Bis auf die beiden letzten wurden alle Unternehmen auf der Liste schon vor der Französischen Revolution 1789 gegründet, und alle sind ununterbrochen in der Hand der Gründerfamilie geblieben. "Über Jahrhunderte waren diese Unternehmen Stabilitätsanker und Fels in der Brandung", sagt Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung. "Sie sind es auch heute."
Als ältestes Familienunternehmen listet die Stiftung ein Metallunternehmen in Siegen auf, den Verzink-Spezialisten The Coatinc Company. Als Gründungsdatum gilt das Jahr 1502 - urkundlich belegt, weil der Schmied Heylmann Dresseler damals einen Schilling für die Nutzung einer Feuerstelle entrichten musste.
Zu den Firmen mit Jahrhunderte alter Familientradition gehören auch die Privatbanken Berenberg (1590) und Metzler (1674), der aus einer Apotheke in Darmstadt hervorgegangene Pharmakonzern Merck (1668), der bayerische Bergschuhhersteller Meindl (1683), der niedersächsische Schnapsbrenner Hardenberg (1700), der Hamburger Essig-Hersteller Carl Kühne (1722), der saarländische Keramikhersteller Villeroy & Boch (1748) und der fränkische Schreibwarenproduzent Faber Castell (1761).
Wie gelingt so etwas über so lange Zeit? Carletta Heinz, die das Glasunternehmen ihrer Familie nun in der 15. Generation führt, nennt drei Gründe: "Erstens den Mut, immer wieder Neues zu wagen und Entscheidungen zu treffen, auch wenn die unpopulär erschienen." Dann das Gespür für die richtigen Mitarbeiter. "Und schließlich ganz schlicht und einfach das nötige Quäntchen Glück." Unternehmergeist und Mut zum Wandel führt auch Frank Stangenberg-Haverkamp an, Vorsitzender des Familienrats von Merck. "Bei uns hat Innovation Tradition", sagt er. "Wissenschaftliche Neugier und unternehmerischer Pioniergeist bleiben Maximen unseres Handelns."
Professor Tom Rüsen von der Universität Witten/Herdecke sagt: "Es sind häufig Nischenplayer, die als Familienunternehmen ein hohes Alter erreichen. Sie entwickeln ihre eine Kompetenz kontinuierlich."
Viele dieser hoch spezialisierten Firmen sind im ländlichen Raum angesiedelt, manche sind Hidden Champions geworden, Weltmarktführer auf ihrem Gebiet. Strikte Kundenorientierung und die Fähigkeit, "Krisen als Innovationsmomente zu begreifen und das Unternehmen weiterzuentwickeln", machten sie erstaunlich widerstandsfähig, sagt Rüsen. Gerade heute, wo "Digitalisierung neue Geschäftsmodelle nötig macht, haben Familienunternehmen gute Chancen".
Heidbreder verweist darauf, dass Familienunternehmen in der Finanzmarktkrise ab 2008 weniger Personal abgebaut haben als die Dax (DAX 40)-Konzerne. Im Familienbetrieb auf dem Land herrsche eine andere Firmenkultur, vielleicht sei man sogar in den selben Vereinen. Wer da Mitarbeiter entlässt, suche anschließend vielleicht sehr lange Personal. Der unbedingte Wille, das Unternehmen an die nächste Generation weiterzugeben, führe zu einem anderen Umgang mit Mitarbeitern, und Lieferanten, aber auch mit Heimat und Umwelt, sagt Rüsen.
Die Aufnahme in die Liste der ältesten Familienunternehmen bringt den Firmen nicht mehr Umsatz oder Gewinn. Der hessische Glockengießer Rincker "verkauft deswegen keine einzige Glocke zusätzlich", sagt Heidbreder. Aber die meisten präsentieren die Firmengeschichte stolz auf ihrer Homepage. Viele haben kleine Firmenmuseen eingerichtet. Andere Unternehmen, die noch nicht auf der Liste waren, haben angefangen nachzuforschen. So kam jetzt der schwäbische Kerzenmacher, Industrie- und Dentalwachs-Hersteller Morsa neu auf die Liste - seit 14 Generationen und 1647 durchgängig im Besitz der Familie Sallinger.
Aber natürlich gehen Unternehmensgeschichten auch mal zu Ende. Auf Platz 3 steht derzeit die Glasmanufaktur von Poschinger in Frauenau im Bayerischen Wald, die 1568 gegründet wurde - die aber soeben "die Produktion bis auf Weiteres eingestellt" hat. Die Auswirkungen der Pandemie, Engpässe in der Versorgung mit Rohstoffen und Zubehör, aber auch erhöhte Energiepreise und die CO2-Abgabe machten diesen Schritt notwendig, erklärte Poschinger.
dpa-AFX