Das EuGH-Dieselurteil: Was es für Dieselfahrer und für Mercedes bedeutet. Und wie geht es mit der Mercedes-Aktie weiter?
Die juristische Aufarbeitung des Dieselskandals geht mehr als sieben Jahre nach seinem Auffliegen in eine neue Dimension. In einem richtungsweisenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) einem Dieselfahrer im Streit mit dem Autobauer Mercedes-Benz recht gegeben. Nach dem Urteil könnte Autobesitzern deutlich mehr Schadenersatz zustehen als bislang angenommen. Ein Kunde hat demnach grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz, wenn in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Abgasreinigung eingebaut und ihm dadurch ein Schaden entstanden ist. Der Hersteller haftet nicht nur bei Betrug, sondern auch bei fahrlässigem Handeln.
Die Richter gehen in dem Urteil deutlich über die bisherige eher industriefreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hinaus, der derartige Ansprüche bislang abgewiesen hat. Viele Klagen scheiterten, weil dem Autobauer allenfalls Fahrlässigkeit vorgeworfen werden konnte. Dem EuGH-Urteil zufolge haften Hersteller aber auch bei fahrlässiger Täuschung ohne Betrugsabsicht. Im Mercedes-Fall ging es um die Zulässigkeit sogenannter „Thermofenster“, also eines Teils der Motorsteuerung, der bei kühleren Temperaturen die Abgasreinigung drosselt.
Beobachter gehen davon aus, dass das Urteil Folgen haben wird für eine ganze Reihe von Verfahren in allen Instanzen, die mit Blick auf die Entscheidung aus Luxemburg auf Eis gelegt wurden. Allein beim BGH sollen mehr als 1000 Verfahren zur Abgasreinigung bei Dieselmotoren offen sein. Allerdings lässt auch das EuGH-Urteil Fragen offen, etwa wann eine Abschalteinrichtung illegal ist oder wie hoch die Entschädigung ausfällt.
Mercedes: "Abwarten"
Verbraucheranwälte erwarten, dass sich die Erfolgsaussichten von Dieselfahrern deutlich verbessert haben und Schadenersatzansprüche besser durchgesetzt werden können. Darüber hinaus sehen sie die Grundlage für eine neue „Klagewelle“.
Mercedes-Benz reagierte auf das Urteil zurückhaltend. „Wie nationale Gerichte die Entscheidung des EuGH in Bezug auf das nationale Recht anwenden werden, bleibt abzuwarten“, sagte eine Sprecherin gegenüber Börse Online. Dies betreffe sowohl die Voraussetzungen für eine Haftung, also Mangel, Fahrlässigkeit oder Schaden, als auch die Rechtsfolgen.
Der EuGH habe aber klar betont, dass es nur um den Schaden gehe, der einem Käufer tatsächlich entstanden ist. Zudem müsse eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegen, was im vorliegenden Fall strittig sei. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung oder manipulative Abschalteinrichtungen seien nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. „Mercedes-Benz-Fahrzeuge, die im Rahmen eines Rückrufs ein entsprechendes Software-Update erhalten haben, können dauerhaft weiter uneingeschränkt genutzt werden“, ergänzte die Konzern-sprecherin.
Autoexperte: "Altlasten"
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer bezeichnete das EuGH-Urteil gegenüber Börse Online als „keine schöne Sache für Mercedes und die Luxus--Story von Mercedes“. Das Urteil betreffe Altlasten aus dem Dieselskandal, die sicher in den Rückstellungen berücksichtigt seien. Dennoch riefen diese Vorgänge einen dunklen Image-Fleck der Vergangenheit von Mercedes wieder ins Gedächtnis. „Aus dieser Perspektive denke ich, dass Mercedes eher in Kompromisse mit den Besitzern geht, denn jeder Gerichtsprozess macht den dunklen Fleck erneut sichtbar.“ Von daher werde wohl Mercedes auf alle Besitzer mit Klageattitüden zugehen und eine „stille Lösung“ suchen. „Die große Gewinner der EuGH-Entscheidung aber sind die Rechtsanwälte. Da klingelt die Kasse.“
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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Mercedes-Benz.