Der Lockdown zeigt deutlich: Infrastruktur bedeutet mehr als Straßen und Autobahnen. Auch die digitalen Datenwege müssen gut ausgebaut sein. Denn seit Monaten gibt es in vielen Familien Zoff ums schnelle Internet. Wer ist gerade in welchem Videocall? Warum fliegt die Tochter aus der Homeschooling-Anwendung, wenn die Mutter im Büro ein Zoom-Meeting beginnt? Und wieso gefriert plötzlich das Bild beim Netflixen?
Die Antwort ist simpel: Der flächendeckende Breitbandausbau von einem Gigabit, das sind 1000 Megabit pro Sekunde (Mbit/s), ist vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bis 2025 zwar angestrebt, aber noch längst nicht Realität.
Die sogenannten weißen Flecken, Gebiete, die eine Internetgeschwindigkeit von weniger als 30 Mbit/s aufweisen, haben besonders unter dem schleppenden Netzausbau zu leiden. "Insbesondere die Zukunft von Unternehmen in diesen besonders schlecht versorgten Regionen steht auf dem Spiel", warnt Süleyman Karaman, Bereichsleiter B2B des Netzanbieters Deutsche Glasfaser. "Damit unsere Wirtschaft international wettbewerbsfähig bleibt, warten wir nicht darauf, bis der Staat den Glasfaserausbau organisiert. Während alle anderen über die schönen Möglichkeiten der Digitalisierung sprechen, bauen die privaten Netzbetreiber mit starken Investoren im Rücken jetzt gerade das Fundament für unsere wirtschaftliche Zukunft."
Zwar entwickelt sich die Technologie weiter: von DSL (Digital Subscriber Line) über das schnellere 100-Mbit/s-VDSL bis hin zum VDSL2 mit Übertragungsraten von maximal 250 Mbit/s. Dennoch basiert diese Technik auf einfachen elektrischen Kupferleitungen. Deren einziger Vorteil: Sie liegen bereits in der Erde. Der Nachteil: Die Bandbreite sinkt, je länger die Leitung ist. Die Leistungsfähigkeit reduziert sich auf ein Viertel, wenn sich die Kabellänge verdoppelt. Hinzu kommen Störsignale und sogenanntes "Übersprechen" durch die Übertragung naheliegender Kabel.
Übergangslösung VDSL
Das sogenannte "Vectoring" (dafür steht das V in VDSL) verbessert zwar die Leistung der Kupferkabel durch Kanalcodierung. Doch: "Letztendlich ist das nur ein ‚Aufbohren‘ der alten Technologie, die allein materialtechnisch ihr Geschwindigkeitslimit erreicht hat", bewertet Karaman die VDSL-Varianten. Sein Fazit: "Es ist und bleibt eine Brückenlösung." Von dem politisch angestrebten "Turbo-Internet" ist man mit dieser Technologie meilenweit entfernt.
Das erreichen nur reine Glasfaserleitungen: Hier werden Daten optisch, in Form von Licht, übertragen. Störende Einflüsse oder Signalverluste werden minimiert. Die Länge des Kabels spielt zudem keine Rolle für die Performance. Die optischen Leitungen punkten durch eine gleich hohe Datenrate im Download wie im Upload. Laut den University Colleges in London sind Bandbreiten bis zu 178 Millionen MBit/s möglich.
Auch 5G braucht die Glasfaser
Der Mobilfunkstandard 5G ist für Karaman keine Alternative. "Auch 5G-Mobilfunkantennen müssen durch Glasfaserkabel erschlossen und gekoppelt werden. Wir sprechen hier von 10 000 Standorten - und mehr." Im direkten Vergleich punktet Glasfaser gegenüber 5G bei den Kosten, ist verlässlicher in der Bandbreite und unabhängig von witterungsbedingten Störungen. Für Glasfaserexperten ist 5G auch in den Städten keine gute Alternative. Beide Technologien decken unterschiedliche Anwendungsfelder ab oder ergänzen sich. In ländlichen Regionen ist Glasfaser ohnehin der klare Favorit.
Dass die Bundesregierung den Ausbau mit elf Milliarden Euro fördert, reicht allein nicht, um den Netzausbau zu beschleunigen. Dazu müssen private Netzbetreiber und die Politik Hand in Hand agieren. Aber wer sind diese Netzbetreiber, und wie gehen sie beim Breitbandausbau in Deutschland vor?
Die Unternehmensgruppe Deutsche Glasfaser baut bundesweit Glasfasernetze vorwiegend in ländlichen Regionen: Das Unternehmen fokussiert sich auf Fibre-to-the-Home-Anschlüsse (FTTH) und will mit einem Investitionsvolumen von sieben Milliarden Euro mittelfristig rund sechs Millionen Haushalte anbinden. Die berühmte "letzte Meile" vom Verteilerkasten bis ins Haus gilt als Engpass. Es hilft wenig, wenn die Leitung bis zum Verteiler aus leistungsstarker Glasfaser ist, die weitere Datenübertragung jedoch per digitaler Schneckenpost über Kupfer erfolgt. Die Lösung: ein reiner Glasfaseranschluss bis ins Haus oder ins Unternehmen.
