Zählen Sie auch zu den Anlegern, die mit der Buchstabenkombination ESG fremdeln? Die zwar schon öfter davon gehört haben, aber eine eher diffuse Vorstellung davon haben, was sie sagen will? Das Kürzel werden Sie sich jedoch einprägen müssen. Denn es spiegelt einen gesellschaftlichen Wandel zu mehr Nachhaltigkeit wider, der kaum noch aufzuhalten ist. Konkret steht ESG für die englischen Begriffe Environmental, Social und Corporate Governance, was man mit Umwelt, Soziales und Unternehmensführung übersetzen kann.
Aber was bedeutet dies praktisch? Was ändert sich in den Fonds- und ETF-Portfolios, die eine ESG-konforme Strategie verfolgen? Und wie ändern sich ihre Renditen? Um das herauszufinden, hat sich €uro bei Fonds und ETFs passende Geschwister angeschaut, die normal und nachhaltig investieren.
48 Prozent weniger CO². Ein gutes Beispiel dafür sind der DWS Top Dividende und der DWS ESG Equity Income. Bei beiden Fonds investieren die Manager weltweit in defensive Dividendenaktien, doch beim DWS ESG Equity Income berücksichtigt Manager Martin Berberich zusätzlich nachhaltige Kriterien (siehe Tabelle unten). Dazu nutzt er eine DWS-Software, mit der er auf die Daten von spezialisierten ESG-Datensammlern wie ISS ESG, MSCI, Sustainalytics oder S & P TruCost zugreifen kann. "Auf diese Weise können wir die Unternehmen mit den besten ESG-Kriterien in einer Branche oder einer Region objektiv identifizieren und jene Titel herausfiltern, die unsere Kriterien nicht erfüllen", sagt Berberich. Gegenüber dem DWS Top Dividende kommt Berberich beim DWS ESG Equity Income daher lediglich auf eine Überschneidung von etwas über 50 Prozent. So besitzt er etwa keine Öl- und Gaswerte mehr, obwohl einige davon den ESG-Check bestehen würden. "Viele nachhaltig orientierte Investoren möchten diese Titel jedoch nicht mehr im Portfolio haben", sagt er. "Daran orientiere ich mich." Stattdessen setzt er im Energiebereich auf Betreiber von Gaspipelines oder Anbieter von Biodiesel. Im Schnitt stoßen die Aktien im DWS ESG Equity Income so 48 Prozent weniger klimaschädliches CO2 aus als die Unternehmen im Index für Industrieländeraktien, dem MSCI World.
Gut vergleichbar sind auch der DWS Global Emerging Markets und der DWS ESG Global Emerging Markets. Dort investiert Sean Taylor jeweils in Aktien aus China, Taiwan oder Südkorea und hält bei der ESG-Variante weniger Energie- und Rohstoffwerte, da sie eine schlechtere ESG-Bilanz als Finanz-, IT- und Konsumwerte aufweisen.
Positiver Effekt. Was Anleger zudem interessieren dürfte: Bei beiden DWS-Geschwistern schnitt die ESG-Variante in den vergangenen Monaten jeweils deutlich besser ab als ihre traditionelle Variante. Taylor spricht daher von einem "positiven statistischen Zusammenhang zwischen der Aktienperformance und ihrem ESG-Rating". Oder kurz: Je besser das ESG-Rating ausfällt, desto besser war die Wertentwicklung. Denn nachhaltige Unternehmen agieren häufiger in zukunftsträchtigen Branchen und leiden weniger unter Reputationsrisiken, die bei umweltschädlichen, unsozialen sowie schlecht geführten Unternehmen auftreten können.
Bei zwei globalen Aktienfonds vom britischen Fondsanbieter Schroders trat dieser positive ESG-Effekt zuletzt genauso auf. Hier schaute sich €uro den herkömmlichen Schroder Global Equity sowie den ESG-orientierten Schroder Global Sustainable Growth an. Zwar halten beide Fonds nachhaltige Kriterien ein, doch geht die Sustainable-Variante dabei strenger vor.
Katherine Davidson und Charles Somers managen die Sustainable-Variante. Bei der ESG-Analyse achten sie vor allem auf eine gute Unternehmensführung, also das G in ESG. Manchmal werden die Firmenchefs zum Beispiel überdurchschnittlich stark belohnt, wenn sie kurzfristige Ziele erreichen. Dann werden Davidson und Somers skeptisch, weil dies zulasten der Aktionäre gehen könnte. Vorsichtig werden sie auch, wenn die Unternehmen ihre sogenannten Stakeholder schlecht behandeln, wozu Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden zählen. Ihr Credo ist deshalb einfach: Zunächst benötigen die Firmen ein gutes Geschäftsmodell. Doch nur, wenn auch ihre Firmenkultur stimmt, kann daraus eine langfristig attraktive Aktie werden.
