Der Streit zwischen der Europäischen Union und der Schweiz ist eskaliert: Seit Wochenbeginn dürfen Aktien von Schweizer Firmen nicht mehr an den Börsen der EU gehandelt werden. Umgekehrt dürfen Anleger aus der EU nicht mehr uneingeschränkt an der Schweizer Börse SIX handeln. Ärgerlich ist das vor allem für Privatanleger: Auf sie kommen langfristig möglicherweise höhere Kosten zu.
Der Grund für die Misere ist ein Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und der Schweiz. Die Regierung in Bern weigert sich wegen innenpolitischer Widerstände, den bereits ausgehandelten Vertrag zu unterschreiben. Um den Druck auf die Schweiz zu erhöhen, knüpfte die EU die Ende Juni nötig gewordene Verlängerung der sogenannten Börsenäquivalenz-Regelung an die Unterzeichnung des Rahmenabkommens. Im Gegenzug verbot die Regierung in Bern prompt den Handel mit Schweizer Aktien in der EU.
Zank zulasten der Aktionäre
Das merken beispielsweise Kunden der ING, Nummer eins unter Deutschlands Onlinebrokern, sehr schmerzhaft. Bis auf weiteres können sie keine Schweizer Aktien handeln. "Wir arbeiten derzeit an einer Lösung, den Handel schnellstmöglich wieder zu gewährleisten", sagt eine Sprecherin. Anders sieht es etwa bei den ING-Konkurrenten Comdirect und Consorsbank aus, wie eine Umfrage von €uro am Sonntag ergab. Sie haben außerbörsliche Plattformen im Angebot, die für Schweizer Aktien offenstehen - sogar zu denselben Gebühren wie bislang. Bei Comdirect handelt es sich um die Commerzbank und Lang & Schwarz, bei der Consorsbank ausschließlich um Lang & Schwarz.
Experten raten allerdings dazu, sich die Handelsspannen - die sogenannten Spreads - genau anzusehen: Diese könnten sich im Zuge der Auseinandersetzung vergrößern. Auch über die Börse Zürich ist bei Comdirect und Consorsbank ein Handel möglich, allerdings fallen dabei teils horrende Kosten an. Wichtig: Offene Orders und Sparpläne auf Schweizer Aktien werden derzeit auch bei Comdirect und Consorsbank nicht ausgeführt. Betroffen sind allerdings ausschließlich Aktien, nicht jedoch andere Wertpapiere wie Anleihen, Fonds oder ETFs.
SIX bislang ohne Schaden
Praktisch hat der politische Druck der EU für die Schweizer Börse indes bislang kaum Auswirkungen: Nach Einschätzung von Finanzexperten könnte der Börsenplatz in Zürich kurzfristig sogar mehr Handelsvolumen generieren. Auch dem Schweizer Leitindex schadet der Zwist bislang nicht, er schloss im Lauf der Woche sogar erstmals über 10 000 Punkte.
"Der Handel läuft unauffällig", sagt ein SIX-Sprecher. Die SIX ist der viertgrößte Handelsplatz in Europa. Die knapp 300 gelisteten Firmen, darunter Weltkonzerne wie Nestlé, Novartis und Roche, bringen einen Börsenwert von 1,1 Billionen Euro auf die Waage.
Noch ist unklar, wie es weitergeht. Die EU kann nur hoffen, dass sie sich mit ihrem Vorstoß nicht selbst ins Knie geschossen hat. Das wäre der Fall, wenn dieser dem EU-Finanzmarkt mehr schadet als dem in der Schweiz. In Brüssel wird davon ausgegangen, dass Schlichtungsgespräche nicht vor den Schweizer Parlamentswahlen am 20. Oktober abgeschlossen werden können. Marktexperte Lipkow rechnet dagegen mit Verhandlungen nach der Sommerpause.
Tipps für Anleger
Was Sie wissen müssen
In der EU ist der Handel von Aktien, die nur in der Schweiz gelistet sind, derzeit nicht möglich. Wir raten zu Geduld und setzen darauf, dass sich die Situation bald ändert. Wollen Sie aktuell Schweizer Titel handeln, erkundigen Sie sich bei Ihrer Depotbank, welche Gebühren beim Handel in Zürich anfallen. Da die Aktien im Depot zum Eurokurs verbucht sind, haben wir die Kurse entsprechend umgerechnet. Dazu haben wir den Kurs der Schweizer Börse mit dem aktuellen Devisenkurs multipliziert. Der ermittelte Wert ist nicht offiziell, sondern eine Indikation.