Eigentlich war es der Müll, der zum Untergang der DDR führte. Denn es waren zum Beispiel die zum Himmel stinkende Sondermülldeponie Schönberg bei Rostock oder das durch Abfälle verseuchte Grundwasser rund um Bitterfeld, die eigentlich brave Bürger gegen den real existierenden Sozialismus aufbrachten. Der laxe Umgang der SED-Granden mit dem Unrat führte 1983 zur Gründung der sogenannten Umwelt-Bibliothek, in und aus der sich schließlich der friedliche Widerstand gegen den Unrechtsstaat formierte.

Wladimir Putin, Russlands autokratisch regierender Präsident, hat das Protestpotenzial aufgrund von ungelösten Abfallproblemen als KGB-Agent in der DDR von 1985 bis 1990 hautnah miterlebt. So wundert es nicht, dass er vergangenes Jahr nach immer mehr Demonstrationen gegen unkontrollierte Müllentsorgung in seinem Land eine neue Abfallwirtschaft zur Chefsache machte. Vorbild für die Lösung von Problemen wie Müllsammlung, Recycling und Mülltrennung ist - Deutschland. Federführend beteiligt an der Arbeitsgruppe des Kreml ist entsprechend die Nummer 1 unter Deutschlands Entsorgern, die Remondis-Gruppe aus Lünen.

Das nordrhein-westfälische Familienunternehmen Remondis ist auch ein gutes Beispiel, welch rentable Geschäfte mit dem Abfall zu machen sind: Auf der Forbes-Liste der reichsten Deutschen erscheint die Familie Rethmann auf Platz 10 mit einem geschätzten Vermögen von rund sechs Milliarden Euro. Und im Jahr 2018 machte ihr Konzern bereits einen Umsatz von fast acht Milliarden Euro. 2,1 Milliarden Euro Umsatz meldete die ebenfalls familiengeführte Alba Group aus Berlin mit ihrer einst börsennotierten Tochter Interseroh für diesen Zeitraum.

Längst sind beide Unternehmen international aktiv, in der Europäischen Union wie auch in China oder Schwellenländern Asiens. Schließlich wächst die Menge des zu entsorgenden Abfalls weltweit rasant: 7,6 Milliarden Menschen produzieren gemeinsam jährlich rund zwei Milliarden Tonnen Haushaltsabfälle. Industriemüll und andere Abfälle - die in Deutschland etwa 80 Prozent der Gesamtmüllmenge ausmachen - kommen noch dazu. Zuletzt prognostizierte die Weltbank in ihrem Bericht "What a Waste", dass bis 2050 voraussichtlich 70 Prozent mehr Müll produziert werde, sollten bis dahin keine Gegenmaßnahmen unternommen werden.

Solche Geschäftschancen rufen neue Player auf den Plan. So ist etwa die Schwarz-Gruppe, zu der der Discounter Lidl und der Lebensmittelhändler Kaufland gehören, von der Öffentlichkeit wenig bemerkt 2009 in die Entsorgungs- und Recyclingbranche eingestiegen. 2017 machten die Neckarsulmer mit ihrer Marke PreZero schon rund 500 Millionen Euro Umsatz - und kaufen seither beständig andere Unternehmen der Branche auf. 2018 kam das Familienunternehmen Tönsmeier aus Porta Westfalica dazu.

Und im September machte das Unternehmen Schwarz klar, dass es Ambitionen hat, zu den ganz Großen zu gehören: mit einem Kaufangebot für das Abfallgeschäft des französischen Suez-Konzerns in Deutschland, Polen, Schweden, den Niederlanden und Luxemburg. Suez ist in den betreffenden Ländern in der Abfallwirtschaft sehr gut präsent und deckt die gesamte Wertschöpfungskette für Recycling und Verwertung ab. 2019 erzielte die Suez-Sparte rund 1,1 Milliarden Euro Umsatz und ein bereinigtes Ebitda von circa 100 Millionen Euro.

Bieterkampf um Suez Environnement

Damit kamen die Deutschen einem anderen Riesen der Entsorgungsbranche in die Quere: Der französische Konzern Veolia bietet nämlich ebenfalls für Suez, deren Hauptaktionär der Energiekonzern Engie ist. Doch der Engie-Verwaltungsrat lehnte das Veolia-Angebot als "nicht akzeptabel" ab. Zudem birgt ein innerfranzösischer Zusammenschluss erhebliche kartellrechtliche Risiken, die zwar auch die Schwarz-Gruppe treffen würden, aber in weit geringerem Maße.

