"Sie sind allerdings auch nicht nötig." Ähnlich äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz in Madrid nach einem Treffen mit Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez. Die meisten Mittel aus dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Wiederaufbaufonds seien noch nicht ausgegeben, so Scholz. Und dieser Fonds sei auch im Rahmen des existierenden Stabilitätspakts möglich gewesen.

Scholz (SPD) reagierte damit auf Forderungen etwa von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi sowie Sanchez, die Schuldenregeln zu lockern. Auch die EU-Kommission will eine Überarbeitung des Stabilitätspakts in Angriff nehmen. Dabei geht es etwa um Fragen, ob Investitionen aus der maximalen Neuverschuldung von drei Prozent der Wirtschaftsleistung herausgerechnet werden sollen. Außerdem wird erörtert, wie und wann hoch verschuldete Länder ihre Schulden abbauen müssen.

In der Pandemie sind die Verbindlichkeiten der EU-Länder sprunghaft gestiegen, weswegen auch der schrittweise Abbau auf das eigentliche Schuldenlimit von 60 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung vielfach unrealistisch ist. Individuelle Abbaupläne - statt pauschaler Vorgaben - könnten eine Lösung sein, sagten deutsche Regierungsvertreter zu Reuters. In der Corona-Krise wurden die Schuldenregeln ausgesetzt.

Lindner (FDP) sagte in Brüssel, es gehe darum, die richtige Balance aus Schuldenbegrenzung und nötigen Investitionen zu finden. Die Konjunkturerholung müsse angeschoben werden. "Fiskalregeln sind entscheidend, um die Glaubwürdigkeit der Staaten gegenüber den Kapitalmärkten zu erhalten", schränkte er aber ein. "Jetzt ist es an der Zeit, wieder Puffer aufzubauen." Schulden müssten entsprechend reduziert werden. Die Diskussion über die Reform des Stabilitätspakts, der die Schuldengrenzen festlegt, werde erst im Juni richtig Fahrt aufnehmen. Dann dürften dazu Vorschläge der EU-Kommission vorliegen.

BLOCKBILDUNG?


Österreichs neuer Finanzminister Magnus Brunner will eine Gruppe von "Staaten der Verantwortung" bilden, die gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden ist. Dazu sollten Österreich, Deutschland, die Niederlande, Dänemark, Schweden, Finnland, sowie Tschechien, die Slowakei und die baltischen Länder gehören, sagte er der "FAZ". Spaniens Ministerpräsident Sanchez warnte vor einer Blockbildung. Man müsse gemeinsam für die mittelfristige Nachhaltigkeit der Finanzen in der EU sorgen.

Brunner sagte in Brüssel, nach der Corona-Krise seien strengere Regeln nötig. "Schulden bleiben Schulden." Es müssten Spielräume geschaffen werden, um auch bei der nächsten Krise handlungsfähig zu sein. Die neue Finanzministerin der Niederlande, Sigrid Kaag, sprach von einem wichtigen Jahr für die Eurogruppe. Sie wolle mit allen Ländern reden und zuhören. Ihr Land führte zuletzt die besonders stabilitätsorientierten Länder an, die sogenannten Sparsamen Vier.

Gegen die Obergrenzen für die maximale Neuverschuldung und den Schuldenstand wurde in der Vergangenheit wiederholt verstoßen, ohne dass dies Konsequenzen hatte - abgesehen von angedrohten Strafen. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte, es gehe nicht darum, alte Diskussionen zu wiederholen. Die Schulden seien wegen der Pandemie deutlich höher als früher. Zugleich gebe es einen enormen Bedarf an öffentlichen Investitionen. Dazu sollten dann in den nächsten Monaten Vorschläge auf dem Tisch liegen.

Der Wirtschaftsrat der CDU teilte mit, in der europäischen Haushaltspolitik dürften nicht alle Dämme brechen. Lindner müsse deswegen ein Zeichen setzen.

rtr