Sollte man derzeit Aktien aus den Schwellenländern kaufen? Wer will, findet gute Gründe, die dagegen sprechen. So fragen sich Anleger zum Beispiel, ob sie angesichts steigender US-Importzölle noch in China investieren sollen. Brasilien wiederum gilt als unsicherer Kantonist, weil der Ausgang der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Oktober 2018 völlig ungewiss ist. Und die Krise in der Türkei könnte auf andere Länder überspringen.
Marie Cardoen, Head of Retail bei Goldman Sachs Asset Management (GSAM) für Deutschland und Österreich, verneint diese Probleme nicht. Anlegern rät sie dennoch, gedanklich einen Schritt zurückzutreten, um das langfristige Potenzial der Schwellenländer zu erfassen. "Die Schwellenländer machen grob gesagt 60 Prozent der Weltbevölkerung aus, 50 Prozent des weltweiten BIP-Wachstums und 40 Prozent des weltweiten Handels", erklärt die Französin. An den Kapitalmärkten sei diese Entwicklung allerdings noch nicht vollzogen worden. Denn gemessen an der Marktkapitalisierung machten Emerging-Markets-Aktien erst zwölf Prozent vom weltweiten Aktienmarkt aus, so Cardoen.
Die heutigen Emerging-Market-Portfolios seien zudem attraktiver allokiert als vor zehn oder 15 Jahren. Dominierten damals konjunkturanfällige Rohstoffwerte, seien es heute IT- und Konsumtitel, die langfristig stabil wachsen könnten. "Zudem sinkt der Anteil staatlich geführter Unternehmen in den Schwellenländern beständig", sagt Cardoen. Für Anleger sei dies ein Segen, weil Staatsunternehmen selten im Interesse der Aktionäre geführt würden.
Exemplarisch sei hier Chinas Entwicklung mit privat geführten IT-Giganten wie Alibaba oder Tencent, die im Alltag der Chinesen oft schon eine größere Rolle spielten als Amazon oder Facebook für die US-Bürger. Und obgleich Alibaba oder Tencent beinahe Monopole seien, würden sie sich ständig weiterentwickeln. "China konzentriert sich mittlerweile auf hochwertige Technologien und wird in zwei Jahren weltweit vermutlich das meiste Geld für Forschung und Entwicklung investieren", sagt Cardoen. Zudem kämen heute bei vielen Produkten auch die Erfindung und das Design aus China - und damit aus jenen Bereichen, die am meisten zur Wertschöpfung beitrügen. Überdies sei denkbar, dass Alibaba und Tencent - ähnlich wie schon chinesische Smartphone-Hersteller - auch die Märkte außerhalb Chinas erobern möchten.
"Alles in allem sind Emerging-Markets-Aktien eine Anlageklasse, die Anleger in Betracht ziehen sollten", erklärt Cardoen, "allein schon aus Gründen der Diversifizierung." Doch sind Fonds oder ETFs dort attraktiver? Cardoen plädiert für aktiv gemanagte Fonds. Denn die besten Emerging-Markets-Fonds würden ihre Indizes im Schnitt um 3,0 bis 4,0 Prozent übertreffen, ihre Pendants für die Industrieländer nur um 1,5 bis 2,0 Prozent. Für den GS EM Equity Portfolio Base Fund trifft dies in den vergangenen fünf Jahren zu.