"Zehn kleine Schritte nach vorn"
Egal, ob Roche, Boehringer Ingelheim
oder auch Bayer, die Liste der Evotec-
Kooperationspartner liest sich wie
das Who’s who der Pharmabranche. Sie
sollen Evotec in Zukunft noch höhere Einnahmen
und Renditen bescheren. Wie sich
das realisieren lässt, erläutert Unternehmenschef
Werner Lanthaler im Gespräch
mit BÖRSE ONLINE.
Börse Online : Herr Lanthaler, Evotec hat
den Anlegern ein durchwachsenes Geschäftsjahr
2013 beschert. Wie kam es dazu?
Werner Lanthaler: In der Summe ist 2013 für
mich nicht durchwachsen ausgefallen. Neben
zwei weniger schönen Ereignissen haben wir
zehn kleinere Schritte nach vorn gemacht,
die in der Öffentlichkeit vielleicht aber nur
unzureichend wahrgenommen wurden. Vor
vier Jahren hatten wir zwei Pharmapartner.
Jetzt sind es zehn, mit denen wir in den unterschiedlichsten
Krankheitsgebieten gemeinsam
arbeiten.
Fakt ist: Zwei negative Nachrichten haben das
Gesamtbild zuletzt eingetrübt.
Wir mussten Mitte 2013 die unangenehme
Entscheidung treffen, wegen mangelnder
Rentabilität eine Forschungsstätte in Indien
mit 140 Mitarbeitern zu schließen. Dann
mussten wir in der Bilanz die Abschreibung
auf einen nicht eingelösten klinischen Meilenstein vornehmen. Andererseits haben wir
mit etlichen Deals den Grundstein für künftiges
Wachstum gelegt. So hat Evotec eine
Reihe von neuen Partnerschaften mit Harvard
und Yale abgeschlossen.
In welchen Bereichen hat Evotec zuletzt die
größten Fortschritte erzielt?
Im Rahmen unserer Cure-X- und Target-XStrategie
bringen wir die unterschiedlichsten
wissenschaftlichen Ansätze zusammen, um
Wirkstoffe gegen Stoffwechselerkrankungen,
Schmerz, Krebs und Nervenleiden zu identifizieren.
Dahinter einen Börsenwert zu setzen
ist in der Tat schwierig, denn für den Kapitalmarkt
ist die Visibilität eines solchen Ansatzes
sehr limitiert.
Das ist alles Medikamentenfrühforschung -
und die ist für Börsianer zwar weniger risikobehaftet,
aber nicht besonders spannend.
Wenn man sich für den Marathon entscheidet,
dann darf man auch nicht erwarten, dass
man alle 100 Meter von den Märkten belohnt
wird. Unser anlegerorientiertes Risikoportfolio
ist auf Langfristigkeit ausgerichtet und
nicht auf eigene klinische Produkte. Aus diesem
Grund bauen wir unsere Strategie für
Umsätze auf drei Säulen aus. Neben den Einnahmen
aus der Forschung sind das die von
klinischen Erfolgen abhängigen Meilensteinzahlungen.
Dazu kommen nach der Marktzulassung
Umsatzbeteiligungen.
Dieses Potenzial muss sich aber erst noch
entfalten.
Aus diesem Grund und nach den Erfahrungen
vieler Anleger mit Biotech kommunizieren
wir dieses Potenzial nur zurückhaltend.
Dabei sind wir voll involviert in die größten
Produktentwicklungen, die es in vielen
Krankheitsfeldern derzeit weltweit gibt. So
läuft zum Beispiel bei Roche gerade eine der
größten klinischen Wirksamkeitsstudien für
einen Wirkstoff gegen Alzheimer auf der Basis
eines kleinen Moleküls, das von Evotec an
Roche auslizenziert wurde. Für uns bedeutet
dieses Programm allein ein Potenzial von bis
zu 840 Millionen Dollar an Meilensteinzahlungen
und über zehn Prozent an Tantiemen.
Bei einem Markt von geschätzt sechs bis zehn
Milliarden Euro ein potenziell enormer Gewinnhebel
für uns.
Erst einmal in der Theorie.
Nein, auch in der Praxis. Aber wir wollen
gegenüber den Investoren keine falschen
Hoffnungen wecken, denn das Risiko des
Scheiterns ist in der Tat groß. Allerdings
würde sich ein solcher klinischer Fehlschlag
eines Partners in unseren Bilanzen nicht
negativ
bemerkbar machen. Und das ist
dann wiederum der Charme unseres
Geschäftsmodells.
Und wo sind demnächst am ehesten solche
Meilensteinzahlungen zu erwarten?
Hier könnte unser Biotechpartner Andromeda
zum Jahresende kurstreibende Nachrichten
mit positiven Resultaten aus der
zweiten klinischen Phase-III-Studie für den
Kandidaten Diapep 277 liefern. Dieses Typ-
1-Diabetesmittel soll bei Patienten, bei denen
die Krankheit neu diagnostiziert wurde, die
Verabreichung von Insulin verzögern.
Was springt dabei für Evotec heraus?
Passen die Daten, wird Andromeda die von Teva wieder erworbenen Marketingrechte veräußern. Evotec erwartet in diesem Fall eine Umsatzbeteiligung im mittleren einstelligen Prozentbereich. Angesichts eines Umsatzpotenzials von 500 Millionen bis 1,5 Milliarden US-Dollar, das Experten für dieses Produkt erwarten, entspräche das einer schönen Summe. Für Evotec bedeutet das eine potenziell stabile Cashflow-Basis angesichts bislang schwankender Einnahmen aus klinischen Meilensteinen.
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Vom Fehlbetrag 2013 zum Plus 2014
Für Werner Lanthaler zählt die Partnersuche im Pharmabusiness zum täglichen Geschäft wie das charakteristische "Pfefferl" zum Bukett beim Grünen Veltliner. Von der Stammtraube in der weinseligen Wachau hat der gebürtige Oberösterreicher und Weinliebhaber etliche Flaschen im Keller. Besonders edle Tropfen werden auch schon einmal bei beruflichen Erfolgserlebnissen entkorkt.
Wenig Grund zum Feiern boten jedoch die Geschäftszahlen von Evotec für 2013. Lanthaler gelang es zwar, etliche neue Kooperationen abzuschließen, Währungseffekte und rückläufige Einnahmen aus erfolgsabhängigen klinischen Meilensteinzahlungen sorgten jedoch für einen Umsatzrückgang von zwei Prozent auf 87,7 Millionen Euro. Unterm Strich verbuchte das TecDAXUnternehmen infolge von Wertberichtigungen einen Fehlbetrag von 25,4 Millionen Euro.
Für das laufende Jahr rechnet Evotec- Chef Lanthaler mit einem Umsatzplus im einstelligen Prozentbereich und einem positiven operativen Ergebnis. Mindestens zwei Partnerprogramme sollen 2014 in die klinische Phase übergehen - was Evotec millionenschwere Meilensteinzahlungen bescheren wird.
Das Geschäftsmodell funktioniert so: Evotec identifiziert Moleküle, die für die Medikamentenentwicklung infrage kommen. Da die jeweiligen Partner die klinische Entwicklung und deren Kosten übernehmen, wirken sich Fehlschläge nicht negativ auf die Bilanz aus. Und die Zeit arbeitet für Evotec, denn wie bei Morphosys wird die Zahl dieser klinischen Etappen kontinuierlich steigen.
SRI
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Einschätzung der Redaktion