Wie können Diabetespatienten ihren Blutzucker kontinuierlich präzise messen und ihren Körper damit dauerhaft gut auf diese Erkrankung einstellen? Auf dem Europäischen Diabeteskongress EASD in Berlin Anfang Oktober drehten sich zahlreiche Produktneuheiten um genau diese Frage.

Zum Beispiel der Dexcom G6 von der gleichnamigen US-Firma. Das Gerät übermittelt alle fünf Minuten die aktuellen Blutzuckerwerte an ein Smartphone, eine Smartwatch oder ein anderes Empfangsgerät. Weil im Unterhautgewebe platzierte Sensoren die Funktion der ständigen Überwachung übernehmen, müssen die Blutwerte nicht mehr über einen Pikser in den Finger ermittelt werden. Erkennt das System, dass der Gewebezucker in den nächsten 20 Minuten unter eine kritische Schwelle fallen könnte, ertönt ein Vorabalarm. Mit den neuen Produkten für die Blutzuckermessung begeistert Dexcom die Börsianer. Allein in den zurückliegenden sechs Monaten hat sich der Aktienkurs verdoppelt.

Noch steiler nach oben ging es 2018 mit der Aktie von Tandem Diabetes Care. Seit Jahresanfang schnellte der Börsenwert der US-Firma um das 15-Fache nach oben. Nach einer jahrelangen Flaute hat das Unternehmen mit Insulinpumpen den Durchbruch geschafft. Größter Kurstreiber ist das neue Modell t:slim X2, die kleinste Insulinpumpe weltweit, die mit einem farbigen Touchscreen, mit einer Bluetoothverbindung und wiederaufladbaren Batterien ausgestattet ist, inklusive eigener App mit den wichtigsten individuellen Daten.

Diabetes und die Folgen



Für Geräte wie den Dexcom G6 übernehmen die Krankenkassen die Kosten. "Die Wahrscheinlichkeit einer Diabetesfolgeerkrankung sinkt deutlich, wenn sich dank der kontinuierlichen Blutzuckermessung der Blutzuckerwert dauerhaft in einer bestimmten Bandbreite einpendelt", erläutert Marcel Fritsch, Fondsmanager bei Bellevue Asset Management in Zürich. "Aus Diabetes resultierende Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Schäden, Nierenversagen und Erblindung kosten allein in den USA 245 Milliarden US-Dollar jährlich." Nach Schätzungen der International Diabetes Federation (IDF) sind 90 Prozent aller Diabetiker von Übergewicht oder Fettleibigkeit (Adipositas) betroffen. 68 Prozent aller 65-Jährigen mit Diabetes sterben an Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Das Ziel, an dem die Medizintechnikbranche arbeitet, ist die kontinuierliche Messung des Blutzuckerspiegels bei gleichzeitiger Zufuhr von Insulin, was einer künstlichen Bauchspeicheldrüse entspricht. Bis zur Marktreife - und damit einer Lösung, die von den Gesundheitssystemen bezahlt wird - ist es aber noch ein weiter Weg, meint Medtech-Experte Fritsch. "Dafür ist eine Blutzuckerpumpe nötig, wenn der Blutzuckerspiegel zu niedrig ist, was aus heutiger Sicht vermutlich zu teuer ist. Kurzfristig sehe ich den größten Mehrwert bei intelligenten Insulininjektoren, die mit der Daten-Cloud vernetzt und zu einem vergleichsweise günstigen Preis zu haben sind."

Gut positioniert in diesem Markt sind Medizintechnikkonzerne wie Medtronic und Abbott Labs. Neue Geräte zur Blutzuckermessung könnten beiden Unternehmen in naher Zukunft einen Umsatz- und Gewinnschub bringen. Außerdem sind sie bei der Entwicklung von Systemen, mit denen die Analyse von Gesundheitsdaten in die Geräte integriert werden kann, vorn dabei.



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Bessere Medikamente



Der Technik gehört die Zukunft, doch um heute eine schnelle Wirkung zu erzielen, sind Tabletten unverzichtbar. Bei der medikamentösen Diabetesbehandlung geht es vor allem darum, das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verringern. Je nach Typ und Schweregrad kommen verschiedene Wirkstoffklassen einzeln oder in Kombination zum Einsatz. Bei den Wirkstoffen geht es darum, die Insulinmoleküle so zu modellieren, dass sie bestmöglich über den Tagesverlauf wirken und sich die Insulinzufuhr den Mahlzeiten und dem individuellen Energieverbrauch anpasst. Neue Medikamentenklassen wie sogenannte SGLT-2-Hemmer oder GLP-1-Rezeptor-Agonisten führen zu teilweise deutlichem Gewichtsverlust.

Die Zukunft gehört den Produkten, die täglich als Tablette eingenommen werden können und den Blutzuckerspiegel um mehr als ein Prozent absenken können.

Unter den Pharmakonzernen, die den Markt für Diabetesmedikamente mit jährlichen Milliardenumsätzen dominieren (siehe Infografik), nimmt Novo Nordisk aus Dänemark aktuell die Spitzenposition ein. Allerdings geriet die Aktie kürzlich unter Druck, nachdem Konkurrent Eli Lilly vielversprechende zulassungsrelevante Daten für ein neues Präparat vorgelegt hatte. Für Branchenexperten steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass eine künftige Zulassung dieses Mittels das weitere Umsatzpotenzial von Novo Nordisks neuem Hoffnungsträger Ozempic deutlich beeinträchtigen wird.

Aufgrund der niedrigeren Bewertung und der breiteren Aufstellung in verschiedenen Krankheitsfeldern ist die Aktie von Eli Lilly deshalb die bessere Wahl als die von Novo Nordisk. Das gilt umso mehr, als sich bei Eli Lilly dank etlicher Produkte das Gewinnwachstum ab 2019 weiter beschleunigen wird. Deutlich spekulativer, aber mit dem größeren Kurshebel nach oben ist der Einstieg bei Tandem Diabetes Care. Das Unternehmen schreibt noch rote Zahlen, soll aber nach Analystenschätzungen in den nächsten zwei Jahren den Umsatz von zuletzt 103 Millionen US-Dollar verdoppeln. Außerdem wird die Gesellschaft als Übernahmekandidat gehandelt.



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Auf einen Blick: Diabetes