Aus Ihren zahlreichen Rückmeldungen weiß ich, welchen Stellenwert dieser Newsletter für viele von Ihnen hat. Auch und gerade wegen des jeweils ersten Teil, der sich häufig mit politischen oder gesellschaftlichen Themen auseinander setzt. Nicht allzu oft habe ich dabei Anlass für Applaus. Heute ist das anders. Denn in der vergangenen Woche hat der Bundestag wirklich einmal gearbeitet und den Kritikern der im Februar beschlossenen Diätenerhöhung damit gehörig den Wind aus den Segeln genommen. Und unsere Volksvertreter haben sich mit nichts Geringerem als dem Grundgesetz beschäftigt!
Im Hinblick auf Artikel 146 GG ließ man sich wirklich Zeit. Dort steht: "Dieses Grundgesetz, das nach der Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung im Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."
Die "Gründerväter" des Grundgesetzes, nämlich de facto die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, hatten also ausdrücklich den vorübergehenden, provisorischen Charakter der Verfassung festgelegt und einen wie auch immer gearteten Volksentscheid über die Verfassung nach der Wiedervereinigung beschlossen.
Dem hat der Bundestag nun Rechnung getragen. Voraussichtlich am Sonntag, dem 28. September d. J. wird es eine Volksbefragung geben, in der sich die Bürger in freier Entscheidung für oder gegen mehrere Entwürfe eines neuen Grundgesetzes entscheiden können, die acht Wochen zuvor an alle Haushalte versendet werden.
Damit aber nicht genug. Ordentlich durchgeputzt hat das Parlament auch bei Artikel 87 (2): "Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit es dieses Grundgesetz ausdrücklich zulässt."
Am 11. März 2004 hatte der damalige, 2012 verstorbene Bundesverteidigungsminister Peter Struck in einer Regierungserklärung festgestellt: "Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt." Zitiert wird das heute meist etwas anders, aber das tut nichts zur Sache.
Nun läuft der Rückzug aus Afghanistan, womit sich die Operation "Enduring Freedom" ihrem Ende nähert. Ergebnis: "Enduring" sind nur Gewalt und Chaos im Land, von "Freedom" keine Spur, 53 deutsche und 2315 getötete amerikanische Soldaten, Zehntausende toter Zivilisten. Wieso "unsere Freiheit" ab Jahresende nicht mehr am Hindukusch verteidigt werden muss, ist nun auch im Bundestag angekommen: Sie wurde dort noch nie verteidigt. Und bevor der militärische Wanderzirkus jetzt in Afghanistan seine sieben Sachen zusammenpackt, um unsere Freiheit diesmal in Mali, Zentralafrika und Somalia zu verteidigen, beschloss das Parlament in seltener Einmütigkeit, Artikel 87 (a) GG durch den Zusatz "der Landesgrenzen und des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland" zu ergänzen, so dass der Text künftig so aussehen wird:
"Außer zur Verteidigung der Landesgrenzen und des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit es dieses Grundgesetz ausdrücklich zulässt."
Eines seit 60 Jahren uneingelösten Versprechens des Grundgesetzes haben sich die Parlamentarier jetzt ebenfalls angenommen: Artikel 3 Absatz 2. Denn während dort festgehalten wird "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.", erhalten Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen durchschnittlich 20 - 25 Prozent weniger Lohn bzw. Gehalt und ihnen wird häufiger gekündigt.
Ab Jahresbeginn 2015 wird das nicht mehr möglich sein, da der Gesetzgeber das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" nun aus dem appellativen in den normativen Status erhoben hat. Arbeitgeber, die dann weiterhin geschlechterspezifische Vergütungsmodelle verfolgen, können mit empfindlichen Geldstrafen belegt werden.
Da kann man nur sagen: Alle Achtung! Hier haben unsere Volksvertreter ihrem Namen wirklich einmal alle Ehre gemacht. Was vielleicht auch dazu beitragen wird, die Politikverdrossenheit der Wähler abzubauen. Einen klitzekleinen Haken haben die längst überfälligen Gesetzesänderungen leider. Sie finden ihn ganz oben rechts auf dieser Seite.
Ich weiß nicht, inwieweit es mir gelungen ist, Sie in den April zu schicken. Der Scherz sei mir verziehen. Denn was die angesprochenen Themen betrifft, werden Sie von der Politik seit Jahrzehnten an 365 Tagen im Jahr in den April geschickt. Und das wird auch so bleiben, es sei denn, SIE wehren sich dagegen.
Auf Seite 2: EU bestätigt EZB-Versagen
EU bestätigt EZB-Versagen
Na also. Ich hatte Ihnen ja angekündigt, dass EZB-Chef Mario Draghi seine Weigerung, schon nur den Begriff "Deflation" in den Mund zu nehmen, nicht mehr lange durchhalten werde. Nun naht die Stunde der Wahrheit. In Deutschland sind die Preise im März nur noch um 1,0 Prozent gefallen, nach der für die EZB ausschlaggebenden Berechnungsmethode (HVPI) der EU sogar nur um 0,9 Prozent. Und nach eben dieser Berechnungsmethode fiel die Teuerungsrate Spaniens im März auf minus 0,2 Prozent. "Überraschend", wie Ökonomen betonten, was vermutlich ein vorgezogener Aprilscherz sein sollte. Damit befindet sich Europas viertgrößte Volkswirtschaft nun in der Deflation. Andererseits konstatierten besagte Ökonomen, dass das Land die Rezession überwunden habe.
