"Wenn die Konjunktur anzieht, werden wir graduell vorgehen müssen, wenn wir unsere geldpolitischen Parameter anpassen," sagte der Italiener. So die EZB will die sicherstellen, dass ihr Kurs bei fortbestehenden Unsicherheiten die wirtschaftliche Erholung weiter unterstützt.

Die EZB hatte jüngst bereits einen kleinen Schritt in Richtung Kurswende gewagt, indem sie die bislang stets erwähnte Option auf noch tiefere Zinsen aus ihrem Ausblick strich.

Draghis neue Äußerungen sorgten für Bewegung an den Märkten. Der Euro baute seine Gewinne aus markierte bei 1,1283 Dollar ein neues Zwei-Wochen-Hoch Dollar. "Es war ein anderer Zungenschlag von Draghi", sagte Daniel Lenz, Analyst bei der DZ Bank. Der EZB-Präsident habe mehr die positive Entwicklung der Konjunktur in den Vordergrund gestellt als bisher und das Vorübergehende bei den Inflationsrisiken betont. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer und sein Kollege Michael Schubert gehen einen Schritt weiter: "Mario Draghi hat heute signalisiert, dass die EZB prinzipiell zu einer etwas weniger expansiven Geldpolitik bereit ist", so die Experten.

Aus Sicht des EZB-Chefs gewinnt der Aufschwung in der Euro-Zone immer mehr an Kraft. "Alle Zeichen deuten nun auf eine Festigung und Verbreiterung der Erholung in der Euro-Zone hin", sagte er. Auch bei der Inflation sieht Draghi eine positive Entwicklung. Denn die den Preisauftrieb wieder anschiebenden Kräfte hätten inzwischen die deflationären Faktoren ersetzt. Es gebe zwar immer noch Faktoren, die auf der Preisentwicklung lasteten. "Gegenwärtig sind das vor allem temporäre Faktoren, durch die eine Zentralbank typischerweise hindurchschauen kann."

Setzt sich die Erholung fort, wird Draghi zufolge bei unveränderter Geldpolitik die EZB-Ausrichtung sogar expansiver. Ein vorsichtiges Zurückfahren der Maßnahmen würde die Zügel daher nicht wirklich straffen. Die EZB strebt knapp zwei Prozent Inflation als Idealwert für die Wirtschaft an. Davon ist sie mit einer Teuerung von 1,4 Prozent im Mai aber noch ein gutes Stück entfernt. Trotz aller Zuversicht hält Draghi daher ein erhebliches Ausmaß an geldpolitischer Lockerung immer noch für nötig, damit die Inflationsdynamik dauerhaft und selbsttragend wird.

Die Geldschleusen in der Euro-Zone stehen nach wie vor weit offen: Der Leitzins liegt auf einem historischen Tief vom Null Prozent. Zudem erwerben die EZB und die nationalen Euro-Notenbanken für rund rund 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Die Käufe sollen noch bis mindestens Ende Dezember fortgesetzt werden und dann ein Gesamtvolumen von 2,28 Billionen Euro erreichen. Volkswirte erwarten, dass die EZB im Herbst entscheidet, wie es mit den Käufen nach 2017 weitergeht.

rtr