von Martin Hüfner, Assenagon
- Das neue Wertpapierankaufsprogramm der
Europäischen Zentralbank wird überschätzt.
Es ist bei Weitem nicht so bedeutsam wie
von Befürwortern oder auch Kritikern angenommen.
- Die Belebung des Kreditgeschäfts, der Rückgang
der Preissteigerung und die Kurssteigerungen
an Aktien und Rentenmärkten haben
im Wesentlichen andere Gründe.
- Anleger sind gut beraten, sich bei ihren Investitionsentscheidungen
nicht zu sehr auf
die Geldpolitik zu verlassen.
Könnte es sein, dass wir das neue Wertpapierankaufsprogramm
der Europäischen Zentralbank, das in den
letzten Wochen so viele Schlagzeilen gemacht hat,
überschätzen? Verständlich wäre es. Das was die EZB
derzeit durchzieht, ist auf den ersten Blick ein "Riesending".
Jeden Monat kauft die EZB Wertpapiere in Höhe
von EUR 60 Mrd. Insgesamt werden es EUR 1.000 Mrd.
sein. So etwas hat es in Europa noch nicht gegeben.
Und es scheint zu wirken. Der Aktienmarkt in Deutschland
hat seit Ankündigung des Programms Ende Januar
um über 1.000 Punkte (= plus 16 %) zugelegt. Die Zinsen
für 10-jährige Bundesanleihen haben sich von
0,54 % auf 0,24 % mehr als halbiert. Aber nicht nur
das. Die EZB wird nicht müde zu betonen, dass das
Programm sich auch gesamtwirtschaftlich positiv auswirkt.
Die Inflation ist seit Januar von -0,6 % auf -0,1 %
gestiegen. Das Wachstum der Geldmenge M3 (das ist
das Geld in den Händen der Unternehmen und privaten
Haushalte) hat sich auf 4,2 % im Februar beschleunigt.
Das ist die höchste Rate seit sechs Jahren. Die Kredite
der Banken an den Privatsektor nehmen nicht mehr so
stark ab. Die Konjunktur im Euroraum
hat sich deutlich beschleunigt.
Bei so vielen Erfolgsmeldungen werde ich skeptisch.
Kann es überhaupt sein, dass ein Programm in so kurzer
Zeit so viel verändert? Wenn das richtig wäre, hätte
die EZB vielleicht schon im Sommer ihr Ziel erfüllt. Sie
könnte dann darüber nachdenken, das Programm zurückzufahren.
Wird hier nicht doch etwas übertrieben,
eine Mücke zum Elefanten aufgeblasen? Es gibt in der Tat Gründe, die Erfolgsmeldungen mit etwas Vorsicht zu
betrachten.
Auf Seite 2: Das Programm ist gar nicht so riesig, wie es sich auf den ersten Blick ausnimmt
Zuerst ist das Programm gar nicht so riesig, wie es sich
auf den ersten Blick ausnimmt. Schauen Sie sich die
Grafik an. Sie zeigt, dass die EZB nicht neue Liquidität
schafft, sondern nur den Rückgang der Bilanzsumme
aufhält beziehungsweise korrigiert. Seit Frühjahr 2012
hatten die Banken Kredite zurückgezahlt, die sie vorher
von der EZB im Rahmen des LTRO-Programms (Longer
Term Refinancing Operation) erworben hatten. Das war
für die Geldpolitik kontraproduktiv und durfte so nicht
wietergehen.
Wenn die EZB den Banken durch das Wertpapierankaufsprogramm
jetzt EUR 1.000 Mrd. zur Verfügung
stellen will, so kommt die Bilanzsumme nur wieder auf
das Niveau, das es vor den Rückzahlungen der Banken
hatte. Das ist international gesehen gar nicht so exorbitant
groß. Die Grafik zeigt, dass es wesentlich bescheidener
ist als beispielsweise das Lockerungsprogramm,
das die amerikanische Fed in den letzten Jahren gefahren
hatte. Es ist im Übrigen auch relativ kleiner als die
jeweiligen Programme der Bank von Japan, der Bank
von England und - auf ganz anderer Ebene - der
Schweizer Nationalbank.
Auf Seite 3: Die EZB schmückt sich mit fremden Federn
Was die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen des Programms
angeht, so muss man auch hier Wasser in den
Wein gießen. So schnell wie es aussieht kann das Wertpapierankaufsprogramm
in der Wirtschaft gar nicht ankommen.
Die EZB hat hier einfach Glück und schmückt sich mit fremden Federn. Der Anstieg der Inflationsrate
in den letzten drei Monaten ist vor allem auf die Stabilisierung
des Ölpreises zurückzuführen. Die Verbesserung
bei der Kreditgewährung und bei der Entwicklung
der Geldmenge M3 hat mehr mit der Erholung der Konjunktur
zu tun als mit der Geldpolitik. Die EZB hat in einer
ökonometrischen Studie selbst nachgewiesen, dass
ein Wertpapierankaufsprogramm von EUR 1.000 Mrd.
die Inflationsrate insgesamt nur um 0,3 Prozentpunkte
erhöht.
Viele sagen, dass die Wertpapierkäufe vor allem über
den Wechselkurs wirken. Das könnte in der Tat relativ
schnell gehen. Tatsächlich hat sich der Euro/Dollar-Kurs
drastisch verringert. Aber auch das hat mit dem Programm
wenig zu tun. Die Abwertung des Euros begann
schon vor einem Jahr, als noch niemand von Wertpapierkäufen
sprach. Als das Programm im Januar beschlossen
wurde, war der Hauptteil der jetzigen Abwertung
schon gelaufen.
Auch die Wirkung auf die Kapitalmärkte ist nicht so groß.
Der Anstieg der Aktienkurse beruht zuallererst auf der
besseren Konjunktur. Die Geschichte zeigt, dass der
Zusammenhang zwischen Aktienkursen und Bilanzsumme
der Notenbank relativ gering ist. Als die Liquidität
beispielsweise von Mitte 2012 bis Ende 2014 um
EUR 1.000 Mrd. zurückging, ist der DAX nicht etwa gefallen.
Er ist trotz allem um 40 % gestiegen. Auch in den
USA, wo man so viel von den QE-Programmen erwartete,
ist der Zusammenhang mit den Aktienkursen nicht
sehr hoch.
Ähnliches gilt für die Zinsentwicklung. In den Monaten,
in denen sich die Bilanzsumme der EZB verringerte,
sind die Renditen am Kapitalmarkt nicht gestiegen, sondern
gefallen.
Wo das Programm wirkt, ist bei den "weichen Faktoren".
Es stabilisiert die Erwartungen. Das hilft der Psyche und
stützt so die Konjunktur. Positiv ist auch, dass es rein
quantitativ nicht so groß ist, dass es zwangsläufig zu
Blasen auf den Kapitalmärkten führt. Lassen Sie also die
Kirche im Dorf. So umwerfend ist das alles nicht. Kritiker
müssen sich daher nicht zu sehr aufregen. Befürworter
sollten sich aber auch nicht zu sehr an die Brust klopfen.
Auf Seite 4: Für den Anleger
Für den Anleger
Verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Kurse wegen
des Programms weiter steigen. Entscheidend für die
Märkte sind am Ende doch die harten Fakten der Realwirtschaft:
Die Entwicklung der Konjunktur und der Gewinne
der Unternehmen. Darauf müssen Sie achten.