Kunst wird immer mehr als eine eigene Anlageklasse wahrgenommen. Gefördert wird diese Entwicklung auch vom Niedrigzinsumfeld, denn wenn das Ersparte schon keinen Zinsertrag abwirft, dann fällt es umso leichter, das Geld woanders anzulegen. Angeschoben wird dieser Trend aber auch von den Rekordergebnissen, die in dem Segment erzielt werden. Laut dem Wirtschaftsprüfer Deloitte wurden 2013 auf dem weltweiten Kunstmarkt rund 50 Milliarden Euro umgesetzt und 2014 dürften es noch einmal spürbar mehr gewesen sein.
Es herrscht folglich Aufbruchsstimmung und auch auf der Seite von www.artinvestor.de wimmelt es nur so an Nachrichten über neue Verkaufsrekorde. Alleine im Februar gab es Berichte über Weltrekordpreise für Adolf Luther oder einen neuen Auktionsrekord für Gerhard Richter. Zudem heißt es, das Auktionshaus Sotheby’s habe beim "Impressionist, Modern & Surrealist Evening Sales" mit einem Gesamtumsatz von 242 Millionen Euro die höchste Summe erzielt, die je am Standort London in einer Kunstauktion umgesetzt wurde.
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Kunst auch in Davos ein Thema
Viele Kunstsammler und -käufer erwerben die Objekte zwar weiterhin primär aus persönlicher Leidenschaft, aber es steigt auch die Anzahl jener Marktteilnehmer, die Kunst zunehmend als wertvolle Investition in eine anerkannte Asset-Klasse verstehen. Laut Deloitte Art & Finance Report ist der Anteil dieser Gruppe von 53 Prozent im Jahr 2012 auf 76 Prozent im Jahr 2013 gestiegen. Debattiert wird über Kunst inzwischen auch auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, wo sich sonst Wirtschaftsbosse und Politiker eher mit weltpolitischen Problemen beschäftigen. Bei der diesjährigen Veranstaltung hat dort im Januar unter anderem auch Nouriel Roubini, der vor allem auch als "Dr Doom" bekannt ist, weil er frühzeitig vor dem Zusammenbruch des US-Hypothekenmarktes warnte, zu diesem Themenkomplex einen Vortrag gehalten.
Der angesehene Volkswirt, der eine Professur an der zur New York University gehörenden Stern School of Business innehat und Gründer und Vorsitzender von Roubini Global Economics ist, bezeichnet die Kunstwelt als eine Herzensangelegenheit. Bei seinem Vortrag in Davos vertrat er zum Kunstmarkt die folgenden drei Hauptthesen: Kunst ist erstens eine neue und eigenständige Anlageklasse. Zweitens gibt es auf dem Kunstmarkt einige wichtige Störungen, die auf einige zwielichtige Verhaltensweisen auf dem Kunstmarkt hinweisen. Drittens besteht Bedarf an Regulierung und Reform in dem Segment. Auf die beiden letztgenannten Thesen gab es, wie nicht anders zu erwarten war, anschließend auch zahlreiche Reaktionen, zumal sich das Segment schon länger mit Vorwürfen wie Insiderhandel, Preismanipulationen und Geldwäsche konfrontiert sieht.
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Kunst als eigenständige Anlageklasse
Roubini geht es aber zunächst einmal darum zu erklären, warum er Kunst als eine eigenständige Anlageklasse sieht und warum über das Segment auch in dieser Kategorie gedacht werden sollte. Zunächst ist es ihm aber auch wichtig darauf hinzuweisen, dass für ihn persönlich Kunst mehr ist als nur eine Asset-Klasse. Schließlich sei es unmöglich, Schönheit nur auf eine einfache Transaktion zu reduzieren. Seit vielen Jahren trete er auch selbst als Kunstsammler auf, wobei er den Wert einer Arbeit eher an ästhetischen als an finanziellen Aspekten misst. Trotzdem sei aber unverkennbar, dass ein Großteil der Kunstwelt auch viel mit Geschäfte machen zu tun habe.
Als Anlageklasse ist Kunst laut Roubini aus vielerlei Gründen einzustufen. So sei der Kunstmarkt extrem groß. Niemand wisse zwar wie groß, weil es oft keine griffige oder transparente Berichterstattung über die Transaktionen gibt. Es gebe Schätzungen, die das Volumen von verkaufter Kunst auf bis zu 70 Milliarden Dollar bezifferten. Sotheby's habe zum Auftakt der Herbstauktionen mit 423,1 Millionen Dollar einen neuen Rekord aufgestellt. Am Wochenende sei außerdem beispielsweise für ein Bild des Post-Impressionisten Paul Gauguin mit einem Verkaufspreis von 300 Millionen Dollar ein neuer Rekord markiert worden. Gemessen daran und unter Berücksichtigung dessen, was weltweit sonst noch so in dem Bereich umgesetzt werde, falle es ihm nicht schwer, die Marktkapitalisierung der Assetklasse auf annähernd eine Billion Dollar zu taxieren.
