Sie haben Erspartes und erreichen bald den Ruhestand? Oder Sie möchten eine Zeit lang regelmäßig eine gewisse Summe entnehmen? Ein ETF-Auszahlplan ist dann eine gute Idee. Von Brigitte Watermann
Die Corona-Pandemie ist vielleicht nicht gerade die beste Zeit für ein halbjähriges Sabbatical, um zu verreisen, aber man kann ja schon mal träumen und ein solches Vorhaben planen. Leider kann Corona es aber nötig machen, eine Weile vom Ersparten zu leben, weil die Auftragslage derzeit schlecht aussieht. Oder Sie selbst gehen demnächst in den Ruhestand - und möchten Ihr Vermögen nutzen, sich selbst eine Zusatzrente zu zahlen. Gründe gibt es viele, sich zu überlegen, eine kürzere oder längere Weile auf sein Erspartes zurückzugreifen. Eine bequeme und äußerst flexible Möglichkeit dazu bieten Entnahmepläne auf Basis von börsengehandelten Indexfonds, kurz ETFs.
Entnahmepläne sind umgekehrte Sparpläne - statt regelmäßig Geld beiseitezulegen und Vermögen aufzubauen, verkauft man regelmäßig ETFs aus seinem Bestand - ebenfalls meist für eine festgelegte Summe pro Monat. Doch während ETF-Sparpläne unter Privatanlegern boomen (siehe BÖRSE ONLINE 4/2021) und die Anbieter ihre Palette über die Jahre mehrheitlich ausgebaut haben, sieht es bei ETF-Entnahmeplänen anders aus. Sie fristen ihr Dasein als Nischenprodukt. "Aufgrund der sehr hohen Nachfrage nach Sparplänen werden Auszahlpläne zukünftig an Bedeutung gewinnen", glaubt indes Sabine Meyer, verantwortlich für Produkt- und Handelsangebot beim S-Broker.
Nur ein Nischenprodukt
Von den bekannten Brokern und großen Filialbanken mit Online-Brokerage finden sie sich nur bei Flatex, S-Broker und der Targobank im Programm. Anleger, die selbst wissen, was sie wollen, werden auch bei Finvesto fündig, einer Marke der Fondsbank Ebase, die mit Vermittlern zusammenarbeitet. "Da sich eine Vielzahl von Kunden in der Phase des Vermögensaufbaus befindet, sind intelligente Auszahlungslösungen, beispielsweise für den Ruhestand, für diese Kunden noch kein Thema. Zukünftig spricht aber sehr viel für eine wachsende Nachfrage", meint auch Matthias Krautbauer von Ebase.
Dabei sind ETF-Entnahmepläne interessant - lassen sie sich doch sparbequem in Entnahmepläne umwandeln. Auch eine Auszahlung aus einer Lebensversicherung oder eine Abfindung können - als Kapitalstock in einen ETF investiert - einen Entnahmeplan speisen. Wie bei ETF-Sparplänen bleibt man auch bei Auszahlplänen sehr flexibel, kann die Raten nach Bedarf anpassen oder auch den Entnahmeplan eine Weile aussetzen oder ganz beenden. Und noch ein Vorteil: "Auszahlpläne ermöglichen es, weiterhin an der Wertentwicklung Ihrer Wertpapiere zu partizipieren, während Sie Stück für Stück Anteile verkaufen", sagt Meyer. Denn während man regelmäßig Geld entnimmt, bleibt das übrige Kapital an den Börsen investiert und hat damit die Chance, weiter an Wert zuzulegen. Wessen Bank keinen Entnahmeplan anbietet, kann natürlich im Do-it-yourself-Verfahren jeden Monat ETFs aus dem Bestand verkaufen. Aber das macht mehr Mühe, denn man muss selbst an den Verkauf denken.
Eines muss einem aber klar sein: Möchte man mit seinem ETF-Entnahmeplan seine Rente aufbessern, erhält man keine Garantie, dass diese Geldquelle wirklich bis zum Lebensende sprudelt, zumal sich Börsencrashs nie ausschließen lassen. Gut geplant kann man dem aber sehr nahekommen. Wenn man nur für eine begrenzte Zeit Entnahmen tätigen möchte, ist die Planung ohnehin leichter.
Auf jeden Fall sollte man beachten, sein Kapital international möglichst breit gestreut zu investieren. Bei ETFs bieten sich Produkte auf den MSCI World Index oder den FTSE Developed Index an, die beide auf die Aktien von rund zwei Dutzend Industrieländern setzen, oder auf den MSCI All Country World Index (ACWI) und sein Pendant FTSE All World Index, die zusätzlich die Aktienmärkte wichtiger Schwellenländer mit abbilden. Auf jeden Fall sollte man einen Entnahmeplan nicht zu kompliziert gestalten und nicht auf eine Vielzahl von ETFs setzen. Denn jeder Verkauf kostet nicht nur Gebühren (siehe Tabelle), auch Mindestentnahmeraten sind zu beachten. Unter Gebührenaspekten kann es besser sein, statt monatlich nur vierteljährlich, dafür aber eine höhere Rate zu entsparen.
Die richtigen Weichen stellen
Es gibt also einige Stellschrauben bei der Planung zu beachten. Die wichtigsten sind zum Ersten die Höhe des Kapitalbestands zu Beginn des Entnahmeplans, zum Zweiten wie hoch die erwartbare Rendite auf den verbleibenden Kapitalstock ausfällt. Drittens ist zentral, wie viel Geld man regelmäßig entnehmen möchte, viertens, wie lange der Plan laufen soll, und fünftens, ob man sein Kapital aufbrauchen möchte oder nicht.
Dazu ein Beispiel: Angenommen, Sie investierten 150 000 Euro als Kapitalstock. Über die 20 Jahre seit Ende des Jahres 2000 war mit ETFs auf den MSCI ACWI Index eine jährliche Rendite von 5,9 Prozent drin, allen Börsenturbulenzen zum Trotz. Speisen Sie daraus einen ETF-Entnahmeplan und möchten nach 20 Jahren noch 20 000 Euro übrig behalten, könnten Sie sich bei dieser Anlagerendite eine monatliche Auszahlung von rund 1000 Euro spendieren. Sie müssen aber bei Börsenschwankungen die Nerven behalten. Und es gibt natürlich keine Garantie, dass es künftig genau so läuft.
Denkbar ist auch eine Variante, in der die Höhe der Auszahlungsraten regelmäßig auf die gewünschte Restlaufzeit hin neu kalkuliert und angepasst wird. Eines ist aber sicher wie das Amen in der Kirche: Von ETF-Verkäufen mit Gewinn knapst der Fiskus 25 Prozent Abgeltungsteuer ab, sofern Sie Ihren Sparerpauschbetrag von 801 Euro (pro Person/Jahr) ausgeschöpft haben.