Der Handelsstreit zwischen den USA und China sorgt weiterhin für große Verunsicherung bei Anlegern. Sich zu sorgen ist speziell für europäische Aktionäre seit der Finanzkrise im Jahr 2008 ohnehin eher die Regel als die Ausnahme. Angesichts der häufigen "Angstzustände" sind die im April markierten Rekorde des Stoxx Europe 50 Index umso erstaunlicher. Allerdings gilt das nur auf Performance-­Basis, also unter Einbeziehung der Dividenden. Auf reiner Kursbasis, ohne Dividenden, sind die 50 größten europäischen Unternehmen noch meilenweit von Bestmarken entfernt.

Verglichen mit dem MSCI Weltindex entwickelten sich europäische Aktien seit 2008 deutlich schlechter. Eine Umkehr dieses Trends hat auch 2019 noch nicht stattgefunden. "Solange die Kurve der Relativen Stärke tendenziell fällt, sollten europäische Aktien in einem globalen Aktiendepot weiterhin untergewichtet werden", kommentiert die BayernLB. Zudem gibt es im Marktumfeld nach wie vor nennenswerte Risiken - wie etwa den bereits erwähnten Handelskrieg sowie die Gefahr von US-Zöllen auf Autos aus Europa. Für europäische Unternehmen ist das ein sensibles Thema, weil die Euro-Stoxx-50- Mitglieder laut Goldman Sachs 19 Prozent ihrer Umsätze in Nordamerika erzielen, zwölf Prozent im Asien-Pazifik-Raum und 16 Prozent in den sonstigen Schwellenländern. Zyklische Sektoren wie Luxus, Rohstoffe, Technologie, Chemie, Industrie, Öl & Gas sowie Autos generieren sogar mindestens 50 Prozent ihrer Erlöse außerhalb der EU.

Jede weitere Belastung der Handelsschiene wäre eine Bürde, auch, weil die Konjunktur ohnehin wenig Dynamik zeigt. So taxiert Morgan Stanley das BIP-Wachstum für die Eurozone für das laufende und das kommende Jahr auf 1,2 beziehungsweise 1,4 Prozent.

Rekorde trotz Risiken


Hinzu kommen politische Risiken, etwa mit Blick auf die noch im Mai anstehenden EU-Parlamentswahlen, bei denen deutliche Zuwächse für Parteien abseits der politischen Mitte denkbar erscheinen. Sorgen bereitet zudem Italien wegen seiner unsoliden Haushaltspolitik. Auch der EU-Ausstieg der Briten ist noch immer ungelöst.

Trotz all dieser Probleme konnte der Stoxx Europe 50 Performance ­Index neue Bestmarken erreichen - was bedeutet, dass all diese Ängste neue Kursrekorde nicht verhindert haben. Sieht man sich aber das Bewertungsniveau an sowie die Aussichten für die Unternehmensergebnisse, sind keine allzu großen Kursimpulse zu erwarten. Denn das Kurs-Gewinn-Verhältnis beim Euro Stoxx 50 liegt 2019 bei rund 14, was im historischen Vergleich eher Durchschnitt ist. Die Gewinne der Indexvertreter bewegten sich ­außerdem in den Vorjahren mehr oder weniger um das BIP-Wachstum, und die Konjunkturaussichten sind auch nicht wirklich berauschend.

Unterstützung kommt dafür nach wie vor vom Niedrigzinsumfeld. Denn das rechtfertigt ein höheres Bewertungsniveau. Zudem bewegen sich die Dividendenrenditen deutlich über den Renditen für erstklassige Staatsanleihen. Die DZ Bank bringt das zu folgendem Schluss: "Dreh- und Angelpunkt bleiben die vergleichsweise hohen Dividendenausschüttungen (Euro Stoxx 50: 4,1 Prozent), die im Umfeld schwach wachsender Unternehmensgewinne an Bedeutung gewinnen. Anleger erhalten dank Dividende eine attraktive ‚Stillhalteprämie‘, die für das Warten auf bessere konjunkturelle Zeiten entschädigt." Der Lohn fällt derzeit sogar ungewöhnlich üppig aus. Denn laut Morgan Stanley ist der Vorsprung der Dividendenrendite beim MSCI Europe Index mit 329 Basispunkten gegenüber Staatsanleihen so groß wie seit 1923 nicht mehr.

Bedeutsame Dividenden


Überhaupt ist die Bedeutung von Ausschüttungen, insbesondere seit 2009, relativ groß, wenn man mit europäischen Standardwerten Gewinne erzielen möchte. Deutlich macht das auch eine Aufschlüsselung der historischen Wert­entwicklung durch die Analysten von Raiffeisen Research in die vier einzelnen Einflusskomponenten: Dividendenerträge, Inflation, realer Anstieg der Fundamentaldaten (Gewinn, Buchwert und Cashflow je Aktie) sowie Veränderung der Bewertungen (KGV, Kurs-Buchwert-Verhältnis und Preis-Cashflow-Verhältnis). Auf Zehnjahressicht zeigt sich dabei eindrücklich, welchen Stabilisierungseffekt in der EU die Dividenden langfristig auf Erträge hatten.

Laut den Berechnungen des österrei­­chischen Kreditinstituts dürfte sich daran auch künftig nicht viel ändern. In Summe erwartet man für den EU-Aktienmarkt eine Jahresperformance von 6,0 Prozent für die nächsten zehn Jahre. Der Löwenanteil soll dabei laut Modell mit 3,4 Prozent von der vereinnahmten Dividendenrendite kommen. Die Inflation dürfte zur Performance im Schnitt einen positiven Beitrag von 1,8 Prozent leisten und reale fundamentale Faktoren 2,4 Prozent pro Jahr. Gleichzeitig rechnen die Analysten mit einer sinkenden Bewertung gemessen am aktuellen Ausgangsniveau, was die Performance um 1,6 Prozent p. a. drücken dürfte.

Unabhängig davon, ob auf den Stoxx Europe 50 eine Rekordjagd oder eine Bullenfalle wartet, erscheint es für Anleger ratsam, bei Indexwetten auf europäische Standardtitel auf den Performance- und nicht auf den Kursindex zu setzen. Ein gutes Produkt ist hier beispielsweise der iShares Stoxx Europe 50 UCITS ETF (WKN: 935 926). Bei Einzelaktien sind gute Dividendenbringer Air Liquide (850 133), Nestlé (A0Q 4DC), SAP (716 460), Vinci (867 475) und Unilever (A0J NE2), die mit einem überzeugenden Langfrist-Chart aufwarten können. Für alle Titel besteht von BÖRSE ONLINE eine Kaufempfehlung.