Seit Jahrzehnten bestechen die Stiftungen der Universitäten Harvard und Yale durch ihre brillanten Anlagestrategien. Die Überrendite gegenüber dem Gesamtmarkt erzielen sie vor allem durch geringe Rückgänge in schwachen Marktphasen, etwa während der Ölkrise in den 70er-Jahren, im Crash 1987, nach dem Platzen der New-Economy-Blase von 2000 bis 2003 oder in der Finanzkrise 2008/2009. Diese Stiftungen verwalten Milliarden von Dollar für die Zukunft ihrer renommierten Universitäten. Sie beschäftigen die schlauesten Köpfe und pflegen die besten Beziehungen zu wichtigen politischen Entscheidungsträgern, um ihr Kapital Jahr für Jahr möglichst mit zweistelligen Renditen zu vermehren.
Noch wichtiger als die Rendite ist allerdings der Kapitalerhalt, die unbedingte Vermeidung hoher Rückgänge. Die Manager dieser Eliteuniversitäten wissen, dass sie der Zukunft ihrer Institutionen entscheidend schaden, wenn sie zu viel Geld verlieren. Im Gegensatz zu manchen Politikern ist ihr Ziel nicht, in zwei oder drei Jahren um jeden Preis gut dazustehen, sondern sicherzustellen, dass es ihre Einrichtung möglichst auch in hundert oder zweihundert Jahren noch gibt.
Die Vermeidung allzu großer Rückschläge sollte auch für Privatanleger an oberster Stelle stehen. Um einen Verlust von 50 Prozent wieder aufzuholen, braucht es einen 100-prozentigen Gewinn! Ein solcher Verlust sollte also am besten niemals eintreten, schon gar nicht kurz vor dem Ruhestand, wenn das mühevoll über Jahre aufgebaute Vermögen in absehbarer Zeit benötigt wird.
Vergessenes Werk
Wie die Manager von Harvard und Yale ihre stetigen Ergebnisse erreichen, hat der US-Vermögensverwalter Mebane T. Faber in seinem Buch "The Ivy Portfolio: How to Invest Like the Top Endowments and Avoid Bear Markets" untersucht. Das Buch erschien während der Finanzkrise und ist in der langen Hausse seit Anfang 2009 etwas in Vergessenheit geraten. Da der Börsenaufschwung nun auf der Kippe steht, ist es jedoch höchste Zeit, sich wieder mit Fabers Erkenntnissen zu beschäftigen.
"Ivy" bedeutet auf Deutsch "Efeu" und ist ein Symbol für die bekanntesten und größten US-Universitäten - vermutlich weil sich diese Pflanze bevorzugt an alten Gebäuden ausbreitet. Faber hat die Geschäftsberichte der Ivy-Universitäten seit den 70er-Jahren im Detail studiert. In diesen Reports müssen die Vermögensverwalter der Stiftungen genau Rechenschaft ablegen, wofür sie das Stiftungsvermögen ausgeben und wie sie es anlegen.
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Hohe Korrelation mit einfachen Mitteln
Auf der Basis seiner Studien hat Meb Faber ein Modell entwickelt, wie man auch als Privatanleger die Strategien und Ergebnisse dieser Elitestiftungen mit einfachen Mitteln nachahmen kann. Wie komplex und ausgefeilt die Strategien der Universitätsstiftungen letztlich auch sein mögen: Der entscheidende Punkt ist, dass es in einem einfachen Modell gelingt, die Performance von Harvard und Yale relativ gut abzubilden.
Faber erreicht dabei mit etwa 80 Prozent eine fast so hohe Korrelation zur Performance von Harvard und Yale wie die beiden Unistiftungen untereinander (91 Prozent).
Sämtliche Eliteuniversitäten beschäftigen professionelle Mitarbeiterteams und lagern ihr Management teilweise an externe Profis aus. Die konkreten Anlagestrategien sind hochkomplex und wurden im Lauf der Jahrzehnte an die sich ändernden Marktbedingungen angepasst. Da sie sich im Ergebnis nicht allzu sehr unterscheiden, soll hier nur das Yale-Modell näher beleuchtet werden, das über die Jahre die etwas bessere Rendite brachte.
Entscheidenden Anteil am Erfolg der Yale-Universität hat David F. Swensen, der dort seit 1985 als Investmentdirektor fungiert. Seither liegt die Wertentwicklung des Stiftungsfonds meist im zweistelligen Prozentbereich.
Swensen hat das Yale-Modell entscheidend mitentwickelt und stellt es in seinem Buch "Proaktive Portfolio Strategien" dar. Darin beschreibt er, wie man das Gesamtvermögen in etwa fünf bis sechs gleich große Teile stückelt und diese in verschiedene Anlageklassen investiert. Swensen setzt also nicht nur auf Aktien, sondern ein Geheimnis seines Erfolgs ist die breite Diversifikation. Wie breit diese ist, zeigt ein Blick in die Yale-Investmentreports.
Denn unter den genutzten Anlageklassen befinden sich auch Absolute-Return-Strategien und Hedgefonds, die darauf ausgelegt sind, in jedem Marktumfeld ein positives Ergebnis zu liefern. Hinzu kommen Anleihen und Immobilien, Private Equity und natürliche Ressourcen, wozu beispielsweise Wald oder Ackerland gehören. Ein zentraler Bestandteil des Yale-Modells sind Portfolioumschichtungen, um die jeweils vorherrschenden Trends mitzunehmen und gleichzeitig größere Markteinbrüche zu vermeiden.
