Auf der Münchner Sicherheitskonferenz besprechen Politiker, Diplomaten und Forscher gerade, wie gefährdet der Frieden ist. Der Duktus scheint klar: Die sogenannte "Westlessness" treibt alle um. So hat der Veranstalter im zuvor veröffentlichten Report die neue Unsicherheit der westlichen Industrienationen gegenüber erstarkenden Großmächten in Asien oder dem aggressiveren Auftreten Russlands bezeichnet. Anfang Januar schien ein bewaffneter Konflikt zwischen den USA und Iran in greifbarer Nähe, gegen China ist US-Präsident Donald Trump bereits in den Krieg gezogen - allerdings hauptsächlich mit Zöllen. Zugleich hat er die verbündeten ­NATO-Mitglieder zu mehr Rüstungsausgaben aufgefordert. Die USA selbst investieren kräftig: Die Verteidigungsausgaben sind 2019 um zehn Prozent auf 675 Milliarden Dollar gestiegen, 2020 will Trump laut Haushaltsentwurf noch mal 65 Milliarden drauflegen.

Die jüngsten Zahlen des schwe­dischen Friedensforschungsinstituts SIPRI belegen die These der "Westlessness": Auch in Europa stiegen demnach die Budgets 2018 an, vor allem Frankreich rüstete auf. China hat mit 250 Milliarden Dollar rund fünf Prozent mehr für das Militär als im Jahr zuvor bereitgestellt. In Russland, Saudi-Arabien und Indien stagnieren die Ausgaben auf hohem Niveau oder sie sinken.

Im Wettlauf um militärische Stärke geht es längst nicht mehr um die Zer­störungskraft einzelner Waffen. "So­genannte symmetrische Bedrohungen, wenn Russland zum Beispiel schnellere Raketen bauen lässt, können einfach beantwortet werden. Aber asymmetrische Bedrohungen wie Cyberattacken oder Terrorismus erfordern eine weitere Bandbreite", erklärte Manager Bertrand Delcaire vom französischen Rüstungskonzern Thales gegenüber €uro am Sonntag auf einer Investorenkonferenz in Lyon. Im April vergangenen Jahres hat das Unternehmen mit Sitz in Paris die Übernahme des Kommunikationskonzerns Gemalto vollendet. Der Grund der Akquisition: "Was das Militär will, ist ein Informationsvorsprung, wissen, was passiert", sagte Delcaire. Die Entsendung von Bodentruppen sei ein hohes Risiko, wenn Information fehle.

Die Entwicklung des Zeppelins Stratobus durch Thales folgt dieser Logik. Die Kombination aus Kommunikations­satellit und Drohne soll in den kommenden fünf Jahren am Thales-Standort Cannes gebaut werden. Der Stratobus dient der Bereitstellung von Hoch­geschwindigkeitsinternet wie auch der Überwachung nationaler Grenzen. Überdies lassen sich die Folgen von ­Klimakatastrophen aus 20 Kilometern Höhe besser einschätzen.

Der Krieg der Zukunft wird mit weniger Menschen geführt. Dass Cyber­security und Informationssysteme in den Fokus der Rüstungskonzerne rücken - neben Thales sind Lockheed Martin, BAE Systems und Raytheon hier aktiv -, verändert die Kundenbasis. Bei Thales etwa ist der Anteil ziviler Kunden 2019 von 50 auf 58 Prozent gestiegen.

Von den aufgepolsterten Verteidigungsbudgets, mit denen sich Armeen weltweit nicht nur bewaffnen, sondern auch digitalisieren, profitiere die Industrie mehr als von einem tatsächlich stattfindenden Krieg. "Der Großteil unserer Projekte ist innovationsgetrieben", sagt Thales-Mann Delcaire. Die Entwicklung von Exoskeletten, Flugdrohnen und (zuvor) Computern hätten ihren Ursprung im Militär und seien erst später zivil genutzt worden.

Umstrittenes Investment


In Krisenregionen wie dem Nahen Osten ist Thales dennoch aktiv. 2015 hat Ägypten etwa 24 Kampfjets und eine Fregatte bestellt. Rund zehn Prozent des Konzernumsatzes macht Thales in der Region. Der britische Konzern BAE Systems hat Raketen in den Libanon und nach Irak geliefert. Der weltweit umsatzstärkste US-Rüstungskonzern, Lockheed Martin, baut Kampfjets der Reihe F16 für Bahrain und hat Raketensysteme nach Kuwait und Saudi-Arabien exportiert. Diese Länder sind direkt oder indirekt an Kriegen beteiligt.

