"Das Jahr hat mit der schlechtesten Aktienmarktentwicklung seit Beginn der Dax-Berechnung 1965 begonnen", konstatiert David Kohl, Chefvolkswirt der schweizerischen Privatbank Julius Bär für Deutschland. Die Konjunkturrisiken hätten zugenommen, da die US-Notenbank Fed weiter auf steigende Zinsen zusteuere und der Ölpreis keinen Boden zu finden scheine. "Dies wird die Finanzmärkte in den kommenden Wochen weiter belasten."
Zunächst könnte die bestehende Unsicherheit in eine weitere Verkaufswelle münden, warnt auch Analyst Markus Reinwand von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Stimmungsindikatoren zeigten die Aktien-"Bären" derzeit in der Überzahl. Das heißt: Die überwiegende Zahl der Anleger erwartet fallende Kurse. "Allerdings ist der Pessimismus noch nicht so ausgeprägt wie während der zurückliegenden Korrekturen", sagte der Experte. Eine zuverlässige Prognose sei schwierig.
RISIKEN AUS FERNOST BELASTEN
"Die Bewertungen sind im Sturzflug, weil sich Investoren der Risiken aus Fernost bewusst sind", beschreibt Marktexperte Daniel Saurenz vom Analysedienst Feingold Research die Lage. "Doch für einen Abgesang auf Aktien ist es zu früh." Denn es fehlten weiterhin lohnende Anlagealternativen für die risikobehafteten Dividendenpapiere. "Selbst Gold ist als 'sicherer Hafen' kaum gesucht."
Reinwand ist über die neue Woche hinaus ebenfalls vorsichtig optimistisch. "Die zwischenzeitlich recht hohe Bewertung hat sich sichtbar abgebaut", betont der Helaba-Experte. Angesichts leicht verbesserter Gewinnerwartungen für den deutschen Leitindex biete die gegenwärtige Korrektur mittelfristig orientierten Anlegern attraktive Einstiegschancen.
'ERSTE HANDELSWOCHEN KEIN INDIKATOR FÜR GESAMTJAHR'
Reinwand warnt zudem, "dass der Kursverlauf während der ersten Handelstage kein wirklich zuverlässiger Indikator für die Gesamtjahresentwicklung ist". Das Dax-Minus in der ersten Januarhälfte falle ähnlich hoch aus wie 2008 und 2009 - im Endeffekt seien beide Jahre aber sehr unterschiedlich verlaufen. Und Julius-Bär-Volkswirt Kohl weist mit Blick auf den marktbreiten US-Index S&P 500 darauf hin, dass lediglich in einem begrenzten Zeitraum ein statistischer Zusammenhang zwischen Jahresauftakt und der Entwicklung des weiteren Jahresverlaufs statistisch nachweisbar sei.
Da die Wall Street am Montag wegen eines Feiertags geschlossen bleibt, ist auch am deutschen Aktienmarkt mit einem ruhigen Wochenauftakt zu rechnen. Um so ereignisreicher könnte der Dienstag werden, an dem schon früh morgens eine Reihe chinesischer Wirtschaftsdaten auf der Agenda steht. Auch der ZEW-Index für die deutschen Konjunkturerwartungen am späteren Vormittag sollte einen Blick wert sein. Ab der Wochenmitte folgen etliche Daten von der US-Wirtschaft. Von der Zinssitzung der Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag erwarten die Experten von HSBC Trinkaus and Burckhardt Zurückhaltung, nachdem die Währungshüter im Dezember ihre Geldpolitik weiter gelockert hatten.
ZALANDO UND SAP BERICHTEN ÜBER GESCHÄFTSENTWICKLUNG
Zudem nimmt die Berichtssaison der Unternehmen in der neuen Woche etwas Fahrt auf. Aus Deutschland selbst sind erst wenige Nachrichten zu erwarten: Zum Auftakt gewährt der Online-Modehändler Zalando Einblick in seine jüngste Geschäftsentwicklung, und am Freitag legt der Softwarekonzern SAP (SAP SE) endgültige Jahreszahlen vor. Schon jüngst hatte der Walldorfer Dax-Konzern mitgeteilt, er habe auch dank zweier Übernahmen die eigenen Ziele übertroffen, aber für 2016 ein schwächeres Wachstum angekündigt.
Insbesondere in den USA stehen deutlich mehr Geschäftsberichte an, die sich auch auf die Aktienkurse deutscher Wettbewerber auswirken könnten. Aus der Bankenbranche legen die US-Banken Bank of America (Verizon Communications) und Morgan Stanley (beide Dienstag) sowie Goldman Sachs (Mittwoch) Rechenschaft ab. Im Luftfahrtsektor berichten Delta Air Lines (Dienstag) sowie Southwest Airlines und United Continental (beide Donnerstag).
Außerdem berichten der mit Henkel (Henkel vz) und Beiersdorf konkurrierende Konsumgüterhersteller Unilever am Dienstag, der Deutsche-Telekom-Rivale (Deutsche Telekom) Verizon Communications, der Allianz-Rivale (Allianz) Travelers (Citigroup) (beide Donnerstag) und der mit Siemens konkurrierende Elektrokonzern General Electric (GE) (General Electric (GE)) (Freitag)./gl/fat/men
--- Von Gerold Löhle, dpa-AFX ---