Weil übers Wochenende geräuschlos verhandelt werden kann, werden viele Übernahmen montags verkündet. Zuletzt hatten sich diese "Merger Mondays" auch in Deutschland gehäuft. Gerade hat der Batteriehersteller Akasol gemeldet, mit Borgwarner zusammengehen zu wollen. Der US-Konzern, der eigentlich für Turbolader bekannt ist, zahlt 120 Euro pro Aktie. Die Firmengründer haben dem zugestimmt, sodass die anvisierte Akzeptanzquote von 50 Prozent sicher übertroffen wird.

Der Deal bei Dialog Semiconductor, der am Montag zuvor gemeldet wurde, dürfte weniger leicht über die Bühne gehen. Der japanische Wettbewerber Renesas will zu einem Kurs von 67,50 Euro übernehmen. Weil Dialog ein britisches Unternehmen ist, müssen die Aktionäre zustimmen. Das kann Monate dauern. Und es ist nicht klar, ob Renesas auch wirklich zum Zug kommen wird. Dialog hat sich auf Halbleiterlösungen spezialisiert, die vor allem das Energiemanagement in elektronischen Geräten optimieren. Und das ist im Moment vor allem bei Smartphones und Tablets gefragt, wird aber immer mehr auch zu einer kritischen Anwendung bei Elektrofahrzeugen. Wegen der guten Wachstumsaussichten können sich Analysten wie etwa Harald Schnitzer von der DZ Bank vorstellen, dass es noch zu Alternativgeboten kommen könne. Kandidaten aus der Branche sind STMicro, NXP und auch Infineon.

Für Spannung ist also gesorgt, und das nicht nur bei Dialog Semiconductor. In den vergangenen Wochen gab es schon Übernahmeangebote für den Waferhersteller Siltronic und die Kabelnetzfirma Tele Columbus. Bei Bilfinger schauen Beteiligungsfirmen in die Bücher. Die Molekulardiagnostikfirma Qiagen sondiert gerüchteweise einen Zusammenschluss mit dem US-Wettbewerber Quidel.

"Auf Deutschland scheint eine Übernahmewelle zuzurollen", sagt Manfred Piontke, Fondsmanager bei der Kapitalanlagefirma MPPM. "Die Ausgangsbedingungen sind ideal für weitere Deals." In der Tat sind die Zinsen sehr niedrig, sodass sich die Übernahmen günstig refinanzieren lassen. Zudem werden die Kassen der Beteiligungsfirmen immer voller, weil Pensionskassen Mittel umschichten. Ein Beispiel gefällig? Der Privat-Equity-Riese KKR gab im vierten Quartal 12,5 Milliarden Dollar für Beteiligungskäufe aus. Gleichzeitig wurden 44 Milliarden Dollar neue Mittel eingezahlt. Das Delta wird auch für Übernahmen an die Börse fließen.

Klar ist: Übernahmen bringen ordentliche Gewinne. Piontkes Fonds profitierte von den Deals bei Siltronic und Tele Columbus. Der Experte könnte sich vorstellen, dass vor allem Technologiefirmen im Fokus stehen werden: "In vielen Fällen ist es sinnvoller, ganze Firmen zu kaufen, als selbst Produkte zu entwickeln." Akasol ist das beste Beispiel.

Anleger, die mitverdienen wollen, können gezielt auf einzelne Aktien setzen. BÖRSE ONLINE nennt zehn Kandidaten aus dem Technologiesektor, deren Aktien noch nicht zu hoch gehandelt werden. Eine Alternative zur Direktanlage können Zertifikate sein.

Teamviewer passt ins Bild

Firmen mit Übernahmeflair müssen drei Dinge mitbringen. Sie sollten erstens über gute Produkte verfügen. Die Bewertung muss zweitens Luft für eine Übernahmeprämie lassen, und eine Übernahme muss drittens von der Gesellschafterstruktur her möglich sein. Alle drei Kriterien erfüllt nach Ansicht von Piontke Teamviewer. "Erst langsam beginnt der Markt das Potenzial zu erkennen", sagt der Experte. Die Software des Unternehmens ist in vielen Firmen vertreten. Mit ihr kann etwa die IT-Abteilung auf den Rechner eines Mitarbeiters zugreifen, um Fehler zu beheben. Nun legen die Schwaben den Fokus auf größere Kunden. So wird etwa Siemens Healthineers mit der Software auf Tausende installierte Geräte rund um den Globus zugreifen. Das Anwendungsspektrum in der Digitalisierung ist immens und die Abdeckung noch gering. Das Unternehmen aus Göppingen hat mit neun Milliarden Euro einen stattlichen Wert, ist aber im Vergleich zu anderen Cloud-Firmen ein Schnäppchen. Letztlich dürfte der größte Aktionär, die Beteiligungsfirma Permira, abgabebereit sein. Mit deren Anteil von rund 27 Prozent hätte ein potenzieller Käufer einen Fuß fest in der Tür.

