Konsumgüterhersteller profitieren von Inflation und Zinswende. Viele dieser Unternehmen sind legendäre Dividendenwerte. Welche Titel jetzt besonderes Potenzial haben… Von Sven Parplies

Die Eiszeit hat begonnen. Zumindest auf der Nordhalbkugel. Mehr als die Hälfte des Jahresumsatzes mit Speiseeis entfällt auf den Sommer. Die starke Saisonalität ist aus Sicht der Produzenten nicht der einzige Beigeschmack. Die Ware muss durchgehend gekühlt werden, was die Logistik erschwert. Der Konsumgüterhersteller Unilever zieht die Konsequenzen: Die margenschwache Eissparte mit Marken wie Cornetto und Magnum soll abgeschmolzen werden. Ein Verkauf, etwa an einen Finanzinvestor, wäre aus Sicht der Aktionäre die wohl angenehmste Lösung. Wahrscheinlicher ist die Abspaltung über einen Börsengang. Bis Ende 2025 will Unilever Vollzug melden.

Die großen Konsumgüterkonzerne sind wie Gemischtwarenläden mit riesigem Sortiment. Der wirtschaftliche Erfolg und damit der Aktienkurs wird von wenigen Marken getragen. Bei Unilever liefern nach Kalkulation des Finanzdiensts Bloomberg 30 "Power Brands" wie Dove, Rexona und Knorr etwa 75 Prozent des Konzernumsatzes. Der Rest verteilt sich auf rund 370 andere Marken, von denen viele zuletzt Marktanteile verloren haben dürften. Hein Schumacher, seit knapp einem Jahr Chef bei Unilever, räumt auf: Es gehe darum, weniger zu machen, das dafür aber besser. Börsianer sind erfreut. Die Aktie von Unilever hat seit Ankündigung der Eisschmelze zweistellig zugelegt. Ein Kursziel von 60 Euro bietet aber immer noch rund 15 Prozent Luft nach oben.

Konsumgüter haben unter Börsianern einen legendären Ruf. Warren Buffett schwört seit Jahrzehnten auf Coca-Cola, als Kunde und Investor. Vor allem als Dividendenlieferant hat die Branche Kultstatus. Mehr als ein Dutzend amerikanische Konsumgüterhersteller haben ihre Ausschüttung seit mindestens einem halben Jahrhundert durchgehend angehoben.

Geniale Gewinnchancen mit den sichersten Aktien der Welt

Produkte wie Zahnpasta, Hautcreme, Waschmittel, Nahrungsmittel oder auch Getränke sind fester Bestandteil des Alltags vieler Konsumenten, unverzichtbar auch in wirtschaftlich schweren Zeiten. Die Wachstumsraten sind im Vergleich zum Techsektor unspektakulär, dafür aber ziemlich zuverlässig. BÖRSE ONLINE hat die Konsensschätzungen für 20 führende Unternehmen der Konsumgüterwelt für die Jahre 2024 bis 2027 ausgewertet. Demnach dürfte der Umsatz im Jahresschnitt um dreieinhalb Prozent zulegen, der operative Gewinn (Ebit) um knapp sechs Prozent. Das alles macht diese Aktien zu defensiven und auf lange Sicht erfolgreichen Investments.

Die jüngsten Jahre allerdings waren ungewöhnlich turbulent. Die Branche hat aufgrund der extremen Inflation ihre Verkaufspreise deutlich angehoben. Jetzt normalisieren sich viele Kosten. Das bringt einen großen Gewinnhebel. Nur die wirklich starken Unternehmen allerdings werden den Hebel nutzen können.

