In der Zentrale von Evonik Industries wurde sicher auf den Gewinn des vierten WM-Titels der deutschen Fußball-Nationalmannschaft angestoßen. Schließlich hat Evonik gerade den seit 2006 bestehenden Sponsoringvertrag mit Borussia Dortmund, kurz BVB, bis 2022 verlängert - und kann einen kleinen Teil des WM-Erfolgs für sich in Anspruch nehmen. Mario Götze, der in der BVB-Jugendabteilung ausgebildetete Eleganzfußballer, hat das Siegtor geschossen, BVB-Verteidiger Mats Hummels war einer der besten Abwehrspieler des gesamten Turniers.
Evoniks Engagement geht aber weit über das Trikotsponsoring hinaus. Der Spezialchemiekonzern hat für 26,7 Millionen Euro neun Prozent der Vereinsaktien gekauft. Dabei stellt sich die Frage: Was soll das Engagement dem Unternehmen bringen? Dass Evonik-Produkte bekannter werden, kann kaum das Ziel sein. So ist der Konzern Weltmarktführer bei Silanen. Wer das kauft, will beispielsweise anorganische Pigmente und Mineralien in Kautschukverbindungen modifizieren.
Verstanden? Muss man nicht. Denn anders als bei der Verbindung von adidas und dem FC Bayern München eignen sich die Evonik-Produkte nicht, um durch allgegenwärtige Fernsehpräsenz an den Mann gebracht zu werden.
Böse Zungen unterstellen dem Konzern deshalb gar keine wirtschaftlichen Motive. Sie lästern, dass sich die Manager - auch die Oberen bei der den Konzern kontrollierenden RAG-Stiftung - ein nettes Plätzchen für ihre persönliche Freizeitgestaltung sicherten. Jeden zweiten Samstag und häufig auch unter der Woche - also immer wenn der BVB zu Hause spielt - können sich die Bosse samt Gästen in die von Evonik finanzierte Stadionloge aufmachen.
Seltsam mutet auch der Umbau des Konzerns in eine Managementholding an, der vor einigen Wochen zusammen mit der Ernennung des neuen Vorstands Christian Kullmann bekannt gegeben wurde. Eine Managementholding braucht man immer dann, wenn die Vorstände nicht so viel vom operativen Geschäft verstehen. Und Kullmann, der Chief Stratetic Officer wird, weist in seiner Vita keine Verbindung zu Silanen und Co aus. Dafür kennt er sich bestens mit Fußball aus. Der ehemalige Leiter des Evonik-Vorstandsbüros sitzt seit Jahren im Aufsichtsrat des BVB. Vielleicht war die Beteiligung am BVB seine erste Amtshandlung. Für die freien Aktionäre stellt sich die Frage, ob noch in ihrem Sinne gearbeitet wird. Die operative Entwicklung von Evonik ist alles andere als weltmeisterlich. Das Betriebsergebnis sank 2013 um fast 25 Prozent, im ersten Quartal 2014 setzte sich dieser Trend fort. Da betrug das Minus fast 32 Prozent. Die Ergebnisse für das zweite Quartal 2014 stehen zwar noch aus (31. Juli), doch auch für diesen Zeitraum dürfte ein dickes Minus zu erwarten sein. Wer trägt dafür die Verantwortung? Fußballfans wissen, dass hier nur eine Auswechslung hilft.