Totgesagte leben länger - das gilt auch für Rohöl. Erst halbierte sich im vergangenen Jahr der Preis des fossilen Brennstoffs, dann ging es wieder zügig nach oben. So stieg der Wert der Nordseesorte Brent in diesem Jahr um rund 17 Prozent. Ein Barrel (159 Liter) notiert derzeit bei rund 65 US-Dollar. Für Anleger, die einen anhaltenden Aufwärtstrend erwarten, rücken Aktien von Unternehmen aus der Ölindustrie in den Blick. Wer Einzelinvestments zu riskant findet, jedoch der Branche Aufwärtspotenzial zutraut, für den könnten sich Indexfonds und Zertifikate eignen, die auf die positive Performance der Energieunternehmen setzen.

Der heftige Ölpreiseinbruch im vergangenen Jahr war eine Folge des Überangebots, das durch die moderne Öl- und Gasfördertechnik (Fracking) in den USA entstanden war. Dabei werden unter hohem Druck Wasser, Quarzsand und Chemikalien in tiefe Gesteinsschichten gepresst, um diese aufzureißen. So wurden riesige Mengen Schiefergas und -öl frei, was zu einem Boom und niedrigen Energiepreisen geführt hat.



Auf Seite 2: Saudi-Arabein als Einflussfaktor





Thorsten Proettel, Rohstoffanalyst der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), nennt einen weiteren Grund für den Preisverfall, der aus dem Fracking- Boom resultiert: "Der jüngste Ölpreisrückgang geht vor allem auf eine kaum vorherzusehende Verhaltensänderung Saudi-Arabiens zurück. Das Land überschwemmt den Weltmarkt mit billigem Öl, um die Fracking-Konkurrenz aus dem Markt zu drängen." Das sieht Eugen Weinberg, Rohstoffexperte der Commerzbank, nicht anders: "Saudi-Arabien hat als wichtigster Ölproduzent der OPEC ein großes Interesse daran, den Preis zunächst niedrig zu halten." Der Analyst betont, dass die OPEC, die Organisation Erdöl exportierender Länder, damit den US-Markt ausschalten wolle, um langfristig wieder Ölpreise von 80 Dollar und mehr zu erreichen.

Wie stark die Ölindustrie von der Preisentwicklung des Rohstoffs abhängt, zeigt die Performance des Index Stoxx Europe 600 Oil & Gas. Das Barometer enthält aktuell 25 europäische Unternehmen, zu denen Öl- und Gasproduzenten, Ölausrüster sowie Unternehmen aus den Bereichen Ölservice, Öldistribution und alternative Energien gehören. Die Liste reicht von BP (Großbritannien) und Royal Dutch Shell (Großbritannien/Niederlande) über OMV (Österreich) bis zu Total (Frankreich). 2014 verlor der Index 15 Prozent seines Werts. Bereits nach gut vier Monaten steht in diesem Jahr hingegen ein dickes Plus von 18 Prozent in den Büchern.



Auf Seite 3: Nah an der tatsächlichen Kursentwicklung





Mit Indexfonds (ETFs) auf den Stoxx Europe 600 Oil & Gas nehmen Anleger nahezu eins zu eins an der Kursentwicklung des Barometers teil. Wem die Kursschwankungen und damit die Risiken des Investments zu hoch sind, der kann sich ein Zertifikat der HypoVereinsbank genauer ansehen, das sich ebenfalls auf den Index bezieht (WKN: HVB1VA). Eine stabile oder moderat nach oben gerichtete Indexentwicklung genügt bereits, um Gewinne zu erzielen. Zu Laufzeitbeginn im März 2015 wurde der Startwert (Basispreis) des Index bei 315 Punkten fixiert. Notiert der Stoxx Europe 600 Oil & Gas zum Laufzeitende am 27. Juli 2016 auf oder über dem Startwert, erfolgt die Rückzahlung zum maximalen Betrag von 120 Euro je Zertifikat. Bei einem aktuellen Kaufpreis von 104,47 Euro ergibt sich daraus eine Rendite von rund 11,4 Prozent.

Liegt der Indexkurs zum Schluss unter dem Startwert, tragen Anleger die Kursverluste mit - in Bezug auf den Nominalbetrag des Zertifikats von 100 Euro. Notiert beispielsweise der Index ein Zehntel unter seinem Ausgangsniveau (also bei 283,5 Punkten), erhalten Anleger 90 Euro pro Zertifikat ausgezahlt. Der Höchstbetrag ist auf 120 Euro begrenzt. Sollte der Index während der Laufzeit um mehr als 20 Prozent zulegen, können Anleger nicht daran partizipieren.

Auf Seite 4: Volatil nach oben





Volatil nach oben

Anleger, die auf eine positive Entwicklung des Stoxx Europe 600 Oil & Gas spekulieren, sollten zudem bedenken, dass es sich hierbei um einen Preisindex handelt. Etwaige Dividenden fließen nicht in die Berechnung ein. Außer auf einen Index können Anleger per Zertifikat auch auf einen Korb von Aktien, einen sogenannten Basket, setzen. Die Zusammensetzung des Baskets legt der Emittent fest. Ein Beispiel ist ein Zertifikat von Vontobel, mit dem Anleger auf die positive Entwicklung von 15 Ölund Gasaktien spekulieren. Zu den Unternehmen gehören Konzerne wie Chevron (USA/Brasilien), Lukoil (Russland), Royal Dutch Shell und Seadrill (Norwegen). Da das Papier nicht währungsgesichert ist, besteht für die Investoren ein über US-Dollar, Euro, Norwegische Krone und Australischen Dollar gestreutes Währungsrisiko. Je nach Entwicklung der einzelnen Währungen kann es zu Währungsverlusten oder -gewinnen kommen.



Auf Seite 5: Kursgewinn von 22 Prozent



Die Aktien wurden zur Emission des Zertifikats im Oktober 2014 gleich gewichtet. Da es sich um einen statischen Aktienkorb handelt, werden bis zum Laufzeitende im Oktober 2017 keine Anpassungen vorgenommen. Anfallende Dividendenzahlungen sind im Zertifikatekurs eingepreist, sodass Anleger davon profitieren. Seit Jahresbeginn konnte das Basket-Zertifikat einen Kursgewinn von 22 Prozent erzielen.

Ein vergleichbares Basket-Zertifikat offeriert HSBC (WKN: TD2 A7M), das insgesamt aber nur zehn Aktien enthält - darunter ebenfalls Royal Dutch Shell, BP, Total und OMV. Auch hier wurden bei Emission im Januar 2015 alle Titel gleich gewichtet. Das Papier läuft noch bis Ende 2018. Seit dem ersten Handelstag (21. Januar 2015) ist der Wert des Papiers um rund 19 Prozent gestiegen. Der Aufwärtstrend der vergangenen Monate beim Öl ist aber noch keine Garantie dafür, dass es nun immer so weitergeht. Experte Weinberg: "Am Ölmarkt agieren unter anderem auch viele spekulative Investoren, also Anleger, die fundamentale Daten entweder nicht oder nur wenig beachten." Bei diesen spielten zum Beispiel Charttechnik und historische Vergleiche eine sehr wichtige Rolle. "Auch wenn für Öl langfristig Aufwärtspotenzial besteht, dürfte sich der Rohstoff - wie die meisten anderen Rohstoffe auch - künftig sehr volatil entwickeln", so Weinberg.