Damit dürfte das Hilfsprogramm am Dienstag um Mitternacht auslaufen. Ein Regierungsvertreter in Athen erklärte, das Land werde eine am Dienstag fällige Kreditrate von 1,6 Milliarden Euro an den IWF nicht zahlen. Wegen des befürchteten Ansturms beunruhigter Sparer blieben die Banken des Landes geschlossen und sollen genau wie die Athener Börse erst wieder am kommenden Montag öffnen.

Der Dax verzeichnete mit einem Minus von zeitweise 4,6 Prozent den stärksten Kursrutsch seit dreieinhalb Jahren. Der Euro hielt sich dagegen relativ stabil.

Merkel sagte nach einem Treffen mit den Spitzen der Bundestagsparteien im Kanzleramt, es sei an der Regierung in Athen, nach dem Auslaufen des aktuellen Programms einen neuen Antrag auf Hilfen zu stellen. "Für mich geht es im Kern darum, dass der Satz wieder im Zentrum steht: Scheitert der Euro, scheitert Europa."

Einen EU-Sondergipfel stellte die Kanzlerin erst für die Zeit nach dem griechischen Referendum in Aussicht. Juncker kritisierte die Regierung in Athen scharf dafür, die Verhandlungen am vergangenen Freitag abgebrochen zu haben. Die griechischen Wähler rief er dazu auf, am Sonntag für einen Verbleib im Euro und in der EU zu stimmen.

Am Dienstag läuft das Hilfsprogramm der Euro-Partner für Griechenland aus. Ohne eine Freigabe von eingefrorenen Mitteln aus dem Programm fehlen dem Land die nötigen Gelder, um die fällige IWF-Rate zu begleichen. Das klamme Eurozonen-Mitglied wäre das erste Industrieland, das bei dem Fonds in Zahlungsrückstand gerät.

Am Ende könnte die griechische Regierung gezwungen sein, den Euro aufzugeben. Die Rating-Agentur S&P schätzte die Wahrscheinlichkeit eines Austritts Griechenlands aus dem Euro auf rund 50 Prozent. Angesichts fehlender günstiger Umstände sei in den kommenden sechs Monaten mit Kreditausfällen zu rechnen, erklärte die Agentur.

Die Regierung in Athen teilte nach einer nächtlichen Krisensitzung mit, griechische Kunden dürften von Geldautomaten 60 Euro pro Tag abheben. Für Ausländer gilt dies nicht. Online-Überweisungen sind weiter möglich, aber nicht ins Ausland. Am Montag bildeten sich vor den Geldautomaten und in Supermärkten des Landes lange Schlangen. "Ich kann es nicht glauben", sagte die Athenerin Evgenia Gekou. "Ich denke weiter, dass wir morgen aufwachen und alles in Ordnung sein wird." Die EU-Kommission billigte die Einführung der Kapitalverkehrskontrollen, mahnte aber deren zeitliche Begrenzung an.

JUNCKER: FÜHLE MICH EIN WENIG VERRATEN



EU-Kommissionschef Juncker rief die griechische Bevölkerung in ungewöhnlich offenen Worten dazu auf, am Sonntag gegen die Empfehlung der eigenen Regierung zu stimmen. "Wenn die Griechen mit 'Ja' stimmen, ist das ein Zeichen an die EU und die Welt, dass Griechenland im Euro bleiben will." Ähnlich äußerten sich EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel.

Juncker machte der Regierung in Athen schwere Vorwürfe, die Reformvorschläge von EU-Kommission, EZB und IWF nicht angenommen und stattdessen das Referendum angesetzt zu haben. "Der Versuch, eine Demokratie gegen 18 andere der Euro-Zone auszuspielen, steht Griechenland nicht." Er fühle sich zudem "ein wenig verraten", da seine Bemühungen für eine Einigung nicht genug anerkannt worden seien.

Tsipras bat Juncker und Schulz erneut um eine Verlängerung des aktuellen Hilfsprogramms. Es gehe um "ein paar Tage" Aufschub, um die Liquidität des griechischen Bankensystems wiederherzustellen, sagte ein Regierungsvertreter in Athen. Die Euro-Finanzminister hatten die Bitte am Samstag abgelehnt.

EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny nannte die Schließung von Banken und Börse in Griechenland eine "sehr dramatische Situation". "Man kann nur hoffen, dass es nach der Volksabstimmung zu einer vernünftigen Lösung kommt." Für Mittwoch kündigte Nowotny weitere Beratungen im EZB-Rat über den Umgang mit den ELA-Nothilfen an. In der "Wiener Zeitung" sagte er, nach Ablauf des aktuellen Rettungsprogramms müsse die EZB klären, ob sie weitere Nothilfen für die griechischen Banken genehmigen kann.

Für Deutschland sieht Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Haushaltsplanungen durch eine mögliche Staatspleite Griechenlands nicht in Gefahr. In einem Reuters am Montag vorliegenden Brief an die Bundestags-Abgeordneten schrieb der Minister, Ausfälle bei Zinszahlung oder Tilgung würden sich "erst schrittweise und verteilt über viele Jahre auf den Bundeshaushalt auswirken".

Die von Deutschland verbürgten Hilfskredite von insgesamt rund 53 Milliarden Euro werden erst ab 2020 fällig. Schäuble betonte, dass ein Hilfsprogramm wie das für Griechenland nur eine Hilfe zur Selbsthilfe leisten könne.