Ebenfalls am Dienstag wollen die Ukraine und Russland ihre Gespräche über eine Waffenruhe fortsetzen. Aus mehreren ukrainische Städten kamen Berichte über neue russische Raketenangriffe. Unterdessen beschloss die Europäische Union ein viertes Sanktionspaket, das Investitionen in den russischen Energiesektor sowie den Export von Luxusgütern nach Russland verbietet.
Der am 24. Februar mit der russischen Invasion begonnene Krieg stehe an einem Scheideweg, sagte ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Entweder werde man nun verhandeln können oder aber Russland werde zu einer zweiten Offensive ansetzen, sagte Olexij Arestowitsch. In der Nacht zu Dienstag wurde Beschuss auch auf Kiew gemeldet. Vor Morgenaufgang soll es zwei Explosionen gegeben haben. Hilfskräfte sprachen von zwei Toten nach dem Angriff auf ein Wohngebäude. Bürgermeister Vitali Klitschko verkündete eine nächtliche Ausgangssperre.
Zu der umzingelten Hafenstadt Mariupol im Süden des Landes soll nach Angaben der stellvertretenden Ministerpräsidentin Irina Wereschuk ein erneuter Hilfskonvoi starten. Die Regierung in Moskau hatte am Montag zwar einen Fluchtkonvoi aus der Stadt zugelassen, nach ukrainischen Angaben aber einen Konvoi mit Hilfsgütern für die eingeschlossnen Bevölkerung blockiert. In Mariupol sollen nach ukrainischen Angaben mittlerweile mehr als 2500 Zivilisten getötet worden sein. Die Stadt gilt als entscheidend für einen russischen Versuch, einen Landkorridor von Russland bis zur annektierten ukrainischen Halbinsel Krim herzustellen. Wereschuk kündigte an, dass man Hilfskorridore zu insgesamt neun angegriffenen ukrainischen Städten organisieren wolle.
Die russische Invasion ist der größte Angriff auf einen europäischen Staat seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Ukraine und der Westen sprechen von einem Angriffskrieg von Russlands Präsident Wladimir Putin. Russland bezeichnet sein Vorgehen dagegen als "Sondereinsatz", der nicht darauf abziele, ein Territorium zu besetzen, sondern die militärischen Kapazitäten des Nachbarn zu zerstören und als gefährlich eingestufte Nationalisten zu fassen.
Es soll bereits zehntausende von Soldaten und Zivilisten gestorben sein. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte von Putin am Montag bei einem Besuch in der Türkei eine sofortige Waffenruhe verlangt und hinzugefügt: "Mit jedem Tag, mit jeder Bombe entfernt sich Russland mehr aus der Weltgemeinschaft, die wir teilen."
China als enger Verbündeter Russlands hat die Invasion bisher nicht kritisiert. Die Führung in Peking beschuldigte die USA am Dienstag der Desinformation, nachdem unter Berufung auf amerikanische Regierungskreise am Montag berichtet worden war, dass Russland China um Militärhilfe in der Ukraine gebeten habe. Die US-Regierung warnte Peking ihrerseits vor einer solchen Hilfe.
rtr