Dabei benötigt die Pharmawelt frischen Wind. Nach Erhebungen des Marktforschungsinstituts Frost & Sullivan verlieren zwischen 2010 und 2017 Arzneimittel mit einem Umsatzvolumen von 150 Milliarden Dollar ihren Patentschutz. Zugleich spielt die Musik bei zugelassenen Medikamenten mit neuen Therapieansätzen, etwa zur Behandlung von Krebs oder Erbkrankheiten, zunehmend in den Labors der Biotechnologiefirmen. Und die neuen Märkte in den Schwellenländern versprechen zwar höhere Absatzvolumina, häufig wird das aber mit niedrigeren Margen erkauft.
Bei Novartis kürzte der Quereinsteiger und gebürtige Kalifornier Jimenez die Ausgaben für Marketing und Verwaltung. Zugleich schaufelte er Gelder für die kostspielige und langwierige Medikamentenentwicklung frei. Schließlich stellte er im Frühjahr 2013 die Konzernstrukturen auf den Prüfstand. Das Kerngeschäft auf Kosten der Randaktivitäten stärken, so lautete seine Vorgabe. Der erste Schritt erfolgte im November 2013. Für 1,7 Milliarden Dollar ging das Geschäft mit Diagnostika bei Bluttransfusionen an den spanischen Wettbewerber Grifols.
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Novartis schärft sein Profil
Jetzt hat Jimenez sein Meisterstück abgeliefert. Die Sparte Tiermedizin wird für 5,4 Milliarden Dollar an den US-Konzern Eli Lilly verkauft. Der eigentliche Clou ist jedoch der Deal mit dem britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK). Dabei erwirbt Novartis für 16 Milliarden Dollar dessen Sparte für Krebsmedikamente - und veräußert im Gegenzug das eigene Impfstoffgeschäft für 7,1 Milliarden Dollar an GSK. Davon ausgenommen bleiben die Grippeimpfstoffe, von denen sich Novartis bis 2015 trennen will. Darüber hinaus bilden beide Seiten ein Joint Venture für rezeptfreie Medikamente und Kosmetika. Novartis wird daran 36,5 Prozent halten und bringt Produkte wie das Rauchentwöhnungsmittel Nicorette oder das Schmerzmittel Voltaren ein.
"Der Deal bringt beiden Seiten gleichermaßen Vorteile. GlaxoSmithKline konnte für seine Onkologiesparte einen guten Preis herausschlagen, weil es mit seiner Forschung Novartis hier voraus ist", sagt Alistar Campbell, Pharmaanalyst bei der Berenberg Bank. "Mit den Einnahmen kann sich GSK auf drei oder vier andere Krankheitsbereiche konzentrieren, wo es beim weltweiten Vertrieb seiner Medikamente die größten Skaleneffekte erzielt." Und wo liegen die Vorteile für Novartis? "Novartis steht zwar durch den hohen Kaufpreis unter Druck, das optimale Umsatzpotenzial herauszuholen. Das Vertriebsteam kann dabei aber Synergien ausspielen, da etliche Onkologieprodukte von Glaxo in ähnlichen Krankheitsgebieten wie die von Novartis zum Einsatz kommen."
Die Anlaufkosten von zwei Milliarden Euro sollen sich für GlaxoSmithKline bald rechnen. Von den Transaktionen, die vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden bis Mitte 2015 abgeschlossen werden, verspricht sich der Konzern auf der Gewinnseite ein jährliches Plus von 1,6 Milliarden Euro. Novartis wiederum konzentriert sich in Zukunft ganz auf die drei Geschäftsfelder Pharma, Augenheilkunde und Generika, also Nachahmerpräparate zu Wirkstoffen, deren Patentschutz abgelaufen ist.
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Valeant will Allergan
Ambitionierte Ziele verfolgt auch Mike Pearson. Der Vorstandschef des kanadischen Pharmakonzerns Valeant Pharma will sein Unternehmen bis 2016 unter den in Sachen Börsenwert fünf größten Branchenplayern etablieren. Davon ist Valeant noch etwa 100 Milliarden Euro entfernt. Umso mehr verspricht sich Pearson von seiner aktuellen Übernahmeofferte, der größten in der Firmengeschichte: Rund 46 Milliarden Dollar in Cash und eigenen Aktien will er für den Botoxhersteller Allergan auf den Tisch legen.
