Die Statistik beweist dies eindrücklich. Der marktbreite US-Aktienindex S & P 500 bewegte sich in den zurückliegenden 34 Handelssitzungen nicht ein einziges Mal um mehr als ein Prozent nach oben oder nach unten. So wenig Volatilität gab es in vergleichbaren Zeiträumen seit 20 Jahren nicht mehr. Und nicht nur am Aktienmarkt ging es so schläfrig zu, auch bei US-Staatsanleihen tat sich kaum etwas.
Vermutlich hatte dies etwas mit dem Treffen der wichtigsten Zentralbanker der Welt in Jackson Hole zu tun. Dieses fand am vergangenen Wochenende statt. Und vermutlich wollte sich im Vorfeld keiner so recht aus der Deckung wagen.
Jackson Hole ist inzwischen abgehakt. Weltbewegendes ist dort aber nicht passiert. Klar, es gibt immer noch Zinswende-Diskussionen in den USA. Man ist unsicher, wann es die nächste Erhöhung gibt. Aber wenn man die dürren Worte von US-Notenbank-Chefin Janet Yellen richtig deutet, dann dürfte vor Dezember nichts passieren. Zwar hat sie in Jackson Hole - zumindest verbal - die Tür für eine Anhebung des Leitzinses weit aufgestoßen, den Zeitpunkt für einen solchen Schritt aber offengelassen. Aber schon dies bremste die Aktienmärkte dann doch ein.
Doch woran liegt es außerdem, dass es an den Märkten so schläfrig zugeht? Zum einen hat sich der Brexit nicht als das Ende der Welt herausgestellt, in den USA wiederum sind die Arbeitsmarktdaten auf dem Weg der Besserung, und auch in Europa haben sich die Konjunkturdaten zuletzt verbessert. Gleichzeitig sind die Anleihe-renditen weiter gesunken, die Unternehmensgewinne sind - je nach Interpretation - zumindest passabel ausgefallen, und die jüngsten Meinungsumfragen zeigen in Sachen US-Wahl inzwischen ein mögliches Ergebnis an, das viele auf dem Globus begrüßen dürften.
Alles in allem also nicht so viele Gründe, von deutlich fallenden Kursen auszugehen. Aber auch nicht so viele Gründe dafür, dass die Kurse so richtig duchstarten könnten. Für Selbstzufriedenheit gibt es jedenfalls keine Argumente.
Ohnehin wäre Selbstzufriedenheit an den Finanzmärkten höchst unklug. Denn die Dinge, die Kurse bewegen, können sich bekanntlich jederzeit ändern. Also was tun, in solch einer Phase niedrigster Volatilität? Denn dies kann man durchaus als Ausdruck einer gewissen Selbstzufriedenheit deuten. Und die Vergangenheit hat oft genug gezeigt, das Korrekturen umso heftiger ausfielen, je größer vorher die vermeintliche Sicherheit war, in der sich die Anleger wähnten.
Doch gemach. Klar ist zwar, dass die Marktvolatilität sich über kurz oder lang wieder normalisieren wird. Dies kann, muss jedoch nicht mit einem heftigen Kurssturz verbunden sein. Vergleiche mit der Finanzkrise 2007 bis 2009, wie man sie derzeit wieder liest, sind also fahrlässig. Damals, zu Beginn des Jahres 2007, war zwar die Volatilität ebenfalls ungewöhnlich niedrig, aber die Gemengelage insgesamt war dann doch eine andere. Man kann einen Crash nicht allein mit niedriger Volatilität vorhersagen. Basta. Als Essenz bleibt indes der Rat, am Ball zu bleiben, die Märkte nicht aus den Augen zu lassen, das Risiko nicht allzu stark hochzufahren. Nicht mehr, nicht weniger.
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com