Erste Diesel-Fahrverbote in Hamburg - Kritik an Politik und Industrie
· Börse Online RedaktionVon den Verboten betroffen sind alle Diesel, die nicht die Abgasnorm Euro-6 erfüllen. Sie gelten für Abschnitte zweier Straßen im Stadtteil Altona-Nord - auf dem einen allerdings nur für Lkw. Seit der vergangenen Woche waren bereits Umleitungs- und Verbotsschilder aufgestellt worden.
Der Termin für das Inkrafttreten des Verbots hatte sich verzögert. Zunächst mussten die schriftlichen Begründungen des Bundesverwaltungsgerichts zu dessen Grundsatzurteilen vom Februar von den Hamburger Behörden ausgewertet werden. Das Gericht hatte darin Fahrverbote grundsätzlich für zulässig erachtet, um die Belastung der Luft mit Stickoxiden zu verringern.
Die Prüfung des Urteils habe keinen Änderungsbedarf an den geplanten Verboten ergeben, teilte die Hamburger Umweltbehörde nun mit. Der Senat hatte die Durchfahrtsbeschränkungen im Rahmen eines Luftreinhalteplans bereits im Juni vergangenen Jahres beschlossen.
Laut diesem Plan soll ein 580 Meter langer Teil der Max-Brauer-Allee für Dieselfahrzeuge gesperrt werden, die nicht die moderne Abgasnorm Euro-6 erfüllen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seiner Urteilsbegründung erklärt, dass eine solche Beschränkung für einen Streckenabschnitt durchaus verhältnismäßig ist.
Ebenfalls unter ein Fahrverbot fällt ein rund 1,6 Kilometer langer Abschnitt der Stresemannstraße. Dieser soll aber nur für ältere Diesel-Lkw gesperrt werden, nicht für Pkw. Ausgenommen von den Verboten sind zudem Rettungsfahrzeuge, Anwohner und deren Besucher, Müllwagen, Lieferfahrzeuge und Taxis, sofern sie Passagiere aufnehmen oder absetzen.
Dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zufolge waren in Hamburg zum Jahresanfang insgesamt 264 406 Diesel-Pkw zugelassen. Davon erfüllten 96 356 Wagen die sauberste Euro-6-Norm, 80 803 die Euro-5-Norm, die anderen Euro-4 und schlechter. Betroffen sind von dem Fahrverbot in der Max-Brauer-Allee somit gut 168 000 Hamburger Pkw sowie alle anderen Diesel aus Deutschland und dem Ausland, die nicht die Euro-6-Norm erfüllen und nach Hamburg einfahren.
Nach Ansicht der Umweltorganisation BUND sind die Fahrverbote "zwar ein gutes Signal, aber nicht zielführend". "Wir brauchen flächendeckende Fahrverbote, die den Menschen helfen und nicht den Messstationen", sagte ein Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Bisher würden Verkehr und schädliche Stickoxide nur auf andere Straßen verteilt, wo sie aber nicht erfasst würden. Er sprach sich für die Einführung einer blauen Plakette aus.
Der ADAC lehnt Fahrverbote generell ab. Damit würden die Autofahrer für die Fehler der Industrie und die Versäumnisse der Politik zur Verantwortung gezogen. Zudem seien sie kaum praktikabel umzusetzen. "Sie sehen einem Auto von außen eben nicht an, ob es die Euro 5 oder 6 erfüllt." Ausnahmen wie für Anlieger erschwerten die Durchsetzung.
Der Autoclub forderte eine sofortige Hardware-Nachrüstung der vom Abgasskandal betroffenen Autos. "Ansonsten zahlen die Autofahrer die Quittung für die Tricksereien der Autoindustrie und das jahrelange Wegsehen der Politik."
Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) gibt es bessere Instrumente zur Verbesserung der Luftqualität als Fahrverbote. "Innovationen leisten einen höheren Beitrag", heißt es in einer Reaktion auf die Hamburger Entscheidung. "Allein die natürliche Bestandserneuerung durch moderne und saubere Dieselfahrzeuge wird in den kommenden Jahren zu einer erheblichen Steigerung der Luftqualität führen." Was zugesagt worden sei, werde von den Unternehmen auch umgesetzt. "Dazu gehören Software-Updates, Umstiegsprämien und die Beteiligung am Mobilitätsfonds."
Für die FDP sind die Fahrverbote Ausdruck des Versagens von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Verkehrspolitik. "Hamburg ist Frau Merkels erstes Fahrverbot. Ihre Politik des Zögerns und Zauderns ist krachend gescheitert", sagte der Vizechef FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer. "Die Verlierer sind einmal mehr Pendler und Handwerker."/fi/DP/tos