In Meb Fabers vereinfachter Abwandlung der Yale-Strategie war selbst das schwächste Jahr noch positiv. Dies war allerdings der Stand zum Zeitpunkt des Erscheinens seines Buchs Mitte 2008, also noch ohne Finanzkrise, und außerdem nur auf Jahresbasis (Tests inklusive 2008 bis 2018 auf Monatsbasis).
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Zwei Regeln für den Anlageerfolg
Faber hat eine frappierend simple Methode entwickelt, wie sich die Yale-Strategie mit nur fünf Anlageklassen nachbilden lässt: Aktien USA, Aktien Rest der Welt, Anleihen, Rohstoffe und Immobilien. Maximal drei der fünf Kategorien können gleichzeitig im Portfolio vertreten sein. Da sich seine Strategie über ETFs nachbilden lässt, ist sie für jedermann leicht nachvollziehbar. Fabers Modell beruht nur auf zwei Regeln, die jeden Monat (beispielsweise zum Monatsende) überprüft werden sollten.
Regel 1: Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab! Was Faber damit meint, ist: niemals in ein Anlageuniversum investiert sein, das sich unter der 200-Tage-Linie befindet. Im Buch verwendet er den Zehnmonatsdurchschnitt, aber beide Linien liegen so eng beieinander, dass der Unterschied nicht relevant ist. Anleger können sich also an der auf jeder Börsenwebsite erhältlichen 200-Tage-Linie orientieren
Regel 2: Das Prinzip der schnellsten Schiffe. Wenn mehrere der fünf beleuchteten Anlageklassen oberhalb der 200-Tage-Linien notieren, wird in jene (maximal) drei Anlageuniversen investiert, die in den zurückliegenden zehn Monaten am stärksten gestiegen sind.
Der zentrale Punkt der ersten Handelsregel ist, Verluste nicht zu groß werden zu lassen. Die Regel verhindert, dass man in Märkten investiert bleibt, die ins Bodenlose fallen. Der Vorteil von Privatanlegern beim Umsetzen der Ivy-Strategie ist es, auch einmal ganz aus dem Markt aussteigen zu können, wenn alle Anlageklassen unter die 200-Tage-Linie gefallen sind.
Zudem ist gemäß Regel 2 ein Markt niemals zu 100 Prozent im Portfolio, sondern allenfalls zu einem Drittel, was eine einfache Methode ist, um mögliche Verluste weiter einzuschränken. Im Fachjargon spricht man bei der ersten Regel von "Risikomanagement", bei der zweiten von "Money-Management".
Die Logik, die dahintersteckt, ist ebenso einleuchtend wie faszinierend. Die Anlageklassen sind direkt miteinander verbunden. Manchmal zieht eine Anlageklasse die andere mit (steigende Anleihekurse durch fallende Zinsen sind positiv für die Aktienkurse und umgekehrt). Manchmal schadet der Anstieg der einen Klasse der anderen, weshalb das Kapital dementsprechend wieder in die andere Richtung fließt. (Beispiel: höhere Rohstoffpreise schaden dem Aktienmarkt eher, obwohl manche Branchen davon profitieren.)
Fabers Ivy-Portfolio reagiert darauf in angemessenen Zeitabständen. Es findet automatisch, wenngleich mit etwas Verzögerung, jene Anlageklassen, die am besten laufen, und vermeidet, sich in solchen zu lange aufzuhalten, die nicht mehr laufen, sondern fallen. Die Stärke des Ansatzes besteht also darin, dass man gezwungen ist, diszipliniert und strategisch zu handeln und sein Geld systematisch abwechselnd in verschiedene Anlageklassen zu investieren.
Als Anlagevehikel zur Umsetzung der Strategie benutzt Faber ETFs, die kostengünstig die verschiedenen Marktuniversen eins zu eins abbilden.
Als Amerikaner setzt er bevorzugt auf ETFs des US-Marktführers, die mittlerweile auch in Deutschland (beispielsweise über Tradegate) handelbar sind. Natürlich können auch gleichwertige Indexfonds anderer Anbieter erworben werden. Statt ETFs zu kaufen, können Anleger selbstverständlich auch innerhalb einer Vermögensklasse (etwa Aktien USA oder Aktien Rest der Welt) versuchen, ihre Performance durch gezieltes Stockpicking zu verbessern. Die Faber-Methode dient dann einfach als Kompass, der vorgibt, ob es aktuell sinnvoll ist, in einem Markt investiert zu sein, oder nicht.
Zum Monatswechsel von September auf Oktober waren US-Aktien noch die am besten laufende Marktgruppe, zudem wären Rohstoffe und Immobilien im Ivy-Portfolio vertreten gewesen. Nach der scharfen Korrektur der ersten Oktober-Tage ist die Situation aber nicht mehr eindeutig, denn der US-Leitindex für Aktien, der S & P 500, kämpft aktuell mit der 200-Tage-Linie und fiel sogar schon kurz darunter.
Anleger sind also besser beraten, die weitere Entwicklung abzuwarten und erst zum nächsten Monatswechsel mit der Ivy-Strategie zu beginnen. BÖRSE ONLINE wird zeitnah berichten, welche ETFs dann in die Startformation gehören und ob es sinnvoll ist, einen Teil des Portfolios in Cash zu halten.
Mehr zum Thema: Vertiefende Informationen zum Thema Ivy-Portfolio mit Hinweisen zur Aktienauswahl gibt Autor Urban Jäkle am Samstag, 3. November, ab 9 Uhr bei einem ganztägigen Seminar in Frankfurt/M. Die Teilnahmegebühr beträgt 399 Euro, Abonnenten von BÖRSE ONLINE, €uro oder €uro am Sonntag zahlen nur 299 Euro. Anmeldung per E-Mail an: info@urban-stocks.com