von Nele Husmann

Gern schildert Jorge Lemann ein Erlebnis am Strand von Rio de Janeiro. Dort ging er als Student oft surfen. Eines Tages kam eine 30 Meter hohe Welle - er war viel kleinere gewöhnt. "Als ich den Brecher ritt und merkte, wie schnell er war, gefror mir das Blut in den Adern", erinnert sich der 76-Jährige. Der in Rio aufgewachsene Sohn eines Schweizer Käseimporteurs aber meisterte den Ritt. "Ich denke viel häufiger an diese Welle als an alles, was ich in Harvard gelernt habe", sagt Lemann. "Sie gibt mir ein gewisses Selbstbewusstsein."

Lemann surft so erfolgreich durch die Börse und Wirtschaft wie kaum jemand anderes. "Erstklassig", "wundervoll", "perfekt" - so vollmundige Worte findet der US-Investmentguru Warren Buffett für Lemann. Den reichsten Mann Brasiliens kennt Buffett seit mehr als einem Jahrzehnt aus dem Verwaltungsrat des Rasierklingenherstellers Gillette. Wenigen vertraut Buffett so sehr wie Lemann: Er finanzierte größtenteils die Übernahmedeals für Heinz und Kraft, überlässt dem Mann aus Rio jedoch völlig freie Hand bei der Führung der Unternehmen.

Lemann steht für gnadenlose Kostensenkungsmaßnahmen und höchste Effizienz. Seine Investmentfirma 3G hat einen unstillbaren Appetit auf Nahrungsmittelmarken - so kontrolliert er neben Kraft und Heinz auch Budweiser und Burger King. Und das, obwohl der topfitte Asket privat Mineralwasser trinkt und Salat isst. "Zu groß", war sein Kommentar, als er nach der Übernahme von Burger King erstmals in einen Whopper biss.

Nicht immer kauft er ganze Unternehmen. Kaum bekannt sind seine Beteiligungen an mittelgroßen und kleineren US-Werten. Sie bieten Privatanlegern jedoch die Chance, an seiner Seite in dieselben Werte zu investieren. So kaufte Buffett kürzlich Precision Castparts. Lemann selbst hat die Aktie des Zulieferers der Luftfahrt- und Energiebranche schon einige Zeit im Portfolio.

Nach einer Analyse der US-Researchfirma Investorama erzielen Private-Equity-Firmen wie 3G mit ihren kleineren Holdings meist wesentlich höhere Renditen als mit ihren Riesenübernahmen: "Diese Topgeldverwalter sind extrem an ihren Small-Cap-Erfolgen interessiert und stellen erhebliche Ressourcen für die Analyse kleinerer Unternehmen bereit, die sonst unter dem Radar der Börsenanalysten fliegen", sagt Gene Guzun von Investorama. Das Haus legte im August 2012 einen Fonds auf, der in die Top-Small-Caps berühmter Investoren investiert und seither 129 Prozent gewann. In Deutschland ist das Vehikel allerdings nicht für den Vertrieb zugelassen - Anleger müssen sich deshalb direkt Inspiration bei Stars wie Jorge Lemann holen.

Armstrong World Industries ist eines der spannendsten Unternehmen im 3G-Portfolio. Der Bauzulieferer hat in den letzten Jahren enorm von der Erholung des US-Immobilienmarkts profitiert. Auch andere prominente Hedgefonds sind investiert. Seit Jahresbeginn gewann die Aktie rund elf Prozent. Der Konzern will Anfang 2016 die Fußbodensparte abspalten und sich auf Zimmerdecken konzentrieren.

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Chemie für den Bau



3G setzt außerdem auf das Chemieunternehmen Axiall. Zusammen mit der südkoreanischen Lotte Chemicals wird im US-Bundesstaat Louisiana eine Ethananlage gebaut, die Axiall mit einer Million Tonnen des Kohlenwasserstoffgases versorgen soll. Das Unternehmen stellt auch Materialien für die Bauwirtschaft her - für Rohre, Zäune, Fassaden, Fensterrahmen oder Terrassen. Entsprechend profitiert die Aktie besonders von der Wiederbelebung der Bauwirtschaft in den USA.

Ebenfalls im 3G-Portfolio: PBF Energy. Das Unternehmen ist einer der größten Raffineriebetreiber in den USA und stellt Benzin, Diesel, Heizöl und Asphalt her. Der Konzern notiert seit Ende 2012 an der Börse. 2014 brachte er PBF Logistics, ein Pipeline- und Transportunternehmen, an die Börse, an dem er 52,1 Prozent hält. PBFs strategischer Vorteil gegenüber der Konkurrenz liegt in der Verkehrsanbindung seiner Raffinerien. Es kann sowohl mit Erdöl aus dem Westen Kanadas als auch mit per Schiff geliefertem Erdöl arbeiten. Aktuell ist aus Sand gezogenes Öl entscheidend billiger - und PBF ist das erste Unternehmen an der Ostküste, das den günstigeren Rohstoff von der Westküste eingekauft hat. Die Ladung wird per Schiff rund 10 000 Kilometer durch den Panamakanal geschickt. Raffinerieaktien sind aktuell attraktiv, weil der Ölpreis niedrig ist und die Betreiber ihren Rohstoff zur Weiterverarbeitung günstig einkaufen.

Neu in Lemanns Portfolio ist Google. Der Internetkonzern steht nicht nur hinter der Suchmaschine oder dem Smartphone-Betriebssystem Android. Er ist auch ein riesiger Motor für neue Technologien - seien es Kontaktlinsen, die den Insulinwert messen, oder Roboter. Derzeit gibt es kaum ein stabileres Technologieunternehmen. Zuletzt hatte Google knapp 68 Milliarden Dollar Cash in der Bilanz. Bei einem 2016er-KGV von 19 ein solides Investment.



Auch Citigroup ist eine wichtige Position im 3G-Portfolio. US-Banken sind derzeit eine gute Investition: Hebt die US-Notenbank die Zinsen an, profitieren die Institute, die mehr Geld mit ihren Einlagen verdienen. Mit einem 2016er KGV von unter zehn gehört die Aktie zu den preiswertesten in den USA und in der Branche.

Übrigens: Die Aktien von Axiall, Armstrong World Industries und PBF Energy werden in Deutschland so wenig gehandelt, dass Anleger sie am besten an der Heimatbörse kaufen (siehe Seite 3). Citigroup- oder Google-Aktien kann man getrost an deutschen Börsen erwerben.

Lemann ist ein Gewinnertyp. Seit er sieben Jahre alt war, spielt er Tennis, schaffte es bis nach Wimbledon. Als Erwachsener spielte er jahrelang parallel zu seiner Investmentbanking-Karriere Tennis - und hängte das tägliche Training erst an den Nagel, als ihm klar wurde, dass er es nicht unter die Top Ten der Weltrangliste schaffen würde. Da hatte er längst gemerkt, dass er als Geschäftsmann und Investor einfacher seine Millionen verdient. Trotzdem: 2011 wurde er Schweizer Tennis-Seniorenmeister. Noch vergangenes Jahr kam er unter die Top Ten - in der Klasse der über 70-Jährigen.



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