Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte: "Wir brauchen regionale Differenzierungen." Kommunen und Landkreise fordern, stärker selbst entscheiden zu können, welcher Weg in der Pandemie bei ihnen nötig ist. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte jedoch drei Tage vor der nächsten Schalte der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten, dass man am Ziel festhalte, in den Grundlinien möglich gemeinsam vorzugehen. "Das wird auch weiter der Fall sein."

Nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts hat sich die Lage in Deutschland weiter entspannt. So wuchs die Zahl der Neuinfektionen binnen eines Tages nur noch um 1018 auf 155.193. Die Zahl der Corona-Toten liege bei 5750. Da weitere 2500 Infizierte wieder genesen seien, reduzierte sich die Zahl der akut Betroffenen weiter. Allerdings melden am Wochenende erfahrungsgemäß nicht alle Gesundheitsämter ihre Daten. Auffallend sind die großen regionalen Unterschied. Die mit Abstand größte Zahl an Infizierten verzeichnet Bayern, danach folgen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Im Norden und Osten Deutschlands sind die Fallzahlen dagegen auch pro Kopf der Bevölkerung wesentlich geringer.

Deshalb gewinnt die Debatte über stärkere regionale Differenzierungen auch bei Lockerungen an Fahrt. "Das differenzierte Vorgehen nach regionaler Lage kann richtig sein, setzt aber immer eine entsprechende Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern voraus", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindetages, Gerd Landsberg, zu Reuters. Er verwies auf eine Stadt wie Jena, die eigenständig und früh eine Maskenpflicht einführte und keine Neuerkrankungen mehr verzeichne. Dagegen habe der vom Coronavirus besonders betroffene nordrhein-westfälische Kreis Heinsberg zurecht Schulen geschlossen, bevor dieser Weg bundesweit überhaupt diskutiert wurde.

Ähnlich wird dies beim Landkreistag gesehen: "Es muss auch künftig möglich sein, auf unterschiedliche Situationen in den Landkreisen unterschiedlich zu reagieren", sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke zu Reuters. Es sei richtig, dass die Länder umfassende generelle Regelungen träfen. "Die Landkreise müssen aber weiterhin die Möglichkeit haben, diese ortsangemessen enger fassen zu können, etwa im Hinblick auf Großveranstaltungen oder die Pflicht zum Tragen von Schutzmasken."

"DAS AUSBRUCHSGESCHEHEN DAUERT AN"


Ein stärker regional differenziertes Vorgehen wird vor allem für die nächste Phase der Corona-Krise diskutiert, wenn es nach den Lockerungen an einigen Orten zu einem erneuten Ausbruch der Epidemie an bestimmten Orten kommen sollte. Es könnte aber auch die Debatte über Alleingänge einzelner Bundesländer entschärfen. In den vergangenen Tagen gab es immer wieder Kritik, dass einige Länder auch Möbelmärkte, Malls oder Zoos öffnen und Gottesdienste zulassen. "Wir haben als Bund Interesse daran, dass wir möglichst bundeseinheitliche Regelungen hinbekommen", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums zu den Gesprächen mit den Religionsgemeinschaften.

In der Debatte über Lockerungen gibt es aber mittlerweile gravierende Unterschiede auch bei der Öffnung von Schulen oder Spielplätzen sowie bei Auflagen für den Einzelhandel. Nachdem das Verwaltungsgericht Hamburg bereits vergangene Woche die 800-Quadratmeter-Begrenzung für Einzelhandelsgeschäfte gekippt hatte, erklärte nun auch das oberste Verwaltungsgericht in Bayern die umstrittene Obergrenze für nicht rechtens. Sie verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Seit Montag gelten in allen Bundesländern abgestufte Maskenpflicht-Regeln vor allem für den Öffentlichen Nahverkehr. Verkehrsminister Andreas Scheuer fordert das verbindliche Tragen von Schutzmasken nun auch in ICE- und IC-Zügen. Regierungssprecher Seibert warnte, dass man sich gerade mitten in der ersten Öffnungswelle befinde. "Wir wollen bei vorsichtigem Vorgehen immer im Blick haben, wie sich Öffnungsentscheidungen auf Infektionszahlen auswirken." Deshalb würden in der Besprechung von Bund und Ländern am Donnerstag auch noch keine großen weiteren Beschlüsse fallen. Themen werden etwa Gottesdienste und Regeln für den Breitensport sein. Die Auswirkungen über die Öffnung der Geschäfte könne man erst beim nächsten Treffen am 6. Mai beurteilen. Dann werden bei einem positiven Verlauf weitere größere Öffnungsschritte erwartet.

Auch Kanzleramtschef Helge Braun warnt bei einem Rückfall vor neuen Verschärfungen in einzelnen Regionen Deutschlands. "Das Ausbruchsgeschehen dauert an. Um im Interesse der gesamten Bevölkerung die Überlastung des Gesundheitssystems dauerhaft zu vermeiden, ist es für eine Aufhebung der Kontaktbeschränkungen noch zu früh", schreibt er. Insgesamt zieht der CDU-Politiker auf 22 Seiten aber eine positive Zwischenbilanz der Corona-Krise. Es gebe die Hoffnung, "dass eine Überlastung des Gesundheitssystems, wie sie andere Länder erlebt haben, vermieden werden kann". Die Bürger selbst hätten durch ihr umsichtiges Verhalten den Grundstein für die Eindämmung der Pandemie gelegt.

rtr