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Kritik an steuerlicher Bevorzugung
Kunst werde auch immer oft als Portfolio-Investment eingesetzt. Es werde in Kunst investiert, weil man an bedeutsame Erträge aus einem solchen Investment glaube. Ein Teil davon werde auch von den steuerlichen Vorteilen getrieben, die Kunst oftmals genieße und die Roubini in Davos als Mittel zur Vermeidung und Umgehung von Steuer kritisierte. Die steuerliche Behandlung unterscheide sich zwar von Land zu Land, aber allgemein gesprochen fielen die Kapitalgewinnsteuer vorteilhaft aus und das gelte auch für das Vererben von Kunst. Ganz besonders treffe dies auch auf die USA zu und die Tatsache, dass die USA als Kunstmarkt weltweit führend geworden sei, habe viel mit der steuerlichen Behandlung von Kunst zu tun. Allerdings seien die steuerlichen Vorgaben sehr komplex. Die bundesstaatliche Steuerbehörde IRS habe verschiedene Regeln für verschiedene Arten von Kunstbesitzern aufgestellt. Diese unterschieden zwischen Sammlern, Händlern und Investoren.
Auch die Renditen, die sich mit Kunst erzielen lassen, seien bedeutsam. So behaupten Jianping Mei und Michael Moses, die beiden Akademiker die hinter den Mei Moses Indizes stecken, mit denen sich die Bewertung von Kunst messen lässt, dass die langfristigen Renditen mit Kunst vergleichbar mit jener bei Aktien sein kann. Aber natürlich sei es schwierig, solche Vergleiche mit hoher Genauigkeit zu berechnen. Zumal im Falle der Kunst auch Kosten in die Berechnung einbezogen werden müssten. Etwa Kosten für Versicherungen, den Erhalt, dem Transport und der Lagerung, alles Kosten die bei Aktien in dieser Form keine große Rolle spielen. Zudem stehe der Vorwurf im Raum, Kunst-Indizes seien durch Voreingenommenheit bei der Auswahl der Index-Vertreter verzerrt, weil sie nur Künstler beinhalten, die es bis in die Auktionssäle geschafft haben. Allerdings gilt das laut Roubini auch für die Zusammensetzung von Aktienindizes. Firmen die sich gut entwickeln, schaffen es in den Dow Jones Industrial Average oder den S&P 500 Index. Diejenigen Unternehmen, die scheitern, werden dagegen aussortiert. Es gebe somit eine ähnliche Voreingenommenheit bei der Selektion.
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Geringe Liquidität ein Problem
Als eigene Anlageklasse stuft Roubini Kunst außerdem auch deshalb ein, weil es in dem Segment viele Marktteilnehmer gibt. Am Kauf und Verkauf von Kunst nehmen unter anderem Galerien, Auktionshäuser, verschiedene Arten von Händlern und Zwischenhändler teil. Einige dieser Marktteilnehmer sind sogar börsennotierte Unternehmen. Beim Sothebys Auktionshaus handelt es sich sogar um das älteste Unternehmen das derzeit an der New Yorker Börse gehandelt wird. Auch Kunstmessen haben sich zu einem großen Geschäft entwickelt. Art Basel ist vielleicht das beste Beispiel für die wachsende Popularität der Kunstwelt. Jedes Jahr strömen Künstler, Prominente und Medienvertreter zu dem Festival, um an diesem Schauspiel teilzunehmen. Durch die Verknüpfung mit anderen Märkten, wie zum Beispiel der Modebranche, haben die Popularität und die Kommerzialisierung der Veranstaltung zuletzt immer weiter zugenommen.
Auch Privatbanken und Finanzinstitute bieten ihren Kunden eine Vielzahl von mit der Kunst verbundenen Dienstleistungen. Diese Banken haben inzwischen spezialisierte Teams, die entsprechende Dienstleistungen für vermögende Privatkunden und Familien bereitstellen. Zu den angebotenen Services zählen Kunstversicherungen, Kunstlagerung und -versand, Kunst-Konservierung und vielleicht am wichtigsten, Kunst-Finanzierungen. Auch die Zahl der Kunst-Fonds nehme deutlich zu. Eine jüngste Schätzung beziffert ihre Zahl auf derzeit mehr als 70. Ihre Bilanz falle bisher gemischt aus, was zum Teil auch mit Liquiditätsengpässe auf dem Kunstmarkt zu tun hat. Eine der großen Herausforderungen beim Investieren in Kunst sei die Illiquidität. Das Fehlen eines wirklich liquiden Marktes trägt zu den Herausforderungen bei, mit denen sich Kunst-Fonds konfrontiert sehen. Um diesen Liquiditätsengpässen zu begegnen, ist viel die Rede von der Schaffung eines Derivate-Marktes, mit dem sich der Wert der in diesen Fonds gehaltenen Vermögenswerte verfolgen lässt.
