutsche Bank im Investmentbanking den Rivalen Marktanteile abjagen. Und der Österreicher ist speziell in der deutschen Wirtschaft bestens vernetzt, nachdem er jahrelang viele Großkonzerne bei Fusionen beraten hat. Außerdem pflegt er weiter das wichtige Verhältnis zu den Regulierern - und wird daher automatisch sehr eng mit Sewing zusammenarbeiten. Dieser dürfte von allen Kronprinzen ohnehin den längsten Atem haben: Er ist mit seinen 44 Jahren der jüngste im Bunde.
Eines fällt allerdings auch auf: Frauen kamen beim Vorstandsumbau erneut nicht zum Zuge. Sein Versprechen kann Fitschen aber wohl trotzdem einlösen: Er hat einmal angekündigt, erst dann in den Ruhestand zu gehen, wenn eine Frau in den Führungszirkel der Bank eingezogen ist - den erweiterten Vorstand (GEC) eingeschlossen. Dorthin hat es bereits Sylvie Matherat geschafft, die sich um die Umsetzung regulatorischer Vorgaben kümmern soll. Doch als mögliche Kandidaten für die Nachfolge Fitschens werden - zumindest derzeit - keine Frauen genannt.
Reuters