Analysten haben beileibe nicht immer Recht. Das zeigen Erfahrungen aus der Vergangenheit zur Genüge. Eine Rolle dabei spielt die oft nur verkürzte Sichtweise auf die jeweilige Branche, die ein Analyst abdeckt, ohne gleichzeitig auch ausreichend die wichtigen volkswirtschaftlichen und sentimenttechnischen Faktoren in Rechnung zu stellen, von denen Kurswirkung ausgeht. Bei der Würdigung von Empfehlungen sind zudem auch hausinterne Eigeninteressen zu berücksichtigen. Etwa jene, dass sich Kaufempfehlungen einfach besser verkaufen als Verkaufsempfehlungen und somit das Geschäft stärker ankurbeln oder die Tatsache, dass man sich mit Verkaufsempfehlungen bei den betroffenen Unternehmen unbeliebt macht.

Trotz dieser Einschränkungen sind Analystenempfehlungen wichtig für einen funktionierenden Kapitalmarkt und wer die Systemfehler kennt, kann sich auch einfacher die Vorteile zu nutze machen, welche Analystenstudien ebenfalls beinhalten. Interessant ist es so gesehen auch, einen Blick auf jene Aktien zu werfen, welche den größten Abstand zwischen aktueller Aktiennotiz und den Zwölfmonats-Kurszielen von Analysten aufweisen. Bloomberg erstellt so eine Übersichtsliste regelmäßig für die im Stoxx Europe 600 Index vertretenen Werte. Berücksichtigt werden dabei aber nur jene Titel, für die mindestens Kursziele von vier Analysten vorliegen und deren Kurse über zehn notieren.

Wir stellen nachfolgend jene fünf Aktien vor, die zum Ende der Vorwoche den höchsten Abstand zu den Kurszielen aufwiesen. Der Abstand bei diesen Werten bewegt sich dabei zwischen 40 und 51 Prozent. Vorab sei aber noch erwähnt, dass es natürlich auch etliche Aktien gibt, bei denen die Kursziele unter den aktuellen Notierungen liegen. Bei den folgenden fünf Aktien aus dem Stoxx Europe 600 Index liegen demnach die aktuellen Kurse am deutlichsten über den Kurszielen:

Stoxx Europe 600-Aktie mit dem fünfhöchsten Kursabstand zu den Kurszielen: Taylor Wimpey Plc. (WKN: 852015, 101,30 britische Pence)

Auf Platz fünf unter den Aktien aus dem Stoxx Europe 600 Index mit dem größten Abschlag von Kurs zum durchschnittlichen Kurszielen landet Taylor Wimpey Plc. Das 1921 gegründete britische Bauunternehmen profitiert wie andere Branchenvertreter von einem gut laufenden Immobilienmarkt in Großbritannien. Die Verantwortlichen halten im laufenden Geschäftsjahr eine deutliche Verbesserung der Ebit-Marge für möglich. Konkret soll den Angaben zufolge die operative Gewinnmarge in diesem Jahr um 200 bis 300 Basispunkte verbessert werden und auch für die Folgejahre wird weiteres Steigerungspotenzial gesehen.

Künftig dürfte zudem laut Analysten ein Großteil des operativen Cash Flows ausgeschüttet werden, so dass die derzeit auf 2,23 Prozent zu taxierende Dividendenrendite mittelfristig steigen dürfte. Auf Buchwertbasis weist der Titel mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis vonj 1,54 laut Davy Research einen Abschlag von rund 14 Prozent gegenüber der Konkurrenz auf und auch das KGV ist mit geschätzten 10,3 für 2014 als moderat einzustufen. Diese Bewertungsrelationen sind auch der Grund, warum die elf Analysten, die den Titel abdecken, das Kursziel auf im Schnitt 142,42 britische Pence taxieren. Theoretisch ergibt sich daraus ein Aufwärtspotenzial von 40,6 Prozent.

Stoxx Europe 600-Aktie mit dem vierthöchsten Kursabstand zu den Kurszielen: Afren Plc. (WKN: A0D9AZ, 147,00 britische Pence)

Deutlich über den aktuellen Notierungen liegt das durchschnittliche Kursziel auch bei Afren Plc. Geschuldet ist das auch den deutlichen Kursverlusten, die der britische Ölexplorer und -produzent in diesem Jahr bereits hat hinnehmen müssen. Verantwortlich dafür war auch ein im Vorjahr um 24 Prozent auf 483 Millionen Dollar gesunkener normalisierter Vorsteuergewinn je Aktie.

Die Enttäuschung darüber konnte auch nicht durch Rekorde beim Umsatz und beim Cash Flow kompensiert werden. Das KGV bewegt sich mit geschätzten 13,6 für 2014 im vertretbaren Bereich, wobei das erst Recht dann gilt, falls es wie geplant gelingen sollte, in den kommenden fünf Jahren die Nettoproduktion im jeweils zweistelligen Prozentbereich zu erhöhen und das gleichzeitig auch in Ergebnissteigerungen umzumünzen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass Afren mit Tätigkeitsschwerpunkten in Nigeria, Ostafrika und Kurdistan in politisch eher instabilen Regionen aktiv ist.