Wer als Anleger auf den Wachstumstrend Entsorgung setzen will, findet allerdings derzeit in der Europäischen Union außer Veolia keine interessanten Investitionsziele: Die Franzosen legten zuletzt enttäuschende Zahlen vor, die Corona-Krise und die damit rückläufige Industrie(abfall)produktion ließen Umsatz und Gewinn schrumpfen, dafür ist die Aktie günstig. In Großbritannien gibt es zwar börsennotierte Entsorger, doch die Branche dort ist stark exportabhängig - was bei dem zu erwartenden Brexit-Chaos gegen ein Engagement spricht. Und in Ländern wie Italien, Spanien oder Portugal steckt die privatwirtschaftliche Entsorgungsbranche noch in den Kinderschuhen.

Durch seine Spezialisierung vom Rest der Branche abgekoppelt, agiert das norwegische Unternehmen Tomra Systems seit vielen Jahren äußerst erfolgreich. Zur Produktpalette gehören Leergutrücknahmesysteme, automatische Sammelsysteme, Materialtransport und -verarbeitung, Abfallerkennungs- und Abfallsortiersysteme sowie Materialverdichtung. Zudem ist die Gesellschaft ein weltweit führender Anbieter von Technologien für Sortierungsverfahren und Prozessanalysen in der Nahrungsmittel-, Bergbau- und Recyclingindustrie. In den vergangenen fünf Jahren hat der Aktienkurs um fast 440 Prozent zugelegt. Und die Zahlen zum dritten Quartal, die die Skandinavier am 22. Oktober vorlegen, dürften den Kursanstieg noch einmal verstärken.

Starkes Branchenwachstum in den USA

Richtig gute Aussichten für Investoren bieten auf jeden Fall Entsorger aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten - denn die USA sind nach wie vor der größte Abfallverursacher der Welt. Gleichzeitig verhinderten dort über Jahrzehnte die Gewerkschaften der Müllmänner, denen mafiöse Strukturen nachgesagt werden, dass sich ein modernes Wertstoff- und Recyclingsystem wie etwa in Deutschland entwickeln konnte. Doch mit dem steigenden Umweltbewusstsein der Amerikaner und zahlreichen Skandalen um Deponien wuchs der Druck auf die US-Politik, bei Müllvermeidung, thermischer Verwertung sowie der Einführung von Wertstoffsammelsystemen Fortschritte zu machen.

Davon profitiert etwa Casella Waste Systems. 1975 mit einem Lkw gegründet, wuchs das Unternehmen in den vergangenen Jahren rasant, ähnlich entwickelte sich der Aktienkurs. Das hohe KGV von mehr als 50 ist bei dem starken Wachstum gerechtfertigt.

Eine profitable Nische in der US-Entsorgungsbranche bedient Darling Ingredients: Das Unternehmen recycelt Abfälle der Lebensmittelindustrie. So stellt Darling etwa Biodiesel aus alten Speiseölen her. In Deutschland ist eine Tochter der Amerikaner aktiv, die neben dem Biosprit-Geschäft auch bei der sogenannten "Proteinveredelung" mitmischt - sie recycelt die bei der Tierschlachtung und -zerlegung entstehenden Reste und verarbeitet sie unter anderem zu Fetten, Fleisch- und Knochenmehl sowie Gelatine und bedient damit die steigende Nachfrage nach Kollagen-Inhaltsstoffen.

Ob in den USA, Europa oder Asien - letztlich bezahlt immer der Verbraucher die Abfall- und Verwertungssysteme seines Landes, entweder über Müllgebühren oder durch Preisaufschläge bei den Produkten, die er kauft. Da ergibt es doch Sinn, sich über eine Aktienbeteiligung an den Entsorgern einen Teil der Kosten wieder zurückzuholen.

 


Auf einen Blick

Entsorger

Der Umweltschutz sichert den Entsorgern weltweit steigenden Umsatz und Gewinne. Profit erwirtschaften sie aber nicht nur durch Verwertung, Verbrennung und Deponierung von Abfällen, sondern auch durch die Wiedergewinnung von wertvollen Rohstoffen.