Herr Dr. Bielmeyer, nach einem schwarzen Mittwoch haben die Börsen ihre Talfahrt auch am Donnerstag fortgesetzt. Ist die jüngste Hausse Geschichte?

Nein, die höhere Volatilität ist für die letzte Phase des Zyklus’ nicht ungewöhnlich.



Aber die Nervosität an den Börsen steigt. Erst am Mittwoch hat der IWF vor Finanzmarkt-Turbulenzen gewarnt und dabei auf die Handelskonflikte und steigende Zinsen verwiesen?
Die Zahl der Krisen ist in den vergangenen Monaten gestiegen. Insbesondere der wachsende Protektionismus hat das Potential, den Wachstumszyklus nachhaltig zu schwächen.



Wie gefährlich ist dieser Mix für die Finanzmärkte?
Bislang haben die unterschiedlichen Krisen die Unternehmensgewinne nicht geschwächt. Diese sind jedoch das Rückrat der stabilen Entwicklung an den Finanzmärkten. Sobald sich hier eine nachhaltige Abschwächung zeigen sollte, dürfte sich dies ändern.




Die US-Notenbank hat die Zinsen zuletzt deutlich angehoben und bis Ende 2019 vier weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt. Viele Schwellenländer sind bereits in die Bredouille geraten, weil Investoren in großem Stil Kapital abziehen. Wie wackelig ist die Lage für Länder wie Brasilien, Indien oder Russland?
Die hohe Verschuldung insbesondere von Unternehmen in den Schwellenländern ist ein bekanntes Problem. Die US-Notenbank reagiert darauf mit einer sehr verlässlichen Forward guidance, also einer glaubhaften, langfristigen Strategie. Damit können sich Unternehmen und Investoren auf die steigenden Zinsen einstellen. Falls die Fed von diesen Pfad abweichen muss und die Zinsen schneller anhebt, könnte dies zu ernsthaften Problemen führen, da dann die Kapitalströme umgeleitet werden. Bei einem Absinken der Risikobereitschaft der Investoren kann dies ebenfalls zum Problem werden.

Daneben drückt der Handelsstreit zwischen den USA und China bzw. Europa und der Brexit auf die Stimmung. Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen daher gerade deutlich nach unten korrigiert. Auch die Bundesregierung dürfte ihre Vorhersagen heute spürbar senken. Was bedeutet das für die Gewinne der Dax-Konzerne 2019: Werden wir in den kommenden Monaten eine Korrektur der Analystenschätzungen auf breiter Front sehen?
Die Gewinnschätzungen im Dax sind im laufenden Jahr schon deutlich unter Druck gekommen. Damit eröffnet sich für 2019 sogar wieder leichtes Aufwärtspotential. Jedoch scheinen die Zeiten mit zweistelligem Gewinnwachstum vorbei zu sein. Wenn sich der Handelsstreit weiter verschärfen sollte und sich noch deutlicher auf Europa auswirkt, kann man auch schnell in den negativen Bereich kommen.