Homeoffice-Schlendrian, zu wenig Bewegung und vielleicht auch die eine oder andere Bestellung zu viel beim Pizzalieferservice haben ihre Spuren hinterlassen. Der Winter- und Pandemiespeck muss weg, der wohl bei vielen von uns gerade in dieser Zeit Hochkonjunktur hat. Aber nicht nur der. Auf Sicht der zurückliegenden zwölf Monate konnten Aktien aus der Gewichtsmanagementindustrie ebenso stark zulegen wie so manche Hüfte und sogar den stark gelaufenen US-Leitindex S & P 500 in den Schatten stellen. Und das will etwas heißen.
Die Geschäftsmodelle der meisten Unternehmen in diesem Business leben vom sogenannten Network Marketing, einer nicht unumstrittenen Praktik, bei der Privatpersonen Produkte wie Nahrungsergänzungsmittel, Protein-Shakes oder fett- und zuckerarme Gerichte vertreiben. Nicht unumstritten deshalb, da die privaten Produktvertreiber am Ende der Nahrungskette in den seltensten Fällen mit ihrer Tätigkeit überhaupt ein Zusatzeinkommen erzielen können.
Der Erfolg dieser auf persönlichen Kontakten fußenden Geschäftsmodelle konnte nicht einmal von Lockdown-bedingten Kontaktbeschränkungen aufgehalten werden. Beratungsgespräche und Fitnesskurse lassen sich schließlich auch per Videochat abhalten. Dies sowie das Streben nach vermeintlichen Schönheitsidealen waren Triebfedern für die enorme Krisenresistenz der Branche in den vergangenen Monaten.
Die USA sind Spitzenreiter
Die bedeutendsten Unternehmen des Sektors sind in den USA beheimatet. Das ist wenig verwunderlich, schließlich liegt der prozentuale Bevölkerungsanteil an Erwachsenen mit Adipositas in den USA bei knapp 40 Prozent. Und jeder zweite Erwachsene in den Vereinigten Staaten hat schon einmal eine Diät ausprobiert, unter anderem auch mit Produkten von Medifast. Der Konzern unterhält ein Netzwerk von über 44 000 Coaches, die nicht nur Produkte von Medifast bewerben, sondern ihren Kunden auch als Mentoren auf dem Weg zum Wunschgewicht zur Seite stehen.
Der 2017 vollzogene strategische Fokus auf die Stärkung des Netzwerks war es auch, der Medifast aus dem operativen Dornröschenschlaf aufgeweckt hat. Stagnierten die Umsätze bis ins Jahr 2017 mehr oder weniger um die 300-Millionen-Dollar-Marke herum, konnten sie in der Folge massiv anziehen mit einem Umsatzrekord von über 900 Millionen US-Dollar 2020. Das macht das Unternehmen zum unangefochtenen Wachstumschampion in der Diätbranche.
Aber nicht nur wachstumsseitig kann das Unternehmen überzeugen. Auch bilanziell stehen alle Lampen auf Grün. Medifast ist nettoschuldenfrei und leistet sich Jahr für Jahr steigende Dividendenausschüttungen. Dabei ist weniger die Dividendenrendite von 1,95 Prozent das schlagende Argument, vielmehr beeindruckt die jährliche Steigerung der Ausschüttungen. Betrug diese 2016 noch 1,07 Dollar pro Aktie, gab es für das Jahr 2021 stattliche 4,52 Dollar - mit zusätzlicher Luft nach oben.
Dies sollte sich zumindest bestätigen, sofern die von Analysten erwarteten Umsatzsteigerungen für die kommenden Jahre wahr werden. So rechnet die Zunft mit weiterhin zweistelligen Wachstumsraten.Für 2021 wird mit einem Umsatzwachstum von knapp 27 Prozent kalkuliert. Die Chancen stehen gut, dass die Erwartungen auch eintreten. Und mit einem 2022er-Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 18,6 ist der Wachstumswert alles andere als überteuert.
Nahrungsergänzung en vogue
Schließlich haben dank der Stimulusschecks von der Regierung nicht wenige US-Amerikaner Geld zur Verfügung, das sie eventuell gar nicht benötigen. Warum einen Teil davon also nicht in das eigene Wohlbefinden investieren? Herbalife könnte hiervon unter anderem profitieren. Für das vergangene Jahr konnte das Unternehmen ein Umsatzplus von 33 Prozent aufweisen.