Dabei kann er auf die Unterstützung des US-Investors Bill Ackman zählen. Der hält über seine Gesellschaft Pershing Square Capital bereits zehn Prozent an Allergan. Die US-Gesellschaft, deren bekanntestes Produkt das Faltenmittel Botox ist, wehrt sich bislang gegen die Avancen. Dabei droht sie, neue Aktien auszugeben, sollte ein Investor mehr als zehn Prozent der Anteile halten. Insider halten es allerdings für denkbar, dass Allergan mit dem Widerstand lediglich den Preis weiter nach oben treiben will. Zumal sich unter den weiteren Interessenten zahlungskräftige Pharmakonkurrenten wie Johnson & Johnson oder Sanofi befinden.
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Gezielte Zukäufe statt Big Deals
Übernahmegelüste werden auch Pfizer nachgesagt. Verhandlungen mit dem britischen Pharmagiganten AstraZeneca wurden Gerüchten zufolge ergebnislos abgebrochen. 100 Milliarden Dollar soll Pfizer eine solche Übernahme wert sein. Branchenexperten wie Campbell bezweifeln jedoch, ob solche Transaktionen die entsprechenden Synergien heben: "Das erinnert mich an die großen Übernahmen der 90er- Jahre - und die haben im Verhältnis zu ihren Kosten nicht die erhoffte Rendite erwirtschaftet." Allianzen wie das Joint Venture von Novartis könnten in Zukunft eher Vorbildcharakter haben. Und weiter: "Die Kunst für die Verhandlungspartner besteht hier darin, die richtigen Geschäftsfelder für eine solche Kooperation zu identifizieren."
Geld dafür ist genug vorhanden. Allein Pfizer hat über seine ausländischen Töchter ein Cashpolster von 70 Milliarden Dollar angehäuft. Und die sind besser im Ausland investiert als beim heimischen Fiskus. "Im aktuellen Marktumfeld mit seinen niedrigen Zinsen können bei den Bewertungsansätzen für Übernahmen die Kapitalkosten entsprechend niedrig angesetzt werden", erläutert Thomas Bucher, Fondsmanager bei DWS Investment.
Anders als in der Vergangenheit werden aber kleinere Zukäufe im Mittelpunkt stehen, mit denen das eigene Produktportfolio gezielt ergänzt wird. Was im Übrigen auch für Generikaspezialisten gilt. Um angesichts sinkender Preise durch den Sparzwang der staatlichen Gesundheitssysteme die Margen zu steigern, setzen die internationalen Branchengrößen zunehmend auf Markenprodukte. Gibt die eigene Forschung dafür zu wenig her, werden inzwischen Spezialpharmafirmen zum Objekt der Begierde. Aktuelles Beispiel ist das Übernahmeangebot von Actavis an Forest Pharma für 25 Milliarden Dollar.
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Gute Einstiegskurse
Bei den Investoren kommen die Aktivitäten an. So hat die Aktie von AstraZeneca seit Jahresanfang 17 Prozent zugelegt. Den Branchenindex MSCI World Healthcare, der im selben Zeitraum um fünf Prozent vorankam, hat sie damit deutlich abgehängt. Das Beispiel zeigt aber auch: Übernahmefantasie allein liefert noch keine Kaufargumente. AstraZeneca bietet zwar für Anleger eine hohe Dividendenrendite von mehr als fünf Prozent, zählt aber zu den Branchengrößen mit den größten Problemen bei Patentabläufen.
Zudem ist das Potenzial für Gewinnsteigerungen durch Transaktionen mittlerweile recht begrenzt. "Die Kursanstiege von zwei und fünf Prozent bei Novartis und Glaxo als unmittelbare Reaktion auf die Bekanntgabe des Vertragsabschlusses reflektieren bereits den Mehrwert auf der Gewinnseite", sagt DWS-Mann Bucher.
Wesentlich aussagekräftiger für das künftige Kurspotenzial seien klinische Erfolge: "Wichtigster Anhaltspunkt für das künftige Wachstum des Konzerns war in den vergangenen Wochen die Nachricht, dass eine klinische Studie für einen Wirkstoff zur Therapie von chronischer Herzschwäche wegen der hohen Wirksamkeit vorzeitig abgebrochen wurde. Schafft das Produkt den Sprung auf den Markt, können sich daraus jährliche Spitzenumsätze von mehr als fünf Milliarden Euro ergeben." Mit einem Bewertungsaufschlag von 15 Prozent gegenüber dem Gesamtmarkt sieht Bucher bei ausgewählten Pharmatiteln weiteres Aufwärtspotenzial.
Für Anleger bedeutet das: Mit ihrem Mix aus moderatem Gewinnwachstum, Aktienrückkäufen und hohen Dividenden liefern Pharmaaktien auch in unruhigen Börsenzeiten eine ansehnliche Rendite. Den Ausschlag gibt aber die Auswahl der richtigen Unternehmen, die mit ihren Produkten in wachstumsstarken Marktnischen eine führende Rolle spielen.
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