Binnen vier Wochen ist der Deutsche Aktienindex (DAX) um knapp 1000 Punkte abgestürzt, der Euro schwächelt, und die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen sind auf ein Rekordtief gefallen. Wenn Sie mich fragen, war diese Korrektur überfällig, der rasante DAX-Anstieg auf mehr als 10.000 Punkte eine Anomalie, getrieben von künstlich niedrigen Zinsen, aber fundamental nicht gerechtfertigt: Schließlich hat sich das deut- sche Wirtschaftswachstum zuletzt stärker abgeschwächt als erwartet. Produktion, Auftragseingänge, Stimmung - kaum ein Konjunkturindikator konnte die Erwartungen erfüllen.
Während Deutschland lediglich schwächelt, entwickelt sich Frankreich allmählich zum kranken Mann der Eurozone. Für Italien, immerhin das drittgrößte Land des Währungsraums, bleibt das Bild leider auch unverändert trüb. Umso erfreulicher ist es, dass sich andere, viel gescholtene Südländer zuletzt besser entwickelt haben als erwartet. Das gilt vor allem für Spanien, Irland, Portugal und Griechenland. Hier ist die gestiegene Industrieproduktion Anlass zu ein bisschen Hoffnung. Risikobereite Anleger können auf diesen Trend reagieren und mit europäischen Südländerfonds auf einen Aufschwung spekulieren.
Unterm Strich rechne ich mit weiteren Eingriffen der EZB. Wobei die Frage erlaubt sein muss, was es bringen soll, wenn Zinsen und Renditen noch weiter unter die Inflationsrate fallen. Bereits heute zahlen Kleinsparer die Zeche der Euro-Rettungspolitik. Tag für Tag werden durch die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank reale Vermögen vernichtet. Dieser Vermögensverlust führt zu Einschränkungen bei Investitionen und Konsum. Um das Wachstum im Euroraum weiter zu beleben, muss irgendwann die öffentliche Hand einspringen und sich stärker verschulden. Damit würde sich die Katze - salopp formuliert - in den Schwanz beißen.
Dennoch gibt es keinen Grund, nur Trübsal zu blasen. Der Alte Kontinent wird von einem globalen Aufschwung im Frühstadium mitgeschleppt - China und den USA sei Dank. Im Reich der Mitte scheinen die ersten Maßnahmen der Regierung Früchte zu tragen: Das Wirtschaftswachstum hat sich im zweiten Quartal stabilisiert, die Industrieproduktion zeigt nach oben, und auch die Zahl der Wohnungsverkäufe hat die Flaute überwunden. Zumindest bis zum Jahresende sieht es für das bevölkerungsreichste Land der Welt gut aus.
Etwas anders gestaltet sich die Lage in den USA: Dort lagen die harten Wirtschaftsdaten zur Industrieproduktion, zur Entwicklung des Einzelhandels und zur Zahl der Baugenehmigungen zuletzt hinter den Erwartungen zurück. Zugleich signalisieren Stimmungsindikatoren einen soliden Aufschwung, vor allem der US- Einkaufsmanagerindex und der US-Immobilien-Index. Auf Sicht von zwölf Monaten erwarte ich für die USA deshalb eine Wachstumsbeschleunigung auf annähernd drei Prozent.
Wie sollen sich Anleger nun positionieren? Ich empfehle eine eher defensive Asset Allocation bestehend aus maximal 40 Prozent Aktien mit hoher Dividendenrendite, inklusive südeuropäischer Titel, 40 Prozent Renten - wegen des höheren Kupons vor allem Unternehmensanleihen - aber auch südeuropäische Staatsanleihen und bis zu 20 Prozent offene Immobilienfonds. Warum? Weil die zunehmenden geopolitischen Risiken noch nicht in den Kursen enthalten sind. Niemand weiß, wie sich das Verhältnis zwi- schen Russland und dem Westen weiterentwickelt und welche Auswirkungen das auf die Konjunktur hat. Und wenn sich der Vor- marsch der ISIS-Kämpfer in Syrien und im Irak fortsetzt, könnte schon bald die Ölproduktion im Nahen Osten gefährdet sein. Auch die Charttechnik signalisiert kurzfristig eher fallende als steigende Kurse. Wird die nächste DAX-Unterstützung bei 8900 Punkten gerissen, droht ein Sturz auf 8100 Punkte. Darauf sollten sich Anleger vorbereiten - und ihre Positionen absichern. Auch eine US-Dollar-Long-Position könnte nützlich sein.
Otmar Lang
Lang arbeitet seit 2005 als Chefvolkswirt bei der Targobank. Nach seiner Promotion zum Thema Zahlungsbilanzfinan zierung war er unter anderem im Investmentbanking der Deutschen Bank als Director für Sales & Trading tätig. Die Tar gobank ist seit mehr als 80 Jahren unter wechselnden Namen auf dem deutschen Markt. Sie hat 351 Niederlassungen in 200 Städten in Deutschland und mehr als drei Millionen Kunden.