Die Investoren hinter Deutsche Glasfaser sind der schwedische Finanzinvestor EQT und der kanadische Pensionsfonds Omers. Ersterer ist eine börsennotierte Gesellschaft, die eine weitreichende Expertise im Bereich Glasfaser besitzt, etwa durch Beteiligungen an Zayo in den USA oder GlobalConnect in Schweden. Der Titel notiert im Jahresvergleich knapp 90 Prozent im Plus und lief deutlich besser als der Vergleichsindex Stoxx 600.
Auch die Deutsche Telekom hat große Glasfaserpläne. Bis 2024 will der Konzern das Geschäft mit Investitionen von 2,5 Milliarden Euro jährlich vorantreiben. "Das wird die größte Investition in unserer Geschichte", sagt Vorstandschef Tim Höttges. Der Aufwand sei hoch, digital vernetzte Verlegeroboter helfen jedoch, den Ausbau effizienter und schneller zu gestalten. Der Vorteil der Telekom gegenüber der Konkurrenz: Sie hat durch den Fokus auf Städte weniger Kilometer Kabel zu verbauen als die Konkurrenz auf dem flachen Land. Im Vordergrund stehen Vorzeigeprojekte mit Kooperationspartnern wie die Gigabit-Region Stuttgart.
Charttechnisch gesehen, ist die T-Aktie aus dem Seitwärtstrend nach oben ausgebrochen, hat die 17-Euro-Marke geknackt und wird wegen des positiven Ausblicks und der starken Zahlen der Tochter T-Mobile US von Analysten überwiegend zum Kauf empfohlen.
Die spanische Telefónica steigt gemeinsam mit dem Versicherungskonzern Allianz in den deutschen Markt ein. Ein Glasfaser-Joint-Venture soll mit rund fünf Milliarden Euro in den nächsten sechs Jahren ein eigenes Netz aufbauen und etwa 2,2 Millionen Haushalte in ländlichen Regionen anschließen. Ein ähnliches Modell wie das der Deutschen Glasfaser, allerdings hat diese einen zeitlichen Vorsprung. Telefónica Deutschland (O2) profitiere als erster Großkunde vom neuen Netz, heißt es in einer Presseerklärung. Gleichzeitig kommen immer wieder Streitigkeiten über das National Roaming, einen wesentlichen Umsatztreiber von Telefónica Deutschland, mit 1 & 1 auf. Die Analystenmeinungen zur Aktie sind deshalb gespalten: Kauf und Verkaufsempfehlungen halten sich in etwa die Waage.
Während andere in den Markt drängen, steigt Vodafone aus. Die Briten gaben im November bekannt, man werde Teile der Glasfasersparte umwidmen. Als Grund vermuten Branchenkenner eine Fokussierung auf den ebenfalls kostspieligen Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes.
Auch Versorger wie die Stadtwerke München (M-Net), die GEW Köln (Netcologne) oder die norddeutsche EWE spielen beim Glasfaserausbau eine Rolle, sind aber für Aktionäre nicht investierbar. Ähnlich ist es bei Tiefbauunternehmen, die die Kabel in die Erde bringen. Diese haben zwar Hochkonjunktur, sind aber meist gutgehende Mittelständler.
Ein Milliardenmarkt
Bleibt ein Blick aufs Material: Einer der größten Player ist das US-Unternehmen Corning. Trotz leichter Rücksetzer notiert die Aktie Ende Juni innerhalb eines intakten langfristigen Aufwärtstrends und in Reichweite des Zehnjahreshochs. Als Kursziel sehen die meisten Analysten die Marke von 44 US-Dollar, was einem Anstieg um zehn Prozent entspräche.
Schnittstellentechnik für mehr Bandbreite liefert Adva Optical Networking aus Martinsried bei München. Das Unternehmen profitiert gleich doppelt, sowohl vom Glasfaser- als auch vom 5G-Ausbau. Die Fokussierung auf margenstarke Segmente und Kostensenkungen spiegelten sich zuletzt in den Quartalszahlen wider: Der Umsatz stieg um neun Prozent, das Ergebnis je Aktie drehte von minus 0,12 Euro im Vorquartal auf plus 0,22 Euro. Auch für das zweite Quartal und das Gesamtjahr zeigt sich der Vorstand optimistisch: Die Marge vor Zinsen und Steuern (Ebit) soll 2021 bei sechs bis zehn Prozent landen.
Im Hinblick auf Sicherheitsbedenken bei chinesischen Anbietern spricht der Made-in-Germany-Faktor für den lokalen Netzwerkausrüster. So verwundert es nicht, dass die SDAX-Aktie aktuell auf einem Fünfjahreshoch notiert.
Auf einen Blick
High-Speed-Internet
Bandbreite Fehlanzeige Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BVMI) spricht zwar vom "Turbo-Internet", doch im halbstädtischen und ländlichen Bereich gibt es diesbezüglich in Deutschland noch viele weiße Flecken auf der Landkarte.