Wenn die Corona-Pandemie in den vergangenen Monaten etwas Positives gezeigt hat, dann wohl die Erkenntnis, dass sogar in Deutschland tiefgreifende Veränderungen manchmal ganz schnell gehen können. Bleibt ein Konzern handlungsfähig und produktiv, wenn die ganze Belegschaft von zu Hause aus arbeitet? Ist es möglich, eine Zeitung "remote" zu produzieren? Nehmen Besucher an Events wie dem Münchner Börsentag teil, wenn sie online stattfinden?
Die Antwort lautet: Ja. Auch im Gesundheitssystem hat die Pandemie Entwicklungen beschleunigt, die sich zuvor in beinahe quälender Langsamkeit dahinzogen: Plötzlich dürfen Ärzte und Therapeuten Videosprechstunden abhalten und abrechnen, ja sogar Patienten krankschreiben, die sie nur auf dem Bildschirm gesehen haben. Das E-Rezept kommt nun bis Mitte 2021, in Österreich gab es sogar eine Art Schnelleinführung durch die Hintertür. Innerhalb einiger Monate wurde eine nicht in jeder Hinsicht perfekte, aber solide und datenschutzkonforme Kontaktverfolgungs-App entwickelt.
Mehr Effizienz und neue Märkte
Ähnliche Entwicklungen waren global zu beobachten. Sie sorgen für kräftiges Wachstum in einem Bereich, der ohnehin als äußerst zukunftsträchtig gilt: Digital Health. Digitalisierung kann nicht nur viele Bereiche des Gesundheitssektors effizienter machen, sie schafft auch neue Märkte. Oder kennen Sie Kalmeda, Velibra oder Zanadio? So heißen drei der bisher fünf Gesundheits-Apps, die Ärzte in Deutschland auf Kosten der Krankenkassen an Patienten verschreiben können. Die Programme sollen helfen, Tinnitus, Angststörungen oder Adipositas zu lindern. In den USA wurde im Juni ein Computerspiel für Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHD) zugelassen.
Zahlreiche Börsengänge erwartet
Fondsgesellschaften fassen den Sektor noch um einiges weiter. Chirurgie- Roboter, Glukose-Sensoren für Diabetiker, Biotechnologie und sogar Techkonzerne fallen für sie genauso unter Digital Health wie Telemedizin oder Krankenhaus-IT. Vor allem aber gehen sie von einem nachhaltig wachsenden Universum an investierbaren Firmen aus: "Risikokapitalgeber haben in den vergangenen neun Jahren rund 40 Milliarden Dollar in 2.500 private Digital-Health-Unternehmen investiert, daher rechnen wir über die nächsten Jahre mit zahlreichen attraktiven Börsengängen", sagt Stefan Blum, Manager des BB Adamant Digital Health Fonds.
Deutsche Anleger haben die Auswahl unter drei Digital-Health-Portfolios. Alle drei Fonds haben sich seit ihrer Auflage innerhalb der vergangenen drei Jahre hervorragend entwickelt. Sie unterscheiden sich jedoch leicht in der Gewichtung von Regionen, Sektoren und der Größe der Unternehmen, in die investiert wird, sodass auch ihr Risikoprofil unterschiedlich ausfällt.
Das Dickschiff mit dem meisten Anlegergeld ist der Digital Health Equity von Credit Suisse. Er konzentriert sich auf kleine und mittelgroße Unternehmen, die möglichst reinrassige Digital-Health- Geschäftsmodelle haben. Der Fokus auf kleinere, wachstumsstarke Firmen spiegelt sich in der starken Performance wider, allerdings ist auch die Schwankungsbreite mit 24 Prozent über ein Jahr ziemlich hoch. Die Portfoliomanager Thomas Amrein und Fang Liu investieren auch in Biotechnologie, die bei ihnen unter "Forschung und Entwicklung" fungiert. Über drei Viertel des Fondsvermögens sind in US-Unternehmen angelegt. Die drei Toptitel des mit über 70 Werten breit diversifizierten Portfolios sind der Krebstestanbieter Guardant Health, Insulinpumpenspezialist Dexcom und Novocure, die Tumore mit elektrischen Feldern behandeln.
Etwas konzentrierter, aber mit 88 Prozent noch stärker auf die USA fokussiert, legen Stefan Blum und Marcel Fritsch beim BB Adamant Digital Health an. Die beiden managen auch seit vielen Jahren den sehr erfolgreichen Medizintechnik-Fonds des Schweizer Vermögensverwalters Bellevue. Das merkt man dem Digital-Health-Portfolio auch an, es enthält fast zur Hälfte Unternehmen aus dem Subsektor Healthcare Equipment, worunter vor allem klassische Medtech-Firmen fallen. Grundsätzlich setzen die Manager auf kleine und mittelgroße Firmen, die Volatilität über ein Jahr liegt bei knapp 25 Prozent. Größte Position ist der US-Telemedizinanbieter Teladoc, der dank Corona kräftige Wachstumsraten weltweit erzielt hat. Darauf folgt Pacific Biosciences, eine DNA-Sequenzierungsfirma, und der dänische Medizintechniker Ambu. Der Bellevue-Fonds hat die höchsten Gebühren des Trios.
Gesundheits-IT made in Germany
Apo Asset, der Vermögensverwalter von Deutsche Apotheker- und Ärztebank und Deutsche Ärzteversicherung, hat 2017 als erste Gesellschaft einen Digital-Health-Fonds aufgelegt. Als Einziger investiert er in nennenswerter Größenordnung in Europa beziehungsweise aktuell sogar mit sieben Prozent in Deutschland. Der deutsche Gesundheits-ITler Compugroup Medical zählt zu den Top-Positionen. Zum Portfolio dürfen auch große Techkonzerne beigemischt werden, die im Bereich Digital Health investieren. Das führt zu geringeren Schwankungen (20 Prozent über ein Jahr), geht aber auch etwas zulasten der Dynamik bei der Rendite.