Noch bevor das Ergebnis des griechischen Referendums bekannt wurde, zeigten sich Risse in der Euro-Zone: Der sozialistische französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron warnte vor einem neuen "Versailles-Vertrag" der Euro-Zone für Griechenland, also zu harte Bedingungen für das fast bankrotte Land - in Erinnerung an 1919, als die Sieger des Ersten Weltkriegs Deutschland harte Lasten auferlegten. Dagegen betonte SPD-Chef Sigmar Gabriel nachdem "Nein" der Griechen zu den Reformauflagen, dass er kaum noch Chancen für Kompromisse mit der Linksregierung in Athen sehe. Schon vor dem Referendum waren sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande uneins, ob noch vor der Abstimmung der Griechen über eine Lösung weiterverhandelt werden solle.

Jetzt wächst die Sorge, dass die Spannungen unter den 18 Euro-Staaten zunehmen. "Oberste Aufgabe ist, dass die 18 Euro-Staaten zusammen blieben", hieß es in der Bundesregierung am Montag. Deshalb hatte Merkel bereits am Sonntagabend bekannt gegeben, am Montagnachmittag nach Paris zu reisen, um mit Hollande gleich den ganzen Nachmittag und Abend über Folgen der Griechenland-Krise zu reden. Es soll gar nicht erst der Eindruck entstehen, dass die beiden größten Euro-Staaten nun auseinanderdriften könnten. Merkels Sprecher Steffen Seibert pries noch einmal die "besonders enge und gute Abstimmung" zwischen Deutschland und Frankreich.

Um eine lange andauernde Phase der Kakophonie zwischen den 18 Euro-Staaten (ohne Griechenland) zu vermeiden, schlugen Merkel und Hollande gleich einen Sondergipfel der Euro-Zone am Dienstag vor. Dem wird noch ein Eurogruppen-Treffen der Finanzminister vorgeschaltet.

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SCHOCKSTARRE UND FASSUNGSLOSIGKEIT NACH DEM "NEIN"



Nur in einem scheinen sich alle Partner Griechenlands einig zu sein: Das "Nein" beim Referendum hat einen Kompromiss schwieriger gemacht. Denn nach Ansicht vieler Unions-Politiker, aber auch Banken-Analysten und zahlreicher osteuropäischer Euro-Regierungen ist ein "Grexit", also ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone, jetzt die wahrscheinlichste Variante. Aber genau dies soll etwa nach Ansicht der französischen Regierung verhindert werden. Auch der italienische Europaminister Sandro Gozi forderte am Montag, Griechenland im Euro zu halten - auch wenn dies Kompromisse von beiden Seiten erfordert.

Besonders heikel ist die Lage für Merkel selbst. "Mit dem Nein der Griechen und Tsipras als Gesprächspartner wird es nun viel schwieriger sein, im Bundestag eine Zustimmung für weitere Milliardenhilfen zu finden", sagte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Michael Fuchs zu Reuters. Sowohl mit Rücksicht auf die innenpolitische und innerparteiliche Stimmung als auch als Verteidigerin der Interessen der nord- und osteuropäischen Euro-Länder muss Merkel eine harte Position vertreten, wenn sie auch nur die Chance auf einen späteren Kompromiss wahren will. Nicht einmal ein Streit innerhalb der großen Koalition ist dabei ausgeschlossen. So betonte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag nochmals, dass das Thema einer Schuldenerleichterung für Griechenland bei den Verhandlungen über das inzwischen abgelaufene zweite Hilfsprogramm auf dem Tisch gelegen habe. Nach dem Nein geht die Bereitschaft dazu in der Union aber gen Null.

Auf der anderen Seite wird die Kanzlerin mit Wünschen etwa der Amerikaner und Chinesen konfrontiert, die aus unterschiedlichen Gründen fordern, die Euro-Zone zusammenzuhalten. Zwar hat US-Präsident Barack Obama spätestens seit dem G7-Gipfel in Elmau Verständnis dafür, dass es sehr schwer ist, mit der Linksaußen-Rechtsaußen-Regierung in Athen überhaupt einen Deal zu erreichen. Aber an dem amerikanischen Wunsch, dass die Euro-Partner einen Kompromiss notfalls durch einen Schuldenerlass möglich machen, hat sich nichts geändert. Dazu passt, dass sich auch der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington kurz vor dem Referendum für einen Schuldenschnitt ausgesprochen hatte.

Genau dieses Zugeständnis ist aber für Merkel aus rechtlichen und innenpolitischen Gründen sehr schwierig - zumal zumindest Kanzleramt und Finanzministerium überzeugt davon sind, dass die Schulden überhaupt nicht Griechenlands Problem sind.

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Deshalb versucht die Kanzlerin die Diskussion nun zumindest in eine ordnende Bahn zu lenken, Zeit zu gewinnen und die Euro-Zone zu stabilisieren. Im Kanzleramt verweist man darauf, dass es ja nicht das erste Mal ist, dass ein Referendum die EU vor scheinbar unlösbare Probleme stellt: Dänen (1992), Iren (2001), Niederländer (2005) und Franzosen (2005) hatten sich in früheren Volksabstimmungen gegen Integrationsschritte ausgesprochen und die gesamte EU in Krisen gestürzt - aber eben nur vorübergehend. Immer hatte man sich "kreativ" gezeigt, damit EU-Staaten, die mit gemeinsamen Regeln zusammenarbeiten möchten, dies doch tun konnten - notfalls mit "Opt-Out"-Lösungen für die Länder, die das nicht wollen. Das Problem hierbei ist allerdings, dass Griechenland in der Währungsunion bleiben möchte, ohne bislang die Bedingungen der Geldgeber erfüllen zu wollen.

Reuters