Die Bundesregierung will die unternehmerischen Aktivitäten des deutschen Staats zurückfahren und sich insbesondere aus krisenbedingt eingegangenen Beteiligungen an börsennotierten Konzernen wieder zurückziehen. Das hat Bundesfinanzminister Christian Lindner in einem "Handelsblatt"- Interview angekündigt.
Durch Rettungsaktionen hatte sich der Bund in der Corona- Krise unter anderem an der größten deutschen Airline Lufthansa und der Biotechfirma Curevac beteiligt. Der Reisekonzern TUI wurde mit Milliardenkrediten gestützt, der Bund ging hier zudem eine stille Beteiligung in Milliardenhöhe ein. Seit der Finanzkrise 2009 ist der Staat außerdem an der Commerzbank beteiligt.
Vor allem aus den Corona-Rettungsbeteiligungen müsse sich der Staat "möglichst schnell zurückziehen", forderte nun Lindner. Bei der Lufthansa ist der Einstieg in den Ausstieg bereits erfolgt. So war der Bund im Sommer 2020 unter anderem mit 20 Prozent bei der größten deutschen Airline eingestiegen - zum Nennwert von 2,56 Euro je Aktie. Derzeit ist der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes nach Angaben einer Lufthansa-Sprecherin noch mit 14 Prozent an der Airline beteiligt. Der Konzern berichtet von deutlich steigenden Buchungszahlen, hat den Personalabbau gestoppt und den Krisenmodus beendet.
Kranich top, Curevac Flop
Experten gehen davon aus, dass sich der Staat marktschonend aus der Lufthansa zurückziehen dürfte und der Steuerzahler an der Airline-Rettung ordentlich verdienen könnte.
Andere Fälle erweisen sich als schwieriger: Umstritten war vor allem der industriepolitisch motivierte Einstieg des Bundes beim Tübinger Biotechkonzern Curevac für 300 Millionen Euro - eine "strategische, mittelfristig angelegte Investition", wie es hieß, um die Entwicklung eines Covid-Impfstoffs zu beschleunigen. Doch der Impfstoffkandidat scheiterte, die Aktie hat innerhalb eines Jahres mehr als 83 Prozent verloren. Der Anteil der staatseigenen KfW an Curevac liegt nach Angaben einer Unternehmenssprecherin weiterhin bei 16,01 Prozent.
An der Commerzbank wiederum hatte sich der Bund bereits 2009 in der Finanzkrise beteiligt und fünf Milliarden Euro investiert. Zwölfeinhalb Jahre später ist der deutsche Staat mit gut 15 Prozent noch immer größter Einzelaktionär der Bank. "Auf Dauer wird der Staat nicht Shareholder bei der Commerzbank sein", sagte Lindner jetzt. "Bei Entscheidungen werde ich sowohl die Vermögensinteressen der Steuerzahler im Blick behalten als auch die Bedeutung der Commerzbank für die mittelständische Wirtschaft." Damit das Engagement für den Steuerzahler verlustfrei bleibt, müsste die Commerzbank-Aktie allerdings auf 25 Euro klettern.
Ein Sonderfall ist der Reisekonzern TUI, der sich derzeit ebenfalls von den Corona-Einbrüchen erholt. Um TUI nicht mit Rückzahlungen zu überfordern, könnte der Staat seine stille Beteiligung von 1,1 Milliarden Euro zunächst sogar in Aktien umwandeln. TUI-Chef Friedrich Joussen rechnet damit, dass der Staat in Aktien konvertiert - ein Anteil von bis zu 25 Prozent wäre möglich. Die Verkehrs- und Touristikkonzerne holen zumindest stark auf. Die Lufthansa und der Reiseveranstalter TUI verzeichnen hohe Buchungszahlen für die kommende Urlaubssaison. "Wir sehen eine stark steigende Nachfrage nach Urlaubsflügen für Ostern, Pfingsten und auch für den Sommer", heißt es bei Lufthansa. Es gebe einen enormen Nachholbedarf bei Reisen nach zwei Jahren Pandemie.