Die Lage entspannt sich: Die Inflation sinkt weiter, dank Lohnerhöhungen steigt die Kaufkraft der Konsumenten. Und mit der Zeit gewöhnt sich der Mensch an die größeren Zahlen auf den Preisschildern. Ein für die Aktienmärkte wichtiger Effekt ist der Zinstrend: Die Europäische Zentralbank hat ihren Leitsatz bereits gesenkt. Die amerikanische Fed dürfte folgen, wenn auch nicht mehr so energisch kürzen wie zu Jahresbeginn erwartet. Bei sinkenden Zinsen verlieren Anleihen als Konkurrenz zu den zuverlässigen Dividendenzahlern vom Aktienmarkt an Attraktivität. Die Investmentbank Goldman Sachs hat nachgerechnet: In sechs der acht Zinssenkungszyklen der Fed seit 1984 haben die Aktien der Hersteller von Basiskonsumgütern den breiten US-Aktienmarkt in den zwölf Monaten nach der ersten Senkung geschlagen.

Ein neuer Unsicherheitsfaktor sind Abnehmspritzen, wie sie Novo Nordisk und Eli Lilly auf den Markt gebracht haben. Die Wirkstoffe hemmen den Appetit. Vor allem für die Hersteller zuckerhaltiger Produkte ist das eine Gefahr. Bislang sind die Auswirkungen allerdings gering, auch weil die Medikamente erst von wenigen genutzt werden. Wie groß der Effekt letztlich sein wird, ist schwer vorauszusagen. Schon seit Längerem bemühen sich Unternehmen, ihre Produktpalette stärker auf gesündere Produkte auszuweiten. Pepsico hat neben der berühmten Zuckerbrause auch Säfte, Sport-und Energydrinks im Sortiment. In der Knabbersparte werden Produkte mit reduziertem Zuckergehalt angeboten. Im vergangenen Quartal übertraf der Konzern einmal mehr den Analystenkonsens. Eine schwächere Entwicklung im Heimatmarkt konnte Pepsico durch kräftiges Wachstum vor allem in Schwellenländern auffangen. Kursziel: 180 Euro!

Auch ein deutsches Unternehmen weist eine besondere Dynamik auf: Beiersdorf, bekannt vor allem für die Marke Nivea, hatte lange den Ruf eines grundsoliden, aber behäbigen Unternehmens. Inzwischen glänzt der Hautpflegespezialist mit Innovationen: Schon jetzt ein Verkaufserfolg sind Produkte mit dem Wirkstoff Thiamidol, der Pigmentflecken mildern und auch gegen Altersflecken, Pickelmale oder Augenringe wirken soll. Zwei weitere Innovationen sollen das Geschäft zusätzlich antreiben: Der DAX-Konzern verspricht Produkte, die das Aussehen der Haut verjüngen sollen. Mit einem Wirkstoff gegen Akne tritt Beiersdorf sogar in Konkurrenz zu rezeptpflichtigen Medikamenten. Auf der Weltkarte gibt es zudem viele Regionen, in denen die Hamburger kaum oder gar nicht präsent sind, etwa Indien, China oder auch die USA. Dort will Beiersdorf jetzt angreifen. Lob kommt von den Analysten von Warburg: Man habe niemals mehr Vertrauen in die Fähigkeit von Beiersdorf gehabt, stärker zu wachsen als der Markt, als jetzt. Der Konsens traut dem Konzern bis 2027 im Schnitt Ebit-Gewinnsteigerungen von mehr als acht Prozent zu. Damit gehört Beiersdorf zu den Topwerten im Konsumgüterbereich. Kursziel: 165 Euro!

Auch die Hersteller von Haushaltsartikeln sind gut positioniert, gestärkt aus der Konjunkturkrise hervorzugehen. Die Aktie von Procter &Gamble, mit 68 Jahren durchgehend steigender Dividende Kultobjekt unter Dividendensammlern, ist gerade über das Allzeithoch geklettert. Das ist ein Zeichen, dass Börsianer mit einer positiven Dynamik rechnen. Kursziel: 170 Euro!

Übrigens: Dieser Artikel ist zuerst in der neuen Print-Ausgabe von BÖRSE ONLINE erschienen. Diese finden Sie hier

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