China-Riesen in Schieflage, Projektentwickler in Deutschland insolvent, hohe Abschreibungen bei Wohnkonzernen, Rating großer US-Banken wackelt: Die Krisensignale aus der internationalen Immobilienbranche mehren sich. Das ist jetzt wichtig
Die Krisensignale aus der internationalen Immobilienbranche mehren sich. In China kämpft Country Garden, einer der größten Immobilienentwickler des Landes, mit Zahlungsschwierigkeiten und verunsichert die Finanzmärkte. Experten befürchten einen neuen Umschuldungs- und Sanierungsfall und eine Verschärfung der Branchenkrise. Nach Berichten über eine drohende Restrukturierung der Schulden war es zum Wochenende zu einem Ausverkauf von Aktien und Anleihen von Country Garden gekommen. Daraufhin wurde der Handel von Anleihen ausgesetzt. Das Unternehmen sitzt auf einem Schuldenberg von fast 200 Milliarden Dollar und verbuchte im ersten Halbjahr -einen Verlust von fast acht Milliarden Dollar.
Neben Country Garden steckt mit Zhongzhi Enterprise mittlerweile auch einer der größten Vermögensverwalter Chinas in Zahlungsproblemen. Die Aktie büßte innerhalb einer Woche zwei Drittel ihres Wertes ein. Die Krise droht damit auf die Finanzbranche überzugreifen. Die Vorgänge wecken zudem Erinnerungen an den insolventen Immobilienkonzern Evergrande, der derzeit mit seinen Gläubigern um einen Schuldenabbau ringt. Die Analysten von JP Morgan fürchten laut Bloomberg, dass die Liquiditätsprobleme von Immobilienentwicklern wie Country Garden und deren Gläubigern wie Zhongzhi eine „Abwärtsspirale“ auslösen könnten. Außerdem schreckt die Krise auch immer mehr chinesische Wohnungskäufer ab. So sind die Neuwohnungsverkäufe großer chinesischer Immobilienentwickler im ersten Halbjahr um ein Drittel eingebrochen.
Deutsche Wohnkonzerne: Rote Zahlen
Auch in Deutschland mehren sich die Warnzeichen aus der Immobilienwirtschaft. Die deutlich gestiegenen Zinsen, schwächere Konjunktur, hohe Kosten und Preisrückgänge belasten. „Der Markt durchläuft eine ex-trem harte Preiskorrektur“, sagte JLL-Deutschlandchef Konstantin Kortmann gegenüber Börse Online. Das trifft börsennotierte Wohnkonzerne wie TAG, LEG und Vonovia, die das inzwischen auch bilanziell zu spüren bekommen und teilweise erhebliche Wertkorrekturen bei ihren Immobilienportfolios vornehmen müssen. TAG und LEG haben gerade Abwertungen von jeweils sieben Prozent bekannt gegeben. Beide Firmen rutschten unterm Strich mit 0,3 und 1,0 Milliarden Euro im ersten Halbjahr tief in die roten Zahlen.
Vonovia hatte zum Halbjahr Wertkorrekturen von 6,6 Prozent vorgenommen. Die Immobilienfirma Grand City Properties verbuchte nach Neubewertungen mit minus 401 Millionen Euro hohe Verluste. Im Vorjahr gab es noch 234 Millionen Euro Gewinn. Die teils hohe Verschuldung der Konzerne erweist sich als zunehmend problematisch.
Drei Immobilien-Entwickler insolvent - Pfandbriefbank: "Krise wird schärfer und länger"
Hohe Zinsen und stark gestiegene Baukosten wiederum -machen auch den Immobilienentwicklern in Deutschland zu schaffen. Innerhalb weniger Tage haben der Düsseldorfer Projektentwickler Development Partners, der Luxusimmobilien-Entwickler Euroboden aus Grünwald bei München und mehrere Gesellschaften der Nürnberger Project-Gruppe Insolvenz angemeldet. Nach Angaben des Insolvenzverwalters werden bei der Project-Gruppe derzeit Sanierungsoptionen geprüft. Es gehe um 60 Einzelprojekte mit einem Volumen von insgesamt drei Milliarden Euro. Ursache für die Insolvenz seien massiv gestiegene Baukosten. Über eine nicht insolvente Investmentgesellschaft der Project-Gruppe haben mehr als 30 000 Anleger rund 1,4 Milliarden Euro in die Bauvorhaben investiert. Der Luxus-Entwickler Euroboden wiederum begründete seine Insolvenz letztlich mit gescheiterten Grundstücksverkäufen. Die Anleihegläubiger müssten sich auf hohe Verluste einstellen, hieß es. Geschäftsführer Martin Moll sprach von einem „drastisch verschlechterten Marktumfeld“.
Wegen der Schieflagen im Immobiliensektor gerät auch die eng damit verflochtene Bankenbranche in den Blick. In Deutschland registrieren Immobilienfinanzierer wie Aareal Bank oder Deutsche Pfandbriefbank zunehmend Kreditausfälle und stellen sich auf eine längere Durststrecke ein. Die Krise an den Immobilienmärkten werde „schärfer und länger anhalten“ als zu Jahresbeginn gedacht, mit einer vorsichtigen Erholung sei frühestens Anfang 2024 zu rechnen, erklärte die Pfandbriefbank vergangene Woche.
USA: Ratingagenturen erwägen Herabstufung von JP Morgan und Bank of America
In den USA haben die Geldhäuser unterdessen Probleme vor allem im Gewerbeimmobilienbereich. Davor hat die Ratingagentur Moody’s vergangene Woche gewarnt und die Bonitätsnoten kleinerer und mittelgroßer Institute gesenkt. Die Quartalsergebnisse vieler Banken zeugten demnach von zunehmendem Gewinndruck. Die Ratingagentur Fitch hat Anfang der Woche sogar eine mögliche Herabstufung von US-Großbanken wie JP Morgan oder Bank of America ins Spiel gebracht, wie Fitch-Analyst Chris Wolfe dem US-Sender CNBC sagte. Fitch hatte bereits im Juni den gesamten Sektor heruntergestuft. In einem weiteren Schritt könnten nun bis zu 70 Institute neu bewertet und einzeln heruntergestuft werden. Dazu könnten auch Branchenriesen wie Wells Fargo und Citigroup zählen, ebenso wie Investmentbanken wie Goldman Sachs und Morgan Stanley.
Derweil kämpft in China Country-Garden-Mehrheitseignerin Yang Huiyan um ihr Lebenswerk. „Wir fühlen uns sehr schuldig“, räumte sie in einem offenen Brief ein. Bis vor Kurzem galt sie als reichste Frau Asiens. Ihr Vermögen soll laut „Forbes“ jedoch inzwischen von 30 auf vier Milliarden Euro geschrumpft sein.
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Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Vorstand der Börsenmedien AG, Herr Leon Müller, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Vonovia.