Der auf Halbleiter spezialisierte Maschinenbauer Aixtron war schon einmal Ziel einer Übernahme. Die wurde von den Behörden damals nicht genehmigt. Seitdem hat die Firma, die seit Jahrzehnten Spitzentechnologie entwickelt, gute Fortschritte gemacht. Da die aktuelle Pipeline die Halbleitertechnologie von morgen und übermorgen abbildet, könnten die Begehrlichkeiten zunehmen. Die Bewertung ist trotz des Kursanstiegs gerade im historischen Vergleich nicht ausgereizt. Im Aktionärskreis sind vor allem große Fonds vertreten, die bei entsprechenden Angeboten sicher verkaufen würden.

Schneller Mobilfunk mit großen Datenmengen, wie sie die neuen 5G-Netze versprechen, geht nur über Glasfaser. Hier ist Adva Optical Networking gut positioniert. Zu den Kunden gehören die großen Telekomkonzerne. Mit den neuen Netzen wird sich das Geschäft auch auf Firmenkunden ausweiten lassen. Mit dem deutlich gestiegenen Geschäftspotenzial kann das Unternehmen in den Fokus potenzieller Käufer rücken. Die Bewertung ist mit einem Börsenwert von 461 Millionen Euro für einen globalen Anbieter nicht zu hoch.

GK Software verkauft seine Softwarelösungen hauptsächlich an Einzelhändler. Die Lösungen sind offensichtlich so gut, dass die Sachsen ein Partner von SAP sind. Nach umfangreichen Entwicklungsarbeiten, die die Ergebnisse belastet hatten, gelingt es GK immer besser, die Marge zu steigern. SAP hatte schon einmal die Option zur Mehrheitsübernahme, gab die aber zurück. Das zeigt, dass die Firmengründer, die die Mehrheit halten, im Prinzip abgabebereit sind. Ob sich SAP noch einmal aus der Deckung wagt? Es ist auch vorstellbar, dass ein IT-Dienstleister sich die Sache genauer anschaut. Die Bewertung mit einer Marktkapitalisierung von 240 Millionen Euro lässt auch ohne Übernahmefantasie Luft nach oben.

Bei Technotrans fallen drei Punkte auf. Das Unternehmen könnte erstens mit seinen Produkten eine wichtige Rolle beim Aufbau der Infrastruktur für Elektro- und Wasserstofffahrzeuge spielen. Zweitens: Die Aktie notiert aktuell fast 50 Prozent unter ihren Spitzenkursen. Drittens hat die Beteiligungsfirma Luxempart ihren Anteil zuletzt auf mehr als 25 Prozent ausgebaut. Der nächste Schritt könnte eine Übernahme sein. Der Börsenwert von 194 Millionen Euro ist überschaubar.

Der Markt der Halbleiterausrüster konsolidiert. Fragmentiert ist noch der sogenannte Backend-Bereich. Einer der größten Anbieter dort ist Süss Microtec. Wollen sich Anbieter aus dem Frontend-Bereich breiter aufstellen, wäre Süss erste Wahl. Ein potenzieller Käufer kann bei der aktuellen Aktionärsstruktur mehr als 40 Prozent der Anteile bei fünf Adressen kaufen. Das Unternehmen hat volle Auftragsbücher, die Geschäfte brummen. Eine Übernahme würde für zusätzliches Potenzial sorgen.

Dass Renesas Dialog übernehmen will, liegt am Potenzial im Automobilsektor. Dort werden auch die Sensoren und Halbleiter von Elmos Semiconductor eingesetzt. Das hat 2020 für Belastungen vor allem im dritten Quartal gesorgt. Das Formtief scheint aber überwunden zu sein. Gut möglich, dass die Branchenkonsolidierung auch Elmos betrifft.