Auch in Europa konnte man deutliche Zuwächse verzeichnen und in China scheinen sich die Wogen ebenfalls wieder geglättet zu haben. Mit einer Zahlung von 123 Millionen Dollar hat man den Streit in Zusammenhang mit Bestechungsvorwürfen beilegen können. Der Anklage zufolge hat Herbalife über zehn Jahre hinweg hochrangige chinesische Funktionäre bestochen, um Lizenzen für den Verkauf von Produkten zu erhalten und Behörden auf Abstand zu halten. Der Konzern war bereits vorher ein ums andere Mal in die Schlagzeilen geraten. So mussten 2016 bereits 200 Millionen Dollar an Strafzahlungen aufgebracht werden, aufgrund von Klagen von ehemaligen Herbalife-Vertretern, die bei ihrer Tätigkeit für Herbalife viel Geld verloren.
Zudem wurde das Unternehmen, wohl nicht ganz zu Unrecht, Opfer von Shortsellern. Bill Ackman etwa bezichtigte als prominente Galionsfigur Herbalife, ein illegales Pyramidensystem zu betreiben. Als die US-Handelskommission die Anschuldigungen aber verneinte, musste Ackman zum Schluss das Feld mit einer missglückten Eine-Milliarde- Dollar-Wette gegen Herbalife als Verlierer räumen.
Auch operativ ist der Konzern in unruhigen Fahrwassern. Die Margen sind in etwa gleich hoch wie bei Medifast, allerdings macht die Bilanz mit einer negativen Eigenkapitalquote einen weitaus schlechteren Eindruck. Schuld daran sind die übermäßigen Aktienrückkäufe, die zwar einerseits den Kuchen für alle Aktionäre vergrößern, andererseits aber das Eigenkapital haben erodieren lassen. Dafür ist die Aktie von Herbalife mit einem 2022er-KGV von 9,8 auch nur halb so teuer wie die von Medifast.
Aktienrückkäufe und Barmittel
Bilanziell solider und auch medial ruhiger sieht es bei Usana Health aus. Das Unternehmen vertreibt eine Reihe von Produkten zur Gewichtskontrolle sowie Körperpflegeprodukte, die großteils in einer eigenen Produktionsanlage auf dem Firmengelände im US-Bundesstaat Utah hergestellt werden. Wie Herbalife ist auch Usana global gut diversifiziert. Das Steckenpferd ist hier aber der asiatische Markt, in dem Usana 80 Prozent des Umsatzes erzielt. Seitdem die Regierung in China 2019 ausländische Multi-Level-Marketing-Unternehmen verstärkt an die Kandare genommen hat, sind die Umsätze im Reich der Mitte allerdings ins Stocken geraten.
Auch in westlichen Nationen stagnieren die Umsätze. Das starke Wachstum in anderen asiatischen Nationen konnte die Schwäche in China und im Westen allerdings auffangen. Bilanziell steht das Unternehmen, das auf einer komfortablen Netto-Cash-Position sitzt, gut da.
Das einträgliche Geschäft ist es auch, das ausgiebige Aktienrückkäufe ermöglicht. So wurden seit 2010 mehr als ein Drittel aller ausstehenden Aktien eingestampft. Bewertungstechnisch liegt die Aktie mit einem 2022er-KGV von 15,3 zwischen dem Wachstumsgaranten Medifast und der bilanziell schwachen Herbalife.
Die weltweite Nummer 1
Last but not least sollte man natürlich auch ein Auge auf das prominenteste Unternehmen des Business werfen. WW International, vormals bekannt als Weight Watchers, ist die unangefochtene Nummer 1 in der 70 Milliarden Dollar schweren Gewichtsmanagementindustrie. Weltbekannte Unterstützerin und Werbefigur des Diätkonzerns ist die US-amerikanische Talk-Queen Oprah Winfrey. Das Unternehmen zählt inzwischen 700 000 aktive Meeting-Abonnenten sowie 3,7 Millionen aktive Online-Abonnenten weltweit. Das Geschäftsmodell bei WW unterscheidet sich dabei merklich von dem der herkömmlichen Unternehmen der Branche. So liegt der Fokus nicht auf dem Produktverkauf, sondern vielmehr auf der Schaffung eines Netzwerks, über das sich Übergewichtige mit Coaches und auch untereinander austauschen können. Die soziale Komponente ist es auch, die in vielen Fällen nachhaltigere Erfolge bringt.
Allerdings sorgte der pandemiebedingte Ausfall vieler Meetings auch für einen deutlichen Umsatzrückgang in diesem Segment, der von Digitalangeboten zum Teil aufgefangen werden konnte. Der Fokus auf den Digitalbereich sollte WW auch wieder zu einer nachhaltigen Umsatzsteigerung verhelfen können. Mit einem 2022er-KGV von 13,4 und in Anbetracht der hohen Verschuldung und einer negativen Eigenkapitalquote von minus 37 Prozent wirkt die Bewertung allerdings ambitioniert. <