Anleger stellt das vor eine schwierige Entscheidung. Einerseits ist da die Moral, andererseits dürfte der Rüstungsmarkt 2020 wachsen. Nicht nur wegen der steigenden Ausgaben, auch wegen Nachholeffekten aus 2019 rechnet die Unternehmensberatung Deloitte mit einem kräftigen Plus. Die Firmen verdienen zudem operativ meist gut. Der Aktienkurs von Lockheed Martin etwa hat sich binnen zwölf Monaten verdoppelt, der von BAE Systems hat um ein Viertel zugelegt. Nur Thales hat Federn gelassen und gilt derzeit als unterbewertet.

Banken wie Fondsgesellschaften erliegen dieser Versuchung trotz des Trends zu nachhaltigen Investments. Nach Schätzungen der Berliner Organisation Facing Finance zählten Banken wie die Deutsche Bank mit 2,6 Mil­liarden Euro, die Commerzbank mit 143 Millionen Euro und die Vermögensverwaltung Blackrock mit 32,6 Milliarden Euro 2018 zu den Großinvestoren der Branche. Die Privatbank Berenberg rät sowohl bei Lockheed Martin als auch bei BAE-Systems zum Kauf.

Getrieben wird das Wachstum der Branche auch von einer einsetzenden Konsolidierungswelle. Der US-Konzern Raytheon fusioniert derzeit mit dem Technologiekonzern United Technologies. BAE Systems kann dabei zwei Sparten in den Bereichen Waffen- und Kommunikationssysteme übernehmen. Damit steigt der Umsatzanteil des britischen Rüstungskonzerns im US-Markt auf 46 Prozent. Lockheed Martin hatte zuletzt einen Rekordauftragsbestand von 140 Milliarden Dollar, auch weil das Unternehmen Hauptlieferant des US-Militärs ist. Die "Westlessness" treibt die Zahlen in den kommenden Jahren. Und für An­leger bleibt die Entscheidung zwischen Rendite und Moral.

Investor-Info

Lockheed Martin
Trumps Zulieferer


Der Ausrüster der U.S. Army punktet mit seinem Kampfflugzeug F35. Das trieb den Umsatz im vergangenen Jahr um rund elf Prozent auf knapp 60 Milliarden US-Dollar und den Gewinn um mehr als 16 Prozent auf 8,5 Milliarden Dollar. Rekordzahlen für Lockheed Martin - das Jahr 2020 soll dank Bestellungen aus dem US-Verteidigungsministerium noch besser werden. Anleger profitieren auch von einem Aktienrückkaufprogramm.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 365,00 Euro
Stoppkurs: 335,00 Euro

Thales
Digitale Defensive


Im vergangenen Jahr enttäuschte Thales die Anleger mit einem Wachstum unter Erwartungen. Der Umsatz legte zwar um zehn Prozent zu, getrieben von digitalen Produkten, Luftfahrt und Transport ließen hingegen Federn. Das Luftfahrtsegment soll 2020 wieder schneller wachsen als der Markt und bis 2023 im Schnitt pro Jahr zwischen drei und fünf Prozent über dem Markt zulegen. Höheren ­Investitionen setzt der französische Konzern ein Sparprogramm entgegen. Haltenswert.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 110,00 Euro
Stoppkurs: 82,00 Euro

BAE Systems
Überwacher der Armee


Die Briten haben gute Chancen, vom US-Rivalen Raytheon das GPS-Geschäft für knapp zwei Milliarden US-Dollar und jenes mit Flugfunkgeräten für 275 Millionen Dollar zu übernehmen. Die Barkäufe kann sich der Konzern locker leisten. Beide Zukäufe liefern sofort Gewinn, besonders die GPS-Sparte ist margen- und wachstumsstark. Der Waffenhersteller hat viele Langzeitprojekte in der Pipeline, die stetes Wachstum sichern. Donnerstag kommen die Jahreszahlen, der Umsatz soll geschätzt um sechs Prozent geklettert sein.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 9,00 Euro
Stoppkurs: 6,20 Euro