Wahrscheinlich wurde der Begriff der Rezession irgendwann umdefiniert, als ich gerade nicht da war. Denn eine Arbeitslosigkeit von über 25 Prozent, eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent, sinkende Kaufkraft und dadurch bedingt sinkende Preise wurden früher als deflationäre Abwärtsspirale bezeichnet.
Was den gesamten Euroraum betrifft, veröffentlichte Eurostat gestern für März eine Inflationsrate von nur noch 0,50 Prozent. Damit ist so gut wie sicher, dass EZB-Chef Draghi am Donnerstag eine nochmalige Leitzinssenkung und/oder weitere Maßnahmen ankündigen wird, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.
Ob er das selbst glaubt, sei einmal dahingestellt. Von einem Leitzinsniveau von 4,25 Prozent 2008 hat die EZB bereits vier Prozentpunkte fortgenommen. Wie wir an der Wirtschaftsentwicklung erkennen, ganz offenkundig ohne Erfolg. Und nun soll ein Schritt von 0,25 Prozent auf 0,00 Prozent die Wende bringen? Das ist wohl eher naiv als originell. Selbst im "reichen" Deutschland ist die Kaufkraft der Verbraucher 2013 nach Berechnung des Statistischen Bundesamtes gefallen, einfach weil die Einkommenszuwächse noch schwächer ausfielen als die ohnehin schon sehr niedrige Inflation. Und:
Wie Eurostat ebenfalls feststellte, ist die Bereitschaft der Banken, Unternehmen mit frischen Krediten zu versorgen, erneut gefallen. Auch hier konnte die EZB also bis jetzt nicht punkten.
Dem stehen europäische Banken gegenüber, die nach aktuellen Zahlen 876,4 Milliarden Euro an faulen Krediten in den Büchern stehen haben. Und da die Gewinnmargen im Kreditgeschäft nach der Zinssenkungsorgie der Notenbank immer schmaler werden, nutzen die Banken das praktisch geschenkte Geld lieber zum "Zocken". Der ganze irre Reigen aus zu viel zu billigem Geld und seine unausweichlichen Folgen läuft heute wieder so ab, als ob es 2007 - 2009 nie gegeben hätte. Und bald wird er möglicherweise noch um eine Variante bereichert.
Denn die EU plant die Auflage eines so genannten "blauen Sparbuchs". Herausgegeben werden soll es von der Europäischen Investitionsbank EIB. Und wie EU-Binnenmarktkommissar Barnier in Brüssel kundtat, könnte dieses Sparbuch zum einen steuerbegünstigt und evtl. auch mit einer staatlich garantierten Rendite ausgestattet sein. Zweck der Übung:
1. Die EU will Anreize zum Sparen bieten. Wie bitte? Wenn Europa am Rande der Deflation steht und die Menschen zum Sparen animiert werden, dann wird sich Europa diesen Rand der Deflation sehr bald von der anderen Seite aus ansehen. Der IWF plant das genaue Gegenteil und will den Konsum zur Not "mit Negativzinsen "erzwingen".
2. Das von den Sparern eingesammelte Geld soll in Unternehmenskredite fließen, die ja von den Banken immer spärlicher vergeben werden. Damit bestätigt die EU unmissverständlich, dass sich die Politik der EZB auf dem Holzweg befindet.
Ob man will oder nicht: Der Eindruck, dass die Verantwortlichen mittlerweile völlig im Dunkeln tappen, eher gegen- als miteinander arbeiten, ist nicht von der Hand zu weisen. Es läuft. Ja. Aber es läuft in die falsche Richtung. Und einen Grundfehler begeht die Politik nach wie vor: Sie unterschätzt das, was als gesunder Menschenverstand bezeichnet wird. Nur weil man ihn selbst vermutlich irgendwann irgendwo verloren hat und sich vor lauter Machtgefühl nicht mehr daran erinnert, wann und wo das war, bedeutet das ja nicht, dass es dem "kleinen Mann" ebenso ergangen wäre.
