Obwohl die Zweifel an der Unabhängigkeit der türkischen Notenbank durch eine kräftige Leitzinssenkung neue Nahrung erhalten haben, ist die Lira zum Euro stabil geblieben. Die meisten Devisenanalysten rechnen jedoch in den kommenden Monaten mit einer abwertenden Lira. Risikobereite Anleger können darauf setzen.
Um satte 4,25 Prozentpunkte, von 24 auf 19,75 Prozent, senkte die Notenbank Ende Juli ihren Leitzins. Es war die erste Zinssitzung unter Murat Uysal, dem bisher stellvertretenden Zentralbankchef. Er folgte Anfang Juli auf Murat Cetinkaya, der von Recep Tayyip Erdogan abgesetzt worden war. Der türkische Präsident hatte wiederholt niedrigere Zinsen von der Notenbank gefordert. Diesem Verlangen des Staatsoberhaupts war Cetinkaya nicht nachgekommen.
Weitere Forderungen
Die Notenbanker verwiesen nun zur Begründung für den Zinsschritt auf eine Revision ihrer Inflationserwartungen. "Die Herabsetzung dieser Prognose wird den Währungshütern Spielraum für weitere Zinssenkungen im Jahresverlauf geben", meinen die Analysten der LBBW. Dies deckt sich mit dem Willen von Präsident Erdogan, der bereits weitere Senkungen verlangt hat. Bei der LBBW sieht man indes die Gefahr, dass der neue Notenbankchef bei der Lockerung der Geldpolitik über das Ziel hinausschießen könnte. Die Realverzinsung, also der Nominalzins abzüglich der Inflationsrate, würde dann die Risiken der türkischen Wirtschaft nicht mehr angemessen berücksichtigen.
Drohende Sanktionen
Die Analysten der DZ Bank erklären die Stabilität der Lira nach der Zinssenkung mit mehreren Faktoren: Im Markt sei hinter vorgehaltener Hand durchaus ein Zinsschritt von fünf oder acht Prozentpunkten für möglich gehalten worden. Zudem sei dem neuen Notenbankchef eine Art "Freischuss" zugestanden worden. Und die Stimmung gegenüber Schwellenländerdevisen sei wegen der Zinssenkungen in den USA zurzeit generell gut.
Sollte sich dieses Sentiment ändern, dürfte die Lira leiden. Rasch für Unruhe könnte aber vor allem der Konflikt um den Kauf eines russischen Raketenabwehrsystems sorgen - die USA drohen mit Sanktionen. Das weckt Erinnerungen an den Sommer 2018, als die Lira infolge eines Streits mit den USA um einen inhaftierten Pastor binnen kurzer Zeit massiv an Wert verlor.
Mit einem Zertifikat von BNP Paribas (ISIN: DE 000 PZ8 V35 8) können Anleger auf eine zum Euro schwächere Lira setzen. Das Papier bildet die Wechselkursentwicklung mit einem Hebel von aktuell 3,0 ab. Wertet die Lira doch auf, gibt es entsprechend hohe Einbußen. Die Barriere, bei der Totalverlust droht, ist zurzeit 31 Prozent entfernt.