Die Börsen der Schwellenländer holen auf, bleiben jedoch anfällig für Korrekturen. Die besten Fondsmanager können diese Risiken beherrschen. Von Jörg Billina, Ralf Ferken, Stephan Haberer, Julia Pfanner und Stefan Rullkötter
Wirtschaft und Börse laufen nicht immer im Gleichklang. Das zeigt sich bei Schwellenländern wie China oder Indien. Einerseits tragen die Schwellenländer inzwischen insgesamt 60 Prozent zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Im weltweiten MSCI All Countries World Index (ACWI) liegt ihr Anteil dennoch nur bei elf Prozent. Auch viele Anleger gewichten Aktien aus den sogenannten Emerging Markets nur selten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Bedeutung.
Die geringe Gewichtung und Abstinenz der Anleger haben ihre Gründe: Meist schwanken die Börsenkurse in den Emerging Markets stärker als in den Industriestaaten. Besonders der russische und der türkische Aktienmarkt sind hochvolatil. Zudem sind diese Märkte anfälliger für politische Krisen. Beispiel Chile: Dort verlor die Börse allein im vergangenen November 14 Prozent, weil die Bürger massiv gegen den marktliberalen Kurs der Regierung protestieren.
Andererseits bergen die Schwellenländer erhebliche Chancen, weil sie stark aufholen. So packen die Regierungen Brasiliens und Indonesiens etwa notwendige strukturelle Reformen an, was hohe Wachstumsraten zur Folge hat. Auch Indien wächst stark. Die Investmentbank Goldman Sachs traut dem Land im Jahr 2020 ein BIP-Plus von 6,4 Prozent zu. Die wirtschaftliche Dynamik sorgt in den Schwellenländern zudem für steigende Einkommen. So werden in drei Jahren schon 550 Millionen Chinesen einer kaufkräftigen und konsumfreudigen Mittelschicht angehören, schätzt die Unternehmensberatung McKinsey. Das entspricht dem 1,5-Fachen der gesamten US-Bevölkerung.
Zudem gewinnen die Unternehmen aus den Schwellenländern nicht nur zu Hause, sondern auch weltweit Marktanteile. Das gilt für Samsung Electronics aus Südkorea, aber ebenso für den nicht börsennotierten Konzern Huawei. Das chinesische Unternehmen ist binnen weniger Jahre zum Technologietreiber beim 5G-Mobilnetz geworden und strebt Platz 1 in der Rangliste der weltweiten Smartphone-Verkäufer an.
Angst überwinden.
Privatanleger, die bei der Titelauswahl oder Ländergewichtung unsicher sind, können die Kompetenzen erfolgreicher Fondsmanager nutzen. Leon Eidelman und Austin Forey sind für den über sieben Milliarden Euro schweren JP Morgan Emerging Markets Equity Fund verantwortlich, bei dem sie breit gestreut in rund 60 bis 70 Einzelwerte investieren. 38 Prozent des Portfolios haben sie in chinesische Titel wie Alibaba oder Tencent angelegt. Auf indische Werte wie die HDFC Bank entfallen rund 19 Prozent. Aktien aus Brasilien gewichten sie mit 5,4 Prozent, russische Titel mit drei Prozent.Beim UBS China Opportunity investiert Manager Bin Shi dagegen ausschließlich in chinesische Aktien, die in Hongkong oder an den Börsen in Shanghai oder Shenzen gelistet sind. Beim UBS Greater China hält er zudem Aktien aus Taiwan. Auch Shi gewichtet Alibaba und Tencent sehr hoch. Min Lan Tan, Chief Investment Officer bei UBS Global Wealth Management im asiatisch-pazifischen Raum, ist für das laufende Jahr weiterhin optimistisch. Kursgewinne erwartet die Anlagechefin in China insbesondere bei Technologie- und Konsumwerten.
Luiz Ribeiro wiederum steuert seit November 2012 den DWS Latin America Equities. Derzeit favorisiert er Aktien aus Brasilien, die er mit 68 Prozent gewichtet. Auf Mexiko entfallen etwa sieben Prozent, kleinere Positionen hält er zudem in Kolumbien, Peru, Chile und Argentinien. Mit insgesamt 40 Aktien ist sein Portfolio sehr konzentriert.
Die aufstrebenden Märkte in Ost- und Südosteuropa haben Rollo Roscow und Mohsin Memon im Visier, die den Schroder Emerging Europe managen. Sie profitierten im vergangenen Jahr insbesondere von den starken Kurszuwächsen der russischen und der griechischen Börse, die jeweils um rund 50 Prozent zulegten. Trotz der Rally sind viele Titel, die sie ausgewählt haben, aber immer noch günstig bewertet.
Marktcheck
Chancen Für die Schwellenländer sprechen das Wachstum, marktwirtschaftliche Reformen, niedrige Schulden, steigende Einkommen sowie starke Unternehmen.
Risiken Gegen die Schwellenländer sprechen Korruption, volatile Börsen, Leistungsbilanzdefizite und die mitunter hohe Abhängigkeit von den Rohstoffpreisen sowie der sich ausbreitende Coronavirus.