Ohne dass der Durchschnittsbürger so genau benennen könnte, was denn am gegenwärtigen Geschehen alles schiefläuft, spürt er es doch instinktiv. Und er reagiert. Die Ankündigung weiterer Zinssenkungen und/oder anderer geldpolitischer Maßnahmen, das nur am Rande, ist ein Irrweg allererster Güteklasse. Avisiert man den Konsumenten, Häuslebauern oder Investoren, dass Geld bald noch und danach vielleicht noch einmal billiger zu haben sein wird, stellen sie evtl. geplante Käufe sinnvollerweise zurück. Ergebnis: Weiterer wirtschaftlicher Abschwung, weiterer Preisdruck auf die Unternehmen, dadurch Druck auf die Löhne, sinkende Einkommen - genau so verhindert man eine deflationäre Abwärtsspirale nicht, so heizt man sie an. Im Gegensatz zu Mario Draghi versteht das der "kleine Mann". Aber:
Die Börsen werden jubeln, falls die EZB ihre Geldpolitik weiter lockert. Denn (nur) hier kommt das ultrabillige Geld an. Dass sich die zu erwartenden neuen Kurshochs dann immer weiter von der wirtschaftlichen Wirklichkeit entfernen, ist ja nicht ganz neu. "Überraschenderweise" werden die Kurse dem dann irgendwann auch einmal Rechnung tragen. "Dr. Doom" Marc Faber erwartet, dass beim nächsten Crash "Blut fließen" wird. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Mit weniger Abwärtsdynamik als bei den letzten beiden Zusammenbrüchen des Marktes sollten Sie aber auch nicht rechnen. Aber noch nicht. Damit zum Status quo:
Auf Seite 3: Wall Street: Weiter grüne Welle!
Wall Street: Weiter grüne Welle!
Wiederholt hatte ich Sie ja darauf hingewiesen, statt auf teils etwas verstörend wirkende Marktkommentare lieber auf die Charts zu achten.
Denn nur hier zeichnet sich wirklich alles ab, was der Markt tut, unabhängig davon, ob dass nun in Ihren Augen "richtig" oder "falsch", vernünftig" oder "unvernünftig" ist.
Und im Chart des S&P 500 hat sich auch in den letzten Handelstagen nichts ereignet, was den Bären Mut machen könnte. Denn nach wie vor befinden sich die Kurse ja sogar oberhalb des vor fünf Jahren gestarteten Aufwärtstrendkorridors. Und was die Ihnen ja bereits vertraute "Megaphon-Formation" des Dow Jones im Monatschart betrifft, haben wir mit dem gestrigen Quartalsultimo ebenfalls noch keine Abwärts-Indikation:
Denn aktuell befindet sich der Index lediglich rund 400 Punkte unterhalb der oberen Begrenzung dieser Chartformation. Aber: Die im Chart in Rot eingezeichnete, seit 2009 bestehende Aufwärtstrendgerade liegt ihrerseits nur knapp 400 Punkte unterhalb des aktuellen Kurses. Wird sie unterschritten, heißt es aufzupassen. Denn dann könnte sowohl der Zeitpunkt zum Ausstieg als auch der Moment gekommen sein, an dem der Aufbau lang laufender Puts ins Auge gefasst werden kann. Achten Sie also zum einen auf die genannte Aufwärtstrendlinie des Dow Jones. Und zum anderen auf den die Entwicklung der Nachfrage nach Krediten zum Aktienkauf.
Keine einzige der großen und wichtigen Trendwenden an der Wall Street in diesem Jahrhundert hat sich ohne ein entsprechendes Signal dieses Indikators ereignet. Aktuell läuft er seit nunmehr drei Wochen auf seinem neuen Allzeithoch seitwärts. Der extreme Optimismus ist also ungebrochen. Und solange das so ist, sollte sich niemand gegen den Markt stellen, egal wie gut seine Argumente sind!
Auf Seite 4: Gold: Ausbruch nach unten
Gold: Ausbruch nach unten
In der vergangenen Woche hatte ich Sie auf die bearishe "Flagge" im Gold-Chart aufmerksam gemacht. Diese Formation hat der Unzenpreis nun signifikant nach unten verlassen.
Formal bedeutet das nichts anderes als ein neues Verkaufssignal. Und dazu passt es wie das berühmte i-Tüpfelchen, dass auch der Prozentsatz der bullish bestimmten Gold-Analysten exakt auf der seit vier Jahren bestehenden Abwärtstrendlinie nach unten eingeknickt ist.
Komplettiert würde das neue Baissesignal für die Edelmetalle, falls Silber unter 18,60 US-Dollar pro Feinunze fallen sollte. Der Aufbau neuer Puts wäre dann eine ausgesprochen viel versprechende Sache, zumal Sie mit einem engen Stopp arbeiten können!
Auf Seite 5: EUR/USD: Abwärtswende voraus
EUR/USD: Abwärtswende voraus
Bei EUR/USD hatte ich Sie gewarnt, dem Ausbruch nach oben zu misstrauen. Keine acht Wochen mehr, und die Europawahl liegt hinter uns. Und wie es aussieht, werden die EU/Euro-Gegner dabei gewaltig punkten können. Hinzu kommt, dass sich die Zinssituation in den USA verschärfen, in Euroland hingegen weiter lockern dürfte. Allein dieser Zinsvorteil spricht für den Dollar und gegen den Euro.
Zum Wochenschluss ist der Kurs wieder unter die zuvor nach oben durchbrochene Abwärtstrendgerade zurückgefallen. Das sieht gewaltig nach einer sgn. Bullenfalle aus. Ein Verkaufssignal ist das jedoch noch nicht. Aber wenn es dazu kommt, deutet die Perspektive in Richtung 1,20. Und das wäre natürlich ein echtes Zuckerschlecken für eine neue Währungsposition!
Viel Erfolg und beste Grüße!
Axel Retz
Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal www.private-profits.de.
Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal www.private-profits.de.