Traditionelle Kunstauktionshäuser arbeiteten auch immer stärker mit Online-Plattformen zusammen, um sich damit neue Chancen auf dem Kunstmarkt nutzen zu können. Das bemerkenswerteste Beispiel für dieses Phänomen sei die Partnerschaft zwischen eBay und Sotheby 's, die im vergangenen Jahr gegründet wurde, um die globale Reichweite und den Verkauf von Kunst mit digitalen Plattformen zu erweitern.
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Intransparenz eine Herausforderung
Herausgefordert werde der Kunstmarkt auch durch eine bedeutsame Menge an Intransparenz, aber in letzter Zeit war auch eine zunehmende Preistransparenz festzustellen. So gebe es öffentliche Auktionen, welche die Preisfindung offenlegen als auch die bereits erwähnten Kunst-Indizes. Allerdings sei der Markt noch nicht vollständig transparent. Was in der Gleichung noch fehle sei eine Regulierung. Nach Ansicht von Roubini komme aber genau diese Regulierung auf den Kunstmarkt zu. Diese dürften die Markttransparenz erhöhen und vielleicht auch dazu beitragen, die Umsätze zu erhöhen. Insider am Kunstmarkt könnten auf diese Transparenz möglicherweise am liebsten verzichten. Doch wenn man die Regulierung von einer breiteren Perspektive aus betrachte, und nicht nur aus der Sicht der Händler und Galerien, dann stuft Roubini die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Kunstmarkt unter dem Strich als positiv ein. So sei es vorteilhaft, mehr Vertrauen in diese Anlageklasse zu schaffen. Langfristig könnte dies dann vielleicht sogar den Interessen der Kunst-Insider dienen.
An was es am Kunstmarkt fehle sei auch ein Preismodell. Außer von dem seelischen Vergnügen, das Kunst bereite, resultiere aus Kunst kein eindeutiger Einnahmestrom. Andere Anlageklassen verfügten dagegen sowohl über einen Einkommensstrom als auch über die Chance auf Kapitalgewinne. So böten Aktien Dividenden, Anleihen Zinszahlungen und Immobilien Mieteinnahmen. Kunst sei so gesehen enger mit Gold verwandt. Gleichzeitig sei Kust aber weniger liquid und homogen als Gold. Kupfer ist Kupfer, Gold ist Gold. Eine Aktie von Apple oder von General Motors sei immer das Gleiche. Dagegen gleiche ein Kunstwerk nicht einem anderen und selbst für einen einzelnen Künstler gebe es unterschiedliche Messnormen. So gebe es Unterschiede, ob es sich um Bilder oder Zeichnungen handele oder zu welchem Zeitpunkt in Karriere eines Künstlers ein Kunstwerk geschaffen wurde. Durch das fehlende Preisfindungsmodell unterliege Kunst Launen, Moden sowie Manien und es bestehe möglicherweise auch Blasengefahr. Der letztgenannten Gefahr seien allerdings auch Anlageklassen mit einem Preisfindungsmodell ausgesetzt, doch das gelte erst Recht wenn so ein Preisfindungsmodell fehle.
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Auch der Kunstmarkt war in der Vergangenheit keine Einbahnstraße
Zur viel diskutierten Frage, ob sich der Kunstmarkt aktuell in einer Blase befindet und ob eine möglicherweise existierende Blase kurz vor dem Platzen sei, meint Roubini folgendes: Die Tatsache, dass Kunst nicht nur auf eine rein fundamentale Bewertungsbetrachtung reduziert werden kann, macht eine Beantwortung dieser Fragen komplizierter. Trotz dieser Unsicherheit gebe es diejenigen, die sagen, " dieses Mal ist alles anders." Das sind diejenigen, die glauben, dass die vielzitierten Kräfte der Globalisierung dazu beitragen, eine ganz neue Klasse an wohlhabenden Einzelpersonen zu schaffen, von denen sie wiederum glauben, so könnten in Kunst sowohl aus ästhetischen Gründen als auch zu Anlagezwecken investieren.
Doch Roubinin hält es in diesem Zusammenhang für erwähnenswert, dass es auch in der Vergangenheit auf dem Kunstmarkt Auf- und Abschwünge gegeben habe. So sei in den 90er-Jahre ein großer Abschwung zu registrieren gewesen und Ende der 1980er Jahre habe es eine Gruppe von Künstlern gegeben, deren Stern verglimmte und bei denen der Wert ihrer Kunst stark zurückging. Am Ende gebe es immer wieder Modeerscheinungen. Jeder will die Arbeiten des neuesten In-Künstlers besitzen. In der Kunst wie in allem anderen will jeder das haben, was gerade am meisten glänze. Man darf gespannt sein, was auf diese Glitzerwelt in den kommenden Jahren zukommt. Handlungsbedarf scheint nach Ansicht von Roubini jedenfalls genug zu bestehen.
Reuters