Ziemlich erleichtert zeigt sich Klaus Kaldemorgen über den jüngsten Kursrücksetzer im DAX. Die Rally seit Jahresbeginn sei übertrieben gewesen, meint er. Seit über zwei Jahrzehnten zählt der DWS-Fondslenker zu den bekanntesten Köpfen der Branche. Der "Fondsmanager des Jahres 2015" betreute lange Zeit die Flaggschifffonds der Deutschen-Bank-Toch- ter DWS, den Vermögensbildungsfonds I und den Akkumula. Nach zuletzt schwacher Performance gab er die Verantwortung bei den beiden Fonds ab und wagte den Neustart mit dem DWS Concept Kaldemorgen. Mit einem Plus von 35 Prozent seit Auflage des Fonds schlug er sich bislang durchaus achtbar.
Nachdem der DAX über 12 000 Punkte geklettert war, haben Sie auf dem "Tag der Fondsmanager" Ende März vor einem Überschießen an den Aktienmärkten gewarnt. Fühlen Sie sich angesichts der jüngsten Korrektur bestätigt?
Die jüngste kleine Korrektur war überfällig. Was wir seit Jahresbeginn gesehen haben, war übertrieben. Selten gab es eine so hohe Abweichung des DAX von der 200-Tage-Linie. Auslöser der Korrektur waren der steigende Ölpreis und die anziehenden Zinsen, die manche Anleger auf dem falschen Fuß erwischten. Die Kursrückgänge fallen zudem in das saisonale Bild der Aktienmärkte: In den ersten drei Monaten entwickeln sich historisch betrachtet die Märkte meistens freundlich, dann schwächeln sie in den Sommermonaten. Jeder versucht, Gewinne mitzunehmen. Wie es mit den Aktienkursen nun weitergeht, hängt von der Zinsentwicklung ab.
Rechnen Sie mit der US-Zinswende im Spätsommer?
In den USA wird vermutlich die Zinswende im September erfolgen. Und selbst in Europa ist der Tiefpunkt erreicht. Wir haben die tiefsten Zinsen bei Staatsanleihen gesehen!
Wie haben Sie den jüngsten Blitzcrash am Anleihemarkt erlebt? Ist so etwas noch normal?
Vom Niveau her ist nicht viel passiert. Aber die Richtungsänderung war schon deutlich. Die Fahrt Richtung Negativzinsen ist gestoppt.
Auf Seite 2: USA oder Europa: Wo Klaus Kaldemorgen die besseren Perspektiven sieht
Sehen Sie auch in naher Zukunft mehr Potenzial für europäische als für US-Aktien?
In Europa wurden die (konjunkturellen) Erwartungen seit Jahresbeginn mehrfach übertroffen, in den USA eher enttäuscht. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, bin ich zuversichtlich für europäische Aktien. Allerdings sind die kurstreibenden Effekte wie der schwache Euro und der niedrige Ölpreis in jüngster Zeit zum Erliegen gekommen.
Wie groß ist die Belastung durch das griechische Schuldendrama?
Sollte das griechische Problem ohne faulen Kompromiss gelöst werden, wären die europäischen Aktienmärkte ein wenig entlastet. Ein einseitiges Schuldenmoratorium wäre dagegen negativ.
Auf Seite 3: Wie sich die milliardenschwere EZB-Anleihekäufe tatsächlich auf den Markt auswirken
Die europäischen Konjunkturindikatoren fielen zuletzt recht freundlich aus. Zeigt das EZB-Anleihekaufprogramm, auch Quantitative Easing (QE) genannt, tatsächlich Wirkung?
Die Konjunkturerholung in Europa hatte bereits vor dem EZB-Anleihekaufprogramm begonnen. Vor allem der schwächere Ölpreis und die Euroschwäche dürften für die wirtschaftliche Belebung in Europa verantwortlich sein. Weder der Euro noch die europäische Zinslandschaft haben sich seit dem Start des Kaufprogramms maßgeblich geändert.
Hat die EZB also zu spät gehandelt?
Es fällt schwer, den zusätzlichen Nutzen des QE-Programms zu erkennen. Ursprünglich war das Anleihekaufprogramm der EZB dazu gedacht, einer befürchteten Deflation entgegenzuwirken. Der zwischenzeitliche Anstieg des Ölpreises hat die Deflationsdebatte beendet. Die Inflation wird künftig wieder spürbar zunehmen. Eine Diskussion über die Notwendigkeit und über eine vorzeitige Beendigung des Kaufprogramms wird gerade auf den Zinsmärkten zu einer zunehmenden Unruhe führen.
Finden Sie es nicht befremdlich, wie stark DAX und Dow inzwischen von der Währungsentwicklung abhängen?
Die Korrelation fester Dollar - schwacher Aktienmarkt hat sich umgekehrt. Steigt der Dollar, steigt der DAX. Nun hat der Euro wieder an Stärke gewonnen und den DAX nach unten gedrückt. Dass diese Währungsturbulenzen so weitergehen, bezweifle ich. Sollte sich der Euro nun auf seinem Niveau einpendeln, werden sich die Märkte auch wieder stärker auf realwirtschaftliche Faktoren fokussieren.
Wie schwierig wird es künftig, einen wirklichen Mischfonds zu führen - wenn Anleihen kaum noch Zinsen abwerfen? Funktioniert Multi-Asset auch ohne Zinsen? Werden Mischfonds bald nur noch eine Mischung aus Aktien, Gold, Währungen und Cash sein?
Anleihen sind auch nach dem Anstieg der Renditen bei längeren Laufzeiten nicht interessant. Somit verbleiben Aktien und Währungen als bevorzugte Anlageklassen. Die damit verbundenen Risiken müssen jedoch möglichst flexibel über Cashpositionen ausbalanciert werden. Mischfonds können Performance zum Beispiel über eine flexible Steuerung der (Netto-)Aktienquote erzielen und so von höherer Volatilität profitieren. Gold ist für einen Mischfonds vor allem zur Diversifizierung interessant, da es wie ein Stoßdämpfer auf die Schwankungen an den Kapitalmärkten wirkt. Wichtig für einen Multi-Asset-Fonds ist auch, die Korrelation zwischen unterschiedlichen Anlagen zu analysieren. So geht zurzeit ein schwacher Dollar einher mit schwachen europäischen Aktien. Dies war nicht immer so. Solche additiven Risiken müssen dann entsprechend reduziert werden, also entweder weniger Dollar im Portfolio oder weniger deutsche beziehungsweise europäische Aktien.
Wie hoch ist Ihre Aktienquote derzeit? Und wie stark sind Sie in andere Anlageklassen diversifiziert?
Aktuell schwankt die Nettoaktienquote zwischen 25 bis 35 Prozent. 20 Prozent meines Portfolios ist in Anleihen mit einer Laufzeit von über einem Jahr investiert, 15 Prozent in Dollar, ein kleiner Teil in Schweizer Franken und britischen Pfund sowie vier Prozent in Gold.
Auf Seite 4: Welche Sektoren aktuell besonders interessant sind
Welche Sektoren bevorzugen Sie bei Ihren Aktienanlagen?
Ich bin positiv gestimmt für Konsumtitel, die an der Binnenkonjunktur in Europa hängen. Exportorientierte Aktien würde ich derzeit eher meiden. Größtes Potenzial sehe ich in naher Zukunft für Finanzwerte, insbesondere für ausgewählte europäische Banken. Diese profitieren von einer besseren Konjunktur Europas und einer zunehmenden Nachfrage nach Krediten. Einige Banken werden bald wieder in der Lage sein, Dividenden zu zahlen oder diese zu erhöhen.