Die 19 Analysten, welche sich mit dem Unternehmen beschäftigen, hält dies aber nicht davon ab, das Kursziel im Schnitt auf 208,14 britische Pence zu veranschlagen. Gegenüber dem aktuellen Kurs bedeutet das ein Aufholpotenzial von 41,6 Prozent.

Stoxx Europe 600-Aktie mit dem dritthöchsten Kursabstand zu den Kurszielen: Smurfit Kappa Group Plc. (WKN: A0MLCS, 15,88 Euro)

Ebenfalls schon deutlich Federn lassen musste in diesem Jahr schon der Aktienkurs von Smurfit Kappa Group Plc. Alleine seit dem am 06. März bei 20,20 Euro markierten Rekordhoch von 20,20 Euro steht inzwischen ein Minus von mehr als 21 Prozent zu Buche. Das konnte auch nicht durch die kurz zuvor erfolgte Anhebung der Kreditwürdigkeitsnote von BB auf BB+ durch die Ratingagentur Standard & Poor´s verhindert werden, obwohl darin auch auf gute operative Geschäftsaussichten in diesem Jahr und darüber hinaus verwiesen wurde.

Der irische Produzent von papierbasierten Verpackungen, der mit 41.000 Beschäftigten und 350 Produktionsstätten in 32 Ländern sowie einem im Vorjahr erzielten Umsatz von 7,9 Milliarden Euro zu den führenden Vertretern aus seiner Branche zählt, bekommt an der Börse dadurch momentan auf Basis der für 2014 erwarteten Gewinne nur noch ein KGV von 9,9 zugestanden. Hinzu kommt eine geschätzte Dividendenrendite von 2,81 Prozent.

Analysten sind auf dieser Basis zuversichtlich, dass der Titel eigentlich mehr kosten müsste, als dies derzeit der Fall ist. Das Kursziel wird von den fünf Analysten, die den Wert covern, jedenfalls mit 23,06 Euro angegeben. Das entspricht einem Aufschlag gegenüber der aktuellen Notiz von 45,2 Prozent.

Stoxx Europe 600-Aktie mit dem zweithöchsten Kursabstand zu den Kurszielen: Ophir Energy Plc. (WKN: A1CYYY, 241,40 britische Pence)

Schon länger auf keinen grünen Zweig kommt der britische Öl- und Gasexplorer Ophir Energy Plc. Gemessen an dem im September 2012 aufgestellten Rekordhoch beträgt das Minus hier rund 62 Prozent. Charttechnisch sieht es hier folglich angesichts eines intakten Abwärtstrends folglich eher mau aus. Begleitet wurde der Kursabstieg von der Meldung, wonach im Vorjahr der Verlust von 40,7 Millionen auf 245,8 Millionen Dollar gestiegen ist. Verantwortlich dafür wiederum waren erforderlich gewordene Abschreibungen auf Explorationsobjekte in Tansania, Ghana, Madagaskar, Kongo und Kenia.

Diese negative Erfahrungen zeigen, welchen Risiken ein Explorationsunternehmen wie Orphir Energy ausgesetzt ist, wobei hier noch hinzu kommt, dass man sich auch noch auf politisch risikoreiche Länder in West- und Ostafrika fokussiert hat. Gewinne sind hier zwar auch im laufenden Geschäftsjahr weiter Fehlanzeige, die immerhin 18 Analysten, die sich mit dem Wert beschäftigen, glauben aber offenbar weiter an einen mittelfristigen Durchbruch. Im Schnitt veranschlagen sie das Kursziel auf 361,56 Pence, was 49,8 Prozent über dem aktuellen Stand liegt.

Stoxx Europe 600-Aktie mit dem höchsten Kursabstand zu den Kurszielen: Cairn Energy Plc. (WKN: A1JSPE, 175,90 britische Pence)

Alles andere als eine Erfolgsstory war in den vergangenen Jahren leider auch die Aktie von Cairn Energy Plc. In diesem Jahr hat sich der Abstieg sogar noch beschleunigt, wobei das schottische Öl- und Gasproduzent auch gleich von verschiedenen Faktoren in die Enge getrieben wurde. Für ein sehr negatives Nachrichtenumfeld sorgten ein gescheitertes Investment in Grönland, das viele Kapital, das für weitere Explorationsobjekte nötig ist sowie ein Steuerstreut in Indien, bei dem Vermögensgegenstände eingefroren wurden und ein Aktienrückkaufprogramm ausgesetzt wurde.

Außerdem ist im Vorjahr ein Verlust von 556 Millionen Dollar angefallen, nachdem 2012 noch ein Nettogewinn von 73 Millionen Dollar verbucht werden konnte. Die 21 Analysten, die den Titel abdecken, habe die Aktie aber trotzdem noch nicht abgeschrieben. Deutlich wird das an einem Kursziel von im Schnitt 265,77 Pence, das 51,1 Prozent über der Notiz vom Montag liegt. Ob dieses Potenzial gehoben werden kann, hängt aber stark davon ab, ob nach der jüngsten Pechsträhne auch endlich wieder einmal positive unternehmerische Schlagzeilen gemacht werden können.