Angestrebt werden unter anderem Software-Updates für Autos der Emissionsklassen Euro 5 und 6, die komplett von den Herstellern bezahlt werden sollen. Mögliche weitergehende technische Abgas-Umrüstungen direkt an Motorbauteilen waren zunächst fraglich. Unmittelbar vor dem Treffen forderte die Politik mehr Bewegung bei den Herstellern. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verlangte von den deutschen Autobauern eine selbst zu finanzierende Umtauschprämie. "Um Fahrverbote zu verhindern, müssen wir möglichst viele alte Diesel von den Straßen bekommen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Unter Verboten würden vor allem Pendler und kleine Handwerker leiden, die sich nicht alle paar Jahre ein neues Auto leisten könnten.
GRÜNE FORDERN VERPFLICHTENDE RÜCKRUFE
Die Grünen mahnten verpflichtende Rückrufe an. "Freiwillige Zusagen reichen nach diesen Skandalen, nach diesem immensen Glaubwürdigkeitsverlust der Automobilindustrie, nicht mehr aus", sagte Parteichef Cem Özdemir. Sollten Umrüstungen Funktionen von Autos einschränken, müssten Besitzer entschädigt werden. Wenn bei älteren Autos Software-Updates nicht reichten und Nachbesserungen an Bauteilen unmöglich seien, "dann muss das Fahrzeug ersetzt werden."
Beschlossen werden sollte bei dem Gipfel auch ein Fonds für weniger Schadstoffe im Stadtverkehr. Die Rede war zuvor von 500 Millionen Euro, an denen sich auch die Autobranche beteiligen sollte. Zusätzlich will die Politik Förderprogramme etwa für den Rad- und Schienenverkehr erweitern. Die Kommunen fordern unter anderem Hilfen für die Nachbesserung bei Bussen.
ÖKOLOGIE UND MOBILITÄT NÄHER ZUSAMMEN BRINGEN
Zum Gipfel eingeladen waren die Chefs von Volkswagen (Volkswagen (VW) vz), Porsche, Audi, Daimler, BMW sowie von Opel und Ford (Ford Motor) in Deutschland. Teilnehmen sollten zudem die Ministerpräsidenten der "Autoländer" Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie die Stadtstaaten Hamburg und Berlin. Diese sind stark von hohem Ausstoß von Stickoxiden (NOx) betroffen.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) als Mit-Gastgeber sagte der "Passauer Neuen Presse" vor dem Treffen, Ziel sei es, Ökologie und Mobilität näher zusammen zu bringen. "Dazu muss die Industrie die Umrüstung von Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen umsetzen." Zudem erwarte er ein "akzeptables Angebot" der Branche für eine Reduzierung der Schadstoffbelastung in Städten. Dobrindt und Umweltministerium Barbara Hendricks (SPD) informierten zuvor auch das Bundeskabinett. Dazu habe es aber "keine Beschlussfassung" gegeben, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer.
PROTESTAKTIONEN
Vor dem Verkehrsministerium, das dicht an einer viel befahrenen Straße liegt, gab es seit dem Morgen Protestaktionen. Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace entrollten vom Dach des Gebäudes ein großes Transparent mit der Aufschrift "Willkommen in Fort NOx" - in Anspielung auf einen zu hohen Ausstoß von Stickoxiden aus Dieselautos. Der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, warf Politik und Branche Kungelei und mangelnde Transparenz vor. Die Verlegung des Tagungsorts passe ins Bild, "Politik in dunklen Hinterzimmern zu machen", sagte er im TV-Sender Phoenix. Dies sei auch "Feigheit" gegenüber Kritik in der Gesellschaft.
VERFASSUNGSRECHTLER: DIESEL-FAHRVERBOT HAT KEINE RECHTLICHE GRUNDLAGE
Fahrverbote für ältere Dieselautos in Stuttgart sind einem Gutachten zufolge nicht zulässig. Ohne gesetzlichen Rahmen auf Bundesebene könnten Landesbehörden solche Maßnahmen nicht anordnen, argumentiert der Verfassungsrechtler Christofer Lenz in einer Analyse im Auftrag des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall.
Die aktuelle Rechtslage erlaube es nicht, Fahrzeuge mit einer grünen Plakette aus einer bestehenden Umweltzone auszusperren - egal ob Diesel oder nicht. Beim Dieselgipfel in Berlin beraten Bund, Länder und die Autobranche am Mittwoch über Nachbesserungen an Millionen Fahrzeugen.
Baden-Württemberg will Fahrverbote eigentlich vermeiden. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte in der vergangenen Woche auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe hin aber entschieden, dass die von den Autobauern angekündigten Nachbesserungen nicht ausreichten, um die Luft zu verbessern. Nur Fahrverbote seien ein wirksames Mittel.
dpa-AFX