Die Aktionärsstruktur von Viscom macht auf den ersten Blick eine Übernahme wenig wahrscheinlich. Die Firmengründer halten 60 Prozent und hatten bisher keine Verkaufsbereitschaft gezeigt. Die Aktie gibt es zu einem Drittel historischer Bestwerte. Auf der Habenseite der Spekulation steht zudem beim Anbieter von Inspektionssystemen ein attraktives Potenzial. Bemerkenswert ist zudem, dass prominente Branchenvertreter wie Isra Vision zu Spitzenkonditionen übernommen wurden. Das Produktportfolio könnte bei Firmen wie Siemens Gefallen finden.

Die Softwarefirma Exasol ist erst seit Mai 2020 notiert. Die Datenmanagement-Lösungen sind laut Expertenaussagen erstklassig und haben schon Firmen wie Adidas oder Zalando überzeugt. Exasol hat allerdings erst damit begonnen, den Vertrieb so richtig zu forcieren. Das eröffnet einem möglichen Käufer erhebliches Potenzial. Ein breit aufgestellter Softwareanbieter kann die Produkte über seinen Vertrieb laufen lassen und hohe Margen einfahren. Damit lassen sich die hohe Börsenbewertung und eine Übernahmeprämie rechtfertigen.

Im Biotechsektor kommt es regelmäßig zu Übernahmen. Ein wenig beachteter Kandidat ist Formycon. Die Biogenerika-Spezialist hat drei Wirkstoffe weit entwickelt, einer davon steht kurz vor der Zulassung durch die FDA. Gibt die US-Gesundheitsbehörde grünes Licht, findet das Konzept Bestätigung, und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass weitere Pipelineprodukte die Zulassung schaffen. "Dann wird das Unternehmen auch für Firmenkäufer interessant", sagt Experte Piontke. Die größeren Aktionäre halten mehr als 60 Prozent der Anteile, sodass ein Käufer mit attraktivem Gebot die Mehrheit erreichen könnte.

 


20 Übernahmekandidaten in einem Papier

Für Anleger, die auf ein komplettes Portfolio mit Übernahmekandidaten setzen wollen, gibt es zwei Zertifikate. Beide hat der Finanzen Verlag entwickelt, der BÖRSE ONLINE herausgibt. Dazu wurden zwei Indizes aufgesetzt, die der Indexanbieter Solactive täglich berechnet. Der Derivateanbieter HVB Unicredit hat auf die Barometer Indexzertifikate begeben, die die Entwicklung eins zu eins abbilden. Dividenden werden reinvestiert. Beide Indizes enthalten je 20 Werte, die der Indexanbieter nach vorgegebenen Kriterien zu Börsenwert, Übernahmeaffinität und Börsenliquidität auswählt. Einmal im Quartal werden alle Werte wieder gleichgewichtet. Solactive hat dann auch die Möglichkeit, einzelne Titel auszutauschen. Die längste Historie und gleichzeitig einen ordentlichen Leistungsnachweis hat das German M & A Index-Zertifikat (WKN: HU5 JPC), in dem ausschließlich Aktien von deutschen Übernahmekandidaten enthalten sind. Es ist bereits seit 2012 auf dem Markt. Bei Auflegung kostete es zehn Euro, aktuell notiert das Zertifikat bei 45 Euro. Es hat sich also mehr als vervierfacht und alle deutschen Indizes weit hinter sich gelassen. Kein Wunder, denn der Index konnte im Lauf der Zeit viele Volltreffer landen, wie etwa die Übernahmen von RIB Software und Osram.

Das European M & A-Index-Zertifikat (WKN: HZ0 H11) ist das internationale Pendant und wurde 2019 aufgelegt. Hier sind Aktien aus ganz Europa enthalten, unter anderem auch die Aktie von Dialog Semiconductor, weil das Unternehmen formell einen britischen Sitz hat. Die Wertentwicklung des Solactive European M & A Index-Zertifikats hat sich zuletzt auch wegen der Dialog-Übernahme beschleunigt und liegt rund 45 Prozent über dem Startniveau. Die höchsten Wertsteigerungen steuerte dabei die Aktie der Online-Apotheke Zur Rose bei, die sich seit Auflegung des Index vervielfachte.