Zudem prüfte €uro den ESG-Effekt beim Mischfonds Value Intelligence Fonds sowie bei dessen nachhaltiger Variante, dem Value Intelligence ESG Fonds. Bei beiden setzt Manager Stefan Rehder auf günstig bewertete Qualitätsaktien. Die nachhaltigen Kriterien für den ESG-Ableger hat er jedoch bewusst sehr streng formuliert. Die Folge: In der klassischen Variante hält er zurzeit 60 Einzelwerte und operiert mit einer Aktienquote von rund 65 Prozent. Für den ESG-Ableger qualifizieren sich dagegen nur 38 Titel und die Aktienquote fällt aktuell mit 50 Prozent deutlich niedriger aus. Sprich: Je strenger er die ESG-Kriterien auslegt, desto weniger passende Titel findet er. Doch auch bei Rehder waren die Aktien umso erfolgreicher, je strenger er die ESG-Elle anlegte. Daher würde die ESG-Variante besser laufen als die normale Variante, wenn Rehder die Aktienquote dort ebenfalls auf 60 Prozent anheben könnte und weniger niedrig verzinste Anleihen hielte.
ESG versus SRI. Auch bei ETFs sah sich €uro normale und ESG-Produkte an und analysierte sogenannte SRI-ETFs. SRI steht für Socially Responsible Investing und bedeutet beim Indexanbieter MSCI, dass die nachhaltige Auslese der Aktien nochmals strenger als beim ESG-Ansatz ausfällt. So hält der iShares MSCI Europe ETF etwa 440 Einzelwerte und dessen ESG-Variante 413. Das ist lediglich ein Unterschied von sechs Prozent.
Völlig anders ist dies bei der SRI-Variante des MSCI Europe. Diese hält nur 112 Einzelwerte, was einer Reduktion um 75 Prozent entspricht. Zugleich fiel der sogenannte MSCI-ESG-Qualitätswert als Maß für Nachhaltigkeit durch die Reduktion immer besser aus. Ähnlich ist dies bei den entsprechenden iShares-ETFs für globale, Schwellenländer- und US-Aktien.
Fast immer entwickelte sich die ESG-Variante dabei besser als die normale Variante und die SRI-Variante nochmals besser. Eine Ausnahme bildet hier nur der SRI-ETF für Schwellenländeraktien, der merklich schlechter lief. Der Grund: Dieser SRI-ETF hält nur 16 Prozent in chinesischen Aktien, die sich zuletzt mit am besten unter allen Emerging-Markets-Aktien entwickelten. Die normale und die ESG-Variante gewichten China jedoch mit rund 40 Prozent, was ihnen zu mehr Auftrieb verhalf.
Ausblick. Alles in allem ist die Botschaft jedoch klar. Wer zuletzt nachhaltig anlegte, verdiente meist mehr. Dass dies so bleibt, ist aber nicht garantiert.
Schuld daran sind ausgerechnet jene Anleger, die nachhaltig anlegen möchten. Denn wenn immer mehr Geld in ESG- und SRI-konforme Aktien fließt, werden diese dadurch teuer. Das könnte ihre künftige Wertentwicklung bremsen. Katherine Davidson von Schroders ist deswegen vorsichtig. "Es werden unvermeidlich mehr Mittel in ESG-Fonds fließen, was bei führenden ESG-Unternehmen zu einem Kaufdruck führen wird", sagt die Fondsmanagerin. Allerdings müsse sie mit ihrem Fonds keinen Index abbilden und könne auf überbewertete Indextitel verzichten.
Auch Stefan Rehder, Gründer der Münchner Value Intelligence Advisors GmbH, betrachtet die Bewertungen von ESG-Aktien kritisch. "Ein gutes und nachhaltiges Unternehmen ist nicht automatisch ein gutes Investment", sagt er. Das werde gern übersehen. "Daher versuchen wir, Nachhaltigkeit und Werthaltigkeit miteinander in Einklang zu bringen", ergänzt er. DWS-Manager Martin Berberich betrachtet die Situation gelassener. Irgendwann dürften gute ESG-Aktien tatsächlich zu teuer werden, vermutet er. Aber nicht sofort. "Dieser Prozess steht erst am Anfang", erklärt er.
Denkbar sind auch andere Szenarien. So könnten die Kurse durch das stetig frische Kapital weiterhin steigen. Zudem dürften die Unternehmen selbst immer nachhaltiger werden und die Anleger dadurch genug gute und günstige ESG-Aktien finden.