Der ETF-Markt weist seit Jahren ein beeindruckendes Wachstum auf. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich das verwaltete Vermögen der börsengehandelten Indexfonds (Exchange Traded Funds, ETF) verdoppelt. Auch in Europa ist die Anlageklasse weiter im Aufwind. Hier verwalten ETF-Gesellschaften mittlerweile 890 Milliarden US-Dollar. Vor zehn Jahren war es gerade einmal ein Viertel dieser Summe (Quelle: ETFGI).

Aber das rein quantitative Wachstum ist nur die halbe Geschichte. ETFs haben sich auch qualitativ weiterentwickelt zu einem voll akzeptierten Teil der Finanzbranche. Denn Anleger erwarten nicht nur Transparenz, Kosteneffizienz und einen einfachen Zugang zu den Märkten dieser Welt, sondern zunehmend auch einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Kapital. Hier können ETFs heute dieselben Standards bieten, wie es Investoren von aktiv gemanagten Fonds gewohnt sind.

Auch ETF-Emittenten stimmen auf Hauptversammlungen ab


Ein wichtiger Teil ist die gestiegene Bedeutung von Aktivitäten rund um Steward­ship. Damit ist gemeint, dass die Aktionäre ein langfristiges strategisches Interesse daran haben, die Unternehmen, in die sie investiert sind, durch aktives Engagement auf verschiedenen Ebenen zu führen. Das schließt beispielsweise Abstimmungen auf Hauptversammlungen ein. Eine aktuelle Umfrage unter 127 Pensionsfonds weltweit hat die gestiegene Bedeutung von Stewardship für ETF-Anleger bestätigt. Da passive Anlagen naturgemäß kein Alpha generieren können, sind Pensionsfonds bestrebt, ihre Beta-Qualität durch ein besseres Stewardship - das einen effektiven Dialog mit den Beteiligungsgesellschaften fördert - zu erhöhen.

Sechs von zehn Pensionsfonds halten Stewardship für "sehr wichtig", während acht von zehn erwarten, dass die Stewardship-Anforderungen an ihre passiven Vermögensverwalter künftig steigen. Insgesamt halten ganze 84 Prozent Stewardship-Praktiken für entscheidend, um die Qualität von Beta zu verbessern.

Durch die Bedeutung von Steward­ship kommt ein zweiter Aspekt ins Spiel, der oft übersehen wird. Auf dem europäischen ETF-Markt entfallen nur 42 Prozent des verwalteten Volumens auf europäische Adressen, 58 Prozent dagegen auf US-Anbieter. Die Vertretung der Aktionärsinteressen wird so mehrheitlich durch die US-amerikanische Brille betrachtet. Viele institutionelle Investoren fühlen sich daher in Sachen Governance besser durch einen europäischen Anbieter vertreten.

Die DWS vertritt seit über 20 Jahren Aktionärsinteressen. Wir haben als Anbieter von Indexlösungen den Vorteil, Teil eines integrierten Asset Managers zu sein. Auch die Stimmrechte der sich in Xtrackers-ETFs befindlichen Aktien werden durch die DWS vertreten.

Sparer fragen vermehrt ETFs nach, die nachhaltig anlegen


Ein weiterer Aspekt, bei dem sich ETFs bedeutend weiterentwickelt haben, sind positive Auswirkungen auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environment, Social, Governance, ESG). Hier haben ETF-Gesellschaften sogar eine doppelte Funktion: Sie können zum einen über die Wahrung der Aktionärsinteressen grundsätzlich Entwicklungen in diese Richtung unterstützen. Sie bieten aber auch verstärkt ETFs an, die streng nach ESG-Kriterien investieren.

Laut einer aktuellen Umfrage haben Pensionsfonds ein großes Interesse an nachhaltigen Investments. Die Erfahrung der letzten Jahre verdeutlicht aber ebenso, dass nachhaltige Anlagelösungen auch bei Beratern und Privatanlegern auf großes Interesse stoßen. ETFs mit ESG-Filter werden zunehmend nachgefragt. Dabei haben sich verschiedene Ansätze entwickelt, die über ETFs investiert werden können. So besteht ­einerseits die Möglichkeit, sich bei Invest­ments an ESG-Indizes zu orientieren, die Emittenten von Treibhausgasen oder Unternehmen mit hohen fossilen Brennstoffreserven weitgehend ausschließen. Allerdings nimmt der generelle Ausschluss solcher Unternehmen Investoren die Möglichkeit, die Geschäftspolitik mit Investorengesprächen und dem eigenen Abstimmungsverhalten auf den Hauptversammlungen zu beeinflussen.

Anstatt alle betroffenen Unternehmen unterschiedslos zu eliminieren, kann der Ausschluss auf Unternehmen beschränkt werden, die sich in der Erschließung neuer kohlenstoffreicher Energiereserven engagieren oder die das Klimarisiko nicht ausreichend stark managen. Gleichzeitig können Unternehmen priorisiert werden, die am besten darauf vorbereitet sind, den Übergang zu einem kohlenstoffarmen Geschäftsmodell zu bewältigen. Investoren nehmen über ihr Engagement auf die Geschäftsstrategie, die Kapitalstruktur und zahlreiche ESG-Themen, wie eben die Risiken durch den Klimawandel, Einfluss.

Anleihen-ETFs haben Aktien als wichtigstes Investment abgelöst


Ein solches Engagement kann durchaus positive Auswirkungen auf die Aktienkursentwicklung haben. In den Untersuchungen fiel der positive Effekt für die Wertentwicklung besonders deutlich aus, wenn sich das Engagement der Investoren auf Corporate Governance und Reduzierung von Klimarisiken konzentriert hat.

Eine andere bedeutende Weiterentwicklung des ETF-Markts, die nicht unerwähnt bleiben soll, betrifft die Nachfrage der genutzten Assetklassen. Der ETF-Markt war, gerade in Europa, lange Zeit von Aktienindizes dominiert. ETFs galten als typische Lösung für Aktieninvestoren. Im laufenden Jahr haben erstmals ETFs auf festverzinsliche Märkte die höheren Zuflüsse erzielt.

Das ist viel mehr als eine statistische Randnotiz. Denn es zeigt, dass auch immer mehr institutionelle Anleger auf kostengünstige und liquide Renten-­ETFs zugreifen, um ihre Portfolios zu konstruieren. Renten-ETFs können also auch für große Kapitalsammelstellen die Verantwortung als Kernbestandteil im Rahmen ihrer strategischen Asset Allocation wahrnehmen. Das gilt sowohl für Staats- wie für Unternehmensanleihen, für Industrie- wie für Schwellenländer, für Investment-Grade- wie auch Hochzins-Segmente. Auch das ist eine qualitativ neue Stufe für ETFs, die vor wenigen Jahren noch nicht so deutlich zu beobachten war.

Kurzvita

Simon Klein
Head of Passive Sales, Europe & Asia Pacific bei der DWS
Der Autor ist bei der DWS verantwortlich für den Vertrieb passiver Investmentlösungen. Er startete seine Karriere im Jahre 2000 bei der Bayern LB. Von 2007 bis 2011 verantwortete Klein bei der Deutschen Bank den Bereich Sales für ETFs und ETCs für Kontinentaleuropa. Die DWS Group ist einer der weltweit führenden Vermögensverwalter mit einem verwalteten Vermögen von